Alt Bundesrat Moritz Leuenberger ist im Fernsehen. Beim TV Ostschweiz. In einem Interview mit alt Bundesrat Adolf Ogi, der für sein Lebenswerk mit dem Erich-Walser-Generationenpreis geehrt wird. Und er langweilt sich. Sehr, sehr fest. Und er gibt sich sehr, sehr wenig Mühe, das zu verhehlen.
Es sind harte, zähe Minuten für den alt Bundesrat.
Sehr, sehr harte Minuten.
Brutal harte Minuten.
Irgendwie so muss sich das bei Leuenberger während der Aufnahmen im Kopf abgespielt haben:
«Schiss huere Erich-Walser-Generationenpreis, hab ich jetzt aber mal überhaupt gar keinen Bock drauf.
Wer ist Erich Walser überhaupt? Hat der ein Buch geschrieben? Und wieso verleiht der einen Preis? Der ist sicher schon lange tot. Wie ich auch, wenn ich noch länger an dieser Hundsverlochete bleibe. Tot. Vor Langeweile gestorben.
Gopfridstutz, jetzt brechen wir ab, jetzt reicht's. Ich schwing mal ein bisschen mit den Armen. Wenn das der Armleuchter von Aufnahmeleiter nicht checkt, dann weiss ich auch nicht.
Sowieso, diese Scheiss-Journalisten. Unvorbereitet wie immer. Nei aso chum, mach ich nicht länger mit, soweit kommt's noch, ich mach mich doch nicht zum Affen hier. Ueli hatte schon Recht, alles Affen, er, ich, die Journalisten.
Aber der Dölf ist da, immerhin, der ist besser als der Ueli. Der Dölf wird geehrt. Ich und der Dölf, wir haben uns ja quasi im Alleingang durch die Alpen gebohrt. Wir sind beide wichtig, sehr wichtig, historische Persönlichkeiten sozusagen. Pioniere des Zeitgeschehens. Weltveränderer. Lichtgestalten des Fortschritts. Lebende Ikonen.
Also, da musst du Contenance wahren. Contenance. Hast du gehört, Moritz? Am besten, du machst irgendwas mit deinen Fingern. Ein bisschen übers Tischtuch wischen. Da hat's eh noch Brezelreste vom letzten Anlass. Wahrscheinlich irgendeine neumodische Cüpli-Seich-Chose. Schiss-Brezel.
Sackzement, wieso darf eigentlich nur der Dölf reden? Hätten die Pfeifen mich ja nicht einladen müssen, wenn ich eh nur blöd rumstehe. Blablabla, ‹Freude herrscht›, blablabla, ‹dieser Zweig›, blabla. Wenn er doch wenigstens mal auf einen grünen Zweig kommen würde, der Dölf. Oder auf den Punkt. Kennen wir alles, wissen wir alles. Wie spät ist es eigentlich?
Reden schreiben, dafür bin ICH ja bekannt. Nicht er. Ich. Brillante Manifeste, mitreissende Traktate hab ich zu Papier gebracht, und die Einfaltspinsel von der Journalistenzunft fragen noch immer jedes Mal: Schreiben Sie Ihre Reden denn selber? Natürlich schreib ich die selber, du Pinsel, sag ich dann und mach stumpfsinnige Bewegungen auf einer imaginären Schreibmaschine. So schreib ich die, du Nichtfachmann!
Mach ich nie wieder, so einen Kafi, vergesst es, war das letzte Mal. Das tue ich mir nicht länger an. Ist ja schlimmer als die Fluglärmverhandlungen mit den Schwaben. Moritz, jetzt faltest du noch einmal schön die Hände zusammen und guckst überlegen rüber zum Dölf. Souverän, selbstbewusst, zielgerichtet, konsequent – und vor allem: wichtig. Deine Zeit ist knapp bemessen, Moritz, auch wenn du pensioniert bist. Das muss den Knallchargen von den Medien endlich mal in den Kopf. Das nächste Mal können sie dich wieder einladen, wenn sie dir den schiss Roberto-Garcia-Preis verleihen. Und nicht dem Dölf.»