Lokaltermin Helsinki. Unsere Nationalmannschaft spielt zwei Partien gegen Tschechien und Russland. Zwei hochkarätige Gegner. Es sind wichtige Testspiele. Das olympische Turnier beginnt in drei Monaten.
Auch wem Sport im Allgemeinen und Eishockey im Besonderen egal ist, würden wenige etwas gegen die Behauptung haben, dass es für ein staatstragendes Fernsehen und Radio Pflicht wäre, über diese Länderspiele live aus Helsinki zu berichten.
Das staatstragende Fernsehen und sogar das dazugehörende Radio verzichteten auf die Entsendung von Chronistinnen oder Chronisten. Radio-Sportchef Christoph Sterchi erklärt auf Anfrage: «Kein Budget».
Kein Geld für eine kompetente Berichterstattung der Nationalmannschaft im Ausland. Nur die Partie am Mittwoch in Biel ist live übertragen worden. Kein Polemiker, wer sagt, dass eine Berichterstattung aus Helsinki für ein staatstragendes Fernsehen und Radio eigentlich Informationspflicht wäre.
Diese Informationspflicht hat ein privates Unternehmen übernommen. Die neu gegründete Pay-TV-Station«MySports». Sie hat live übertragen, inklusive Pausen-Interviews.
Lokaltermin Ambri und Lugano. Jahrelang hatten die Direktübertragungen des Tessiner Derbys im staatstragenden Fernsehen RSI Kultcharakter. Die Auseinandersetzungen zwischen Ambri und Lugano sind mehr als Sport. Sie sind ein Teil der Tessiner Kultur und Identität. Nach dem Motto: Wir spielen ein Hockey-Derby in der höchsten Spielklasse. Also sind wir.
Auch wem Sport im Allgemeinen und das Tessiner Hockey im Besonderen egal ist, werden wenige etwas gegen die Behauptung haben, dass es für ein staatstragendes Fernsehen Pflicht wäre, über diesen kulturellen Anlass live zu berichten.
Das Tessiner Derby wird vom staatstragenden Fernsehen diese Saison ignoriert. Weil gespart werden muss. Der Kabelnetzbetreiber und Hockey-Rechtehalter UPC hat für die Übertragungsrechte pro Spiel 100'000 Franken verlangt. Zu viel für das staatstragende Fernsehen. Aber nicht zu viel für «Teleticino», den Sender aus dem Medien-Imperium von Ambris Präsident Filippo Lombardi. Jetzt überträgt neben «MySports» das frei empfangbare «Teleticino» die Derbys live.
Eishockey ist populär. Jede Woche eilen mehrere zehntausend Männer, Frauen und Kinder in die Stadien. Aber von September bis März überträgt das staatstragende Fernsehen nicht ein einziges Spiel der 50 Qualifikationsrunden live.
Auch wem Sport im Allgemeinen und die nationale Meisterschaft im Besonderen egal ist, wird wenig gegen die Behauptung haben, dass es für ein staatstragendes Fernsehen Pflicht wäre, über diese eidgenössische Meisterschaft auch zwischen September und März fundiert und live zu berichten.
Diese Informationspflicht haben schon seit Jahren private Unternehmen übernommen. Seit dieser Saison überträgt «MySports» jedes Spiel der höchsten Liga live.
Die Schweizer haben die NHL erobert. Nico Hischier ist das neue Wunderkind der wichtigsten Liga der Welt. Roman Josi amtiert als Captain der Nashville Predators. Nino Niederreiter, Luca Sbisa, Sven Andrighetto oder Sven Bärtschi sind weitere eidgenössische Stars in dieser Liga.
Auch wem Sport im Allgemeinen und die NHL im Besonderen egal ist, wird wenig gegen die Behauptung haben, dass es für ein staatstragendes Fernsehen Pflicht wäre, hin und wieder ein NHL-Spiel mit helvetischer Beteiligung zu übertragen.
Beim staatstragenden Fernsehen werden keine NHL-Spiele gezeigt. Auch diese Informationspflicht hat mit dem «Teleclub» eine private TV-Station übernommen.
Das staatstragende Fernsehen überträgt erst während der Playoffs live, zeigt den Cup-Final (eine sportlich bedeutungslose Veranstaltung), den Spengler Cup und die Partien der Schweizer bei der WM (plus die Viertel-, Halbfinalpartien und den Final). Private Unternehmen (wie «Teleclub» und «MySports») würden diese Spiele auch und noch so gerne live übertragen.
Ich komme also als Hockeyfan zum Schluss: Unser Hockey braucht das staatstragende Fernsehen nicht. «No Billag» kann mir egal sein.
Wir stehen so oder so vor dramatischen Umwälzungen im TV-Business. Drehen wir kurz am Rad der Zeit. Bis zur Jahrhundertwende lebten wir in den «goldenen Jahren» der Medien. Wenn ich als Klub dem Publikum etwas mitteilen wollte, brauchte dafür die Medien. Eine Chronistin oder einen Chronisten, die/der meine Neuigkeit oder meine Meinung übernahm und in einer Zeitung unterbrachte – oder noch besser im Radio oder Fernsehen.
Dann kam das Internet. Seither hat sich für die Zeitungen alles dramatisch verändert. Wenn ich als Klub jetzt meinem Publikum etwas mitzuteilen haben, brauche ich kein bedrucktes Papier und schon gar keine Journalisten mehr. Ich kann meine Botschaft jederzeit über das Internet in meinem Sinne in die Öffentlichkeit tragen.
Der Bedeutungsverlust für das Lohnschreibergewerbe der gedruckten Medien ist dramatisch. Nur die Abgesandten des Fernsehens sind nach wie vor Könige. Denn die TV-Präsenz ist der Sauerstoff des Sportgeschäftes. Nur wenn ich meine Spiele über eine TV-Stadion in die helvetischen Stuben bringe, habe ich eine Chance auf richtig gute Werbeeinahmen. Ich komme im Fernsehen, also bin ich.
Aber bald brauchen die Klubs auch das Fernsehen nicht mehr. Das Schicksal der Zeitungen blüht auch den TV-Stationen. Den staatstragenden und den privaten. Den frei empfangbaren und dem Pay-TV.
Noch muss ich als Hockey-Unternehmer sagen: «Liebes Fernsehen, übertrage meine Bilder.» Und weil mein Produkt Eishockey gut ist, bezahlt mir das Fernsehen viel Geld dafür. Aktuell werden in die TV-Rechte unseres Hockeys jährlich etwas mehr als 30 Millionen Franken investiert. Diese Summe kann bereits nicht mehr refinanziert werden.
Nun wird die Internet-Technologie in absehbarer Zeit so weit entwickelt sein und die Kosten für die Produktion laufender Bilder werden so dramatisch sinken, dass ich als Klub oder Liga keine fremde TV-Station mehr brauche, um meine Bilder an meine Kunden zu bringen.
Bereits jetzt produzieren einzelne Klubs für ihre Webseite erstaunlich gute Beiträge mit bewegten Bildern (Klub-TV). Es wird keine zehn Jahre dauern, bis ich als Klub dazu in der Lage bin, auch die TV-Bilder meiner Spiele selber zu produzieren und über Internet gegen Bezahlung weltweit direkt meinen Kunden zu übermitteln. Ich brauche keine TV-Station mehr, die das für mich tut und mit meinem Produkt dem Zuschauer Geld abknöpft und Werbeeinnahmen erzielt wie zurzeit UPC, der Teleclub oder das staatstragende Fernsehen. Ich kassiere eine Gebühr pro Spiel und Werbung verkaufe ich auch. Und die Kommentatoren reden so, wie ich will. Das ist allerdings teilweise schon heute bei Reportern der TV-Sender der Fall: die dürfen ihr Salär mit der gut bezahlten Moderation von Anlässen der Sportverbände und Klubs aufbessern. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Das grosse Geschäft mit den TV-Bildern werden die Klubs und Ligen in absehbarer Zeit selber machen und so die Verluste etwas reduzieren. Trotzdem bleibt das Sport-Business in Europa weitgehend ein Minus-Geschäft. Weil die europäischen Ligen, anders als in Nordamerika, keine Lohnbegrenzung zustande bringen. Die Mehreinnahmen werden direkt in die Spielerlöhne investiert.
Die staatstragenden und die privaten TV-Stationen werden im Sport-Business arg an Bedeutung verlieren. Für den Fan ändert sich allerdings nichts. «No Billag» hin, «No Billag» her. Sollte er dereinst von der Gebühr für das staatstragende Fernsehen befreit sein, dann muss er, will er Eishockey live sehen, halt ein Abo für ein Pay-TV oder die übers Internet empfangenen TV-Bilder den Klubs oder den Ligen bezahlen. Aber gratis ist Live-Eishockey nicht zu haben.
Denn eines wird sich nie ändern: Der Fan zahlt immer. Es ist die letzte echte Form des Sozialismus. Milliardäre und einfache Leute sind wenigstens im Eishockey gleich: die reichen Klubbesitzer und die weniger reichen Fans müssen zahlen. Ein ehernes Gesetz des Eishockeys gilt auch noch in 20 Jahren: Wie macht man mit einem Sportunternehmen ein kleines Vermögen? Indem man mit einem grossen Vermögen beginnt.