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Tennis: Warum Roger Federers Verzicht auf die Sandplatz-Saison clever ist

epa04780485 Roger Federer of Switzerland in action against his compatriot Stan Wawrinka during their quarterfinal match for the French Open tennis tournament at Roland Garros in Paris, France, 02 June ...
Ein Bild der Vergangenheit? Roger Federer auf dem Sandplatz-Court des French Open.Bild: EPA/EPA
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Nach dem Verzicht auf die Sandsaison: Ist Federer ein Pragmatiker oder ein Feigling?

Nach Roger Federers erneutem Verzicht auf die Sandplatzsaison wirft sich die Frage auf: Ist der Schweizer ein Feigling, Rafael Nadal auf dessen stärkster Unterlage aus dem Weg zu gehen, oder ist er einfach nur clever?
26.03.2018, 08:1226.03.2018, 08:51
simon häring / Aargauer Zeitung
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Ein bisschen angefressen schien Roger Federer (36) schon. Seine Antworten waren immer noch höflich und durchdacht, aber doch knapper als sonst. Klar, da war Enttäuschung. Eine Niederlage sei nicht das Ende der Welt und es sei auch okay, einmal zu verlieren, hatte er vor einer Woche in Indian Wells nach der Final-Niederlage noch jovial gesagt.

epa06627934 Thanasi Kokkinakis of Australia (L) and Roger Federer of Switzerland (R) meet at the net following their second round match at the Miami Open tennis tournament on Key Biscayne, Miami, Flor ...
Federer musste in Miami die zweite Niederlage in Serie einstecken.Bild: EPA/EPA

Über Niederlagen lässt es sich ja auch einfach sinnieren, wenn man so sehr ans Gewinnen gewöhnt ist wie er. Doch zwei Mal in Folge? Das war ihm lange nicht mehr passiert. Genauer: letztmals 2014.

Über Wochen hatte Roger Federer mit einer Rückkehr auf Sand kokettiert.

Doch fast mehr zu reden gab, dass Roger Federer wie im Vorjahr die komplette Sandsaison auslässt und damit auch zum dritten Mal in Folge die French Open verpasst. «Die Diskussion ist schon beendet. Ich habe entschieden, nicht zu spielen», sagte Federer auf die Frage, die allen unter den Nägeln brannte. «Wir waren uns im Team schnell einig. Wir hatten alle das Gefühl, dass es besser ist, den Körper zu schonen und auf den Belagswechsel zu verzichten», präzisierte der Baselbieter. Schon in der letzten Woche sei diese Entscheidung gefallen.

Nicht die Entscheidung an sich, aber der Zeitpunkt und die Konsequenz überraschten dann doch. Federer hatte bisher stets betont, sich nach Miami zu entscheiden. Über Wochen hatte er mit einer Rückkehr auf Sand kokettiert.

Ist Federers Verzicht auf die Sandsaison richtig?

Es sei sein Traum, noch einmal in Paris zu gewinnen. Noch einmal die Emotionen von 2009 zu erleben, als er dort zum einzigen Mal gewonnen hat. Und Turnierdirektor Guy Forget schöpfte Hoffnung, strich Federer Honig ums Maul, indem er ihn zum Anwärter auf den Sieg machte. Forget wurde enttäuscht. Schon wieder.

FILE - In this June 7, 2009, file photo, Switzerland's Roger Federer kisses his trophy after defeating Sweden's Robin Soderling in their men's singles final match of the French Open ten ...
2009 gewann Federer zum bisher einzigen Mal in Roland Garros.Bild: AP/AP

Er hatte in der Vorwoche sein letztes Ass aus dem Ärmel gezaubert, als er sagte, es wäre das erste Mal, dass eine Nummer eins ein Grand-Slam-Turnier auslasse, ohne verletzt zu sein. Vielleicht hatte er damit moralischen Druck ausüben wollen auf Federer, der mehr über die Geschichte des Sports weiss als viele seiner Kollegen. Doch nach dem 6:3, 3:6, 6:7 gegen den Australier Thanasi Kokkinakis (21, ATP 175) in Miami verliert Roger Federer am nächsten Montag die Weltranglistenspitze ohnehin wieder an den verletzten Rafael Nadal.

Federer muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Feigling zu sein, dass er Nadal auf Sand aus dem Weg geht.

Vier Mal war Federer in Paris im Final am zehnfachen Sieger Nadal gescheitert, dazu einmal im Halbfinal. Gewonnen hat er dort gegen seinen Erzrivalen nie, doch die verbesserte Rückhand hat vieles verändert. Roger Federer hat die letzten fünf Duelle gewonnen und selber gesagt: «Ich bin gespannt, zu sehen, wie sich das auswirkt.»

Die Frage bleibt vorerst unbeantwortet. Er muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er sei ein Feigling, dass er Rafael Nadal auf dessen Lieblingsbelag aus dem Weg geht. Je älter er wird, desto weniger Kompromisse geht er ein.

Das ist sein gutes Recht – und wohl auch Teil seines Erfolgsrezepts. Federer wollte dem Traum von Paris nicht alles unterordnen. Genau das hätte er aber tun müssen, um dort zu reüssieren. Federer hätte in Paris kaum gewonnen. Und doch ist seine Absage eine verpasste Chance.

Federer möchte Zeit mit seiner Familie verbringen, mit den Kindern Panini-Bildchen sammeln.

Er, der immer wieder nach neuen Impulsen sucht. Er, der sagt, nicht Trophäen, Rekorde und Siege, sondern Emotionen seien sein Antrieb. Ausgerechnet er verzichtet auf Paris und damit auf eine Geschichte, die unabhängig vom Ausgang die Fantasie seiner Anhänger beflügelte.

epa06434844 A handout photo made available by Tennis Australia shows Roger Federer (not pictured) of Switzerland's family; Mirka Federer (L) and two sets of twin children, Myla Rose Federer, Char ...
Federer möchte zeit mit seiner Familie verbringen.Bild: EPA/TENNIS AUSTRALIA

Es zeigt aber auch mit aller Deutlichkeit: Selbst in einem emotional aufgeladenen Umfeld handelt Roger Federer wie ein kühl kalkulierender Pragmatiker. Ein Opportunist. Zu gross ist ihm das Risiko, sich auf Sand zu verletzen. Zu drängend die Sehnsucht nach körperlicher und emotionaler Erholung.

Federer möchte lieber nach Sambia reisen und Projekte seiner Stiftung besuchen. Er möchte Zeit mit seiner Familie verbringen, mit den Kindern Panini-Bildchen sammeln. «Das sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben», sagt er. Und er möchte im Sommer zum neunten Mal in Wimbledon gewinnen. Gelingt ihm das, hat Roger Federer alles richtig gemacht. Mal wieder.

Das sind die wichtigsten Rekorde von Roger Federer

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Das sind die wichtigsten Rekorde von Roger Federer
Älteste Weltnummer 1: Mit 36 Jahren und 320 Tagen war Roger Federer im Juni 2018 der älteste Mann, der je auf dem Tennis-Thron gesessen hat.
quelle: epa/anp / koen suyk
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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Typu
26.03.2018 09:44registriert Oktober 2015
Er ist 37 und muss kalkulieren. Viel mehr gibts nicht zu sagen.
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Coffey
26.03.2018 09:53registriert März 2016
„Gelingt ihm das, hat Roger Federer alles richtig gemacht. Mal wieder“.
Wer Federers Palmares anschaut, wird zum Schluss kommen, dass er schon immer aller richtig gemacht hat.
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Luca Brasi
26.03.2018 08:57registriert November 2015
Schade. Damit ist das Kapitel Sandturniere wohl für immer geschlossen und Federer wird niemals Monte Carlo und Rom gewinnen und kein zweites Mal das beste Sandturnier der Welt gewinnen.
Mal schauen, wer bei diesen Turnieren reüssiert, falls Nadal nicht fit wird.
Eigentlich müssten ja mal die Jungen ein Zeichen setzen, aber die enttäuschen ja meist...
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