Ein bisschen angefressen schien Roger Federer (36) schon. Seine Antworten waren immer noch höflich und durchdacht, aber doch knapper als sonst. Klar, da war Enttäuschung. Eine Niederlage sei nicht das Ende der Welt und es sei auch okay, einmal zu verlieren, hatte er vor einer Woche in Indian Wells nach der Final-Niederlage noch jovial gesagt.
Über Niederlagen lässt es sich ja auch einfach sinnieren, wenn man so sehr ans Gewinnen gewöhnt ist wie er. Doch zwei Mal in Folge? Das war ihm lange nicht mehr passiert. Genauer: letztmals 2014.
Doch fast mehr zu reden gab, dass Roger Federer wie im Vorjahr die komplette Sandsaison auslässt und damit auch zum dritten Mal in Folge die French Open verpasst. «Die Diskussion ist schon beendet. Ich habe entschieden, nicht zu spielen», sagte Federer auf die Frage, die allen unter den Nägeln brannte. «Wir waren uns im Team schnell einig. Wir hatten alle das Gefühl, dass es besser ist, den Körper zu schonen und auf den Belagswechsel zu verzichten», präzisierte der Baselbieter. Schon in der letzten Woche sei diese Entscheidung gefallen.
Nicht die Entscheidung an sich, aber der Zeitpunkt und die Konsequenz überraschten dann doch. Federer hatte bisher stets betont, sich nach Miami zu entscheiden. Über Wochen hatte er mit einer Rückkehr auf Sand kokettiert.
Es sei sein Traum, noch einmal in Paris zu gewinnen. Noch einmal die Emotionen von 2009 zu erleben, als er dort zum einzigen Mal gewonnen hat. Und Turnierdirektor Guy Forget schöpfte Hoffnung, strich Federer Honig ums Maul, indem er ihn zum Anwärter auf den Sieg machte. Forget wurde enttäuscht. Schon wieder.
Er hatte in der Vorwoche sein letztes Ass aus dem Ärmel gezaubert, als er sagte, es wäre das erste Mal, dass eine Nummer eins ein Grand-Slam-Turnier auslasse, ohne verletzt zu sein. Vielleicht hatte er damit moralischen Druck ausüben wollen auf Federer, der mehr über die Geschichte des Sports weiss als viele seiner Kollegen. Doch nach dem 6:3, 3:6, 6:7 gegen den Australier Thanasi Kokkinakis (21, ATP 175) in Miami verliert Roger Federer am nächsten Montag die Weltranglistenspitze ohnehin wieder an den verletzten Rafael Nadal.
Vier Mal war Federer in Paris im Final am zehnfachen Sieger Nadal gescheitert, dazu einmal im Halbfinal. Gewonnen hat er dort gegen seinen Erzrivalen nie, doch die verbesserte Rückhand hat vieles verändert. Roger Federer hat die letzten fünf Duelle gewonnen und selber gesagt: «Ich bin gespannt, zu sehen, wie sich das auswirkt.»
Die Frage bleibt vorerst unbeantwortet. Er muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, er sei ein Feigling, dass er Rafael Nadal auf dessen Lieblingsbelag aus dem Weg geht. Je älter er wird, desto weniger Kompromisse geht er ein.
Das ist sein gutes Recht – und wohl auch Teil seines Erfolgsrezepts. Federer wollte dem Traum von Paris nicht alles unterordnen. Genau das hätte er aber tun müssen, um dort zu reüssieren. Federer hätte in Paris kaum gewonnen. Und doch ist seine Absage eine verpasste Chance.
Er, der immer wieder nach neuen Impulsen sucht. Er, der sagt, nicht Trophäen, Rekorde und Siege, sondern Emotionen seien sein Antrieb. Ausgerechnet er verzichtet auf Paris und damit auf eine Geschichte, die unabhängig vom Ausgang die Fantasie seiner Anhänger beflügelte.
Es zeigt aber auch mit aller Deutlichkeit: Selbst in einem emotional aufgeladenen Umfeld handelt Roger Federer wie ein kühl kalkulierender Pragmatiker. Ein Opportunist. Zu gross ist ihm das Risiko, sich auf Sand zu verletzen. Zu drängend die Sehnsucht nach körperlicher und emotionaler Erholung.
Federer möchte lieber nach Sambia reisen und Projekte seiner Stiftung besuchen. Er möchte Zeit mit seiner Familie verbringen, mit den Kindern Panini-Bildchen sammeln. «Das sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben», sagt er. Und er möchte im Sommer zum neunten Mal in Wimbledon gewinnen. Gelingt ihm das, hat Roger Federer alles richtig gemacht. Mal wieder.