Der Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic verlängert seinen Vertrag mit dem Fussballverband vorzeitig um zwei Jahre. Doch was löst das aus? Kein Jubel. Kein Ärger. Keine Tränen. Nur ein kurzes anerkennendes Zucken, da und dort sogar Schulterzucken – aber das war’s dann auch schon. Selten hat eine Vertragsverlängerung eines Fussball-Nationaltrainers der Schweiz derart wenige Debatten ausgelöst. Das ist doch erstaunlich.
Was lernen wir daraus? Zunächst einmal ist Petkovic so richtig angekommen in diesem Amt. Er brauchte einige Zeit dafür, zugegeben. Er musste sich durchringen, sich zu öffnen. Er musste lernen, zu akzeptieren, dass für gewöhnlich jede Regung des Nationaltrainers ausführlich öffentlich verhandelt wird. Und er musste merken, dass die Ansprüche ans Schweizer Team über die Jahre rasant gewachsen sind.
Wenn sich die Schweiz als Gruppenzweiter für eine EM qualifiziert, löst das nicht automatisch ein Halleluja aus. Dann heisst es: Pflicht erfüllt, aber bitte verbessern!
Petkovics Start als Nationaltrainer war problembeladen. Das lag nicht primär an ihm. Sondern am Schatten des vielerorts hoch geschätzten Vorgängers Ottmar Hitzfeld. Das unglückliche, heroische 0:1 im WM-Achtelfinal gegen Argentinien verstärkte diese Gefühle eher noch.
Kommt hinzu, dass Petkovic nie Wunschkandidat des Verbands war. Erst versuchte dieser alles, um Hitzfeld von einer weiteren Amtszeit zu überzeugen. Dann wurde Marcel Koller der rote Teppich ausgelegt. Nach dessen Absage musste man diesen Schlamassel ausbaden. Klar, dass unter diesen Voraussetzungen der neue Trainer wie eine Notlösung wirkt.
Petkovic musste sich die Anerkennung verdienen. Wie so häufig in seinem Leben. Er hat auch schon durchblicken lassen, dass er immer ein bisschen mehr leisten müsse als andere für dieselbe Anerkennung.
Die grosse Frage bei ihm war, wie er sich unter Druck in grossen Spielen schlagen würde. Einen ersten Beweis hat er an der EM geliefert. Die Schweiz überzeugte, auch wenn es knapp nicht zum Exploit (Viertelfinal) gereicht hat. Petkovic hat eine Mannschaft geformt, die mit ihrem Fussball Freude bereitet hat. Und diesen Schwung aus Frankreich gleich in die WM-Qualifikation mitgenommen hat. Wobei der Sieg über Europameister Portugal ein eindrückliches Zeichen war.
Mittlerweile ist aus der Schweiz fast schon eine Erfolgsmaschine geworden. Sieben Siege in Serie, das ist Rekord. Platz vier in der Weltrangliste ist so gut wie ewig nicht mehr. Man darf Petkovic als Erfolgstrainer bezeichnen. Dafür gibt es weitere Belege. In 30 Spielen hat er einen Punkteschnitt von 1,93 erreicht. Das ist besser als Hitzfeld (1,77) und Köbi Kuhn (1,56).
Dazu prägt Petkovic Spiele immer wieder mit geschickten Einwechslungen. Beispiele dafür sind das 2:1 in Litauen (Juni 2015), das 3:2 gegen Slowenien (September 2015), das 3:2 in Ungarn (Oktober 2016) und das 1:0 gegen Lettland (März 2017).
Die Stimmung rund um das Team ist hervorragend, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Und trotzdem schlummert ein Gefühl, dass die eigentliche Reifeprüfung erst bevorsteht. Sieben Siege en suite sind natürlich toll. Aber die Gegner hiessen beispielsweise auch Färöer Inseln, Andorra, Lettland oder Weissrussland. Gegner, die grosse Nationen in der Regel eher 6:0 abfertigen als nur 1:0 oder 2:0 besiegen.
Alles deutet darauf hin, dass es im Oktober zum grossen Showdown zwischen Portugal und der Schweiz kommt. Zu befürchten ist, dass bei einer Niederlage für die Schweiz die Barrage droht. Und damit die WM-Teilnahme plötzlich zur Zitterpartie verkommt. Es wird spannend zu beobachten, wie Petkovic sein Team rund um diesen Final in Lissabon modelliert. Er wird gefordert sein wie noch nie als Nationaltrainer. Und muss den nächsten Beweis liefern, der richtige Mann für diese Nationalmannschaft zu sein.
Vorerst stehen indes die nächsten Pflicht-Aufgaben an. Alles andere als ungefährdete Siege gegen Andorra heute und Lettland am Sonntag wäre ungenügend. Und dann wäre es auch schnell vorbei mit der Ruhe.