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Deutschlands bekannteste Gerichtsreporterin verrät, worauf sich Uli Hoeness gefasst machen muss

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Gefängnis, Freispruch oder Bewährung? 

Deutschlands bekannteste Gerichtsreporterin verrät, worauf sich Uli Hoeness gefasst machen muss

Bayern-Boss Uli Hoeness muss sich ab heute vor dem Landgericht München wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verantworten. Im Interview beantwortet Spiegel-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen die wichtigsten Fragen vor dem Prozess.
10.03.2014, 06:0824.06.2014, 13:26
Alex Dutler
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Die Erfahrene
Gisela Friedrichsen ist die bekannteste deutsche Gerichtsreporterin. Die 69-Jährige Münchnerin studierte Geschichte und Germanistik und arbeitet seit 1973 als Journalistin. Seit 25 Jahren berichtet sie für den Spiegel über die deutsche Justiz. Friedrichsen ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Gisela Friedrichsen, die Anklageschrift gegen Uli Hoeness bleibt bis zum Verhandlungsbeginn unter Verschluss. Müssen wir mit Überraschungen rechnen?
Gisela Friedrichsen: Das stimmt. Die Anklageschrift war vor der Verhandlung nicht einsehbar, sondern stand unter Hochsicherheitsverschluss. Dieses Vorgehen ist sehr unüblich. Deshalb wird es am ersten Verhandlungstag sehr spannend werden. Bis jetzt ist ja noch nicht einmal klar, wie hoch die genaue Summe ist, welche Uli Hoeness hinterzogen haben soll. Aussagen dazu, was uns erwarten wird, sind bis jetzt aber reine Spekulation.

Für Uli Hoeness geht es ab heute auch vor Gericht um die Wurst.
Für Uli Hoeness geht es ab heute auch vor Gericht um die Wurst.Bild: Keystone

Die Gerüchte, welche über die Höhe der hinterzogenen Steuern kursieren, benennen eine Spanne von 800'000 bis zu 3,2 Millionen Euro. Können Sie unseren Usern erklären, was das für einen Unterschied macht?
Die höchstrichterliche Gerichtssprechung lautet, dass bei schweren Fällen von Steuerbetrug zwingend eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird. Die Grenze dazu liegt bei einer Million Euro. Es ist davon auszugehen, dass Uli Hoeness eine Summe von über drei Millionen hinterzogen hat. Allerdings bleibt dem Gericht grosser Spielraum bei der Reduktion. 

Was bedeutet das genau? 
Das fängt an beim Begriff der Lebensleistung. Uli Hoeness hat zwei Kinder grossgezogen. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer, der Arbeitsplätze bereitstellt und den FC Bayern München zu einem Weltklasseverein gemacht hat. Ausserdem ist er reuig und hat dem Vernehmen nach sofort eine Sicherheitsleistung von zehn Millonen Euro hinterlegt. Das alles wird berücksichtigt. Die entscheidende Frage wird sein, ob das Gericht nach Abzug dieser Faktoren auf eine Summe kommt, welche über einer Million Euro liegt. Wenn nicht, dann könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.

Das Strafgesetzbuch sieht eine maximale Gefängnisstrafe von zehn Jahren vor. Ist es realistisch, dass Uli Honess für so lange Zeit hinter Gitter wandert?
Auf gar keinen Fall, das ist völlig absurd. Diese Höchststrafe wurde noch nie verhängt. Und der Angeklagte ist ja geständig. Anders würde es aussehen, wenn Uli Hoeness die Sache jetzt noch vertuschen würde. Peter Graf, der Vater von Steffi Graf, war so ein Fall. Der hat nicht reinen Tisch gemacht, sondern immer nur das gestanden, was man ihm beweisen konnte. Das ist hier aber nicht der Fall. Uli Hoeness ist sehr kooperativ.

Uli Hoeness ist für Bayern München das, was Steve Jobs für Apple gewesen ist. Werden ihn die Bayern-Bosse beim Prozess symbolisch unterstützen?
Ich gehe davon aus, dass er nur mit seinem Verteidigerteam erscheinen wird. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass sich vor dem Gericht Fussballfans mit ihm solidarisieren werden. Einige Banner mit der Aufschrift «Freiheit für Uli» würden mich nicht erstaunen.

Auf solche Transparente könnte Uli Hoeness heute wohl gut verzichten.Bild: EPA

Wie sieht diesbezüglich die Sicherheitslage aus? Könnte es zu Krawallen kommen? 
Bei derart spektakulären Prozessen sind die Sicherheitsvorkehrungen enorm hoch. Das beginnt schon beim Akkreditierungsverfahren, bei welchem alle Journalisten detailliert geprüft werden. An den Verhandlungstagen gibt es strenge Kontrollen und eine grosse Zahl an Polizeibeamten ist einsatzbereit. Der NSU-Prozess hat gezeigt, dass dieses Sicherheitsdispositiv sehr gut funktioniert. Vor durchgeknallten Fussballfans braucht sich keiner zu fürchten. Allfällige Krawalle würden sehr schnell beendet.

Bei der Jahreshauptversammlung der Bayern hat Uli Hoeness aufgrund der Solidaritätsbekundungen geweint. Welchen Art von Auftritt erwarten Sie von ihm vor Gericht? 
Er wäre sehr gut beraten, wenn er gefasst auftritt und kein Theater veranstaltet. Auch wenn er sich das nicht gewohnt ist, sollte er es zum Beispiel tunlichst vermeiden, dazwischenzureden. Der Vorsitzende ist bekannt dafür, dass er wenig Verständnis für solche Dinge hat. Aber darauf haben ihn seine Verteidiger mit Sicherheit vorbereitet.

Während Bayerns Jahreshauptversammlung brachen bei Uli Hoeness alle Dämme. Heute sollte er sich zusammenreissen, wenn er keinen Ärger mit dem Richter riskieren will.
Während Bayerns Jahreshauptversammlung brachen bei Uli Hoeness alle Dämme. Heute sollte er sich zusammenreissen, wenn er keinen Ärger mit dem Richter riskieren will.Bild: AP dpa

Sie sprechen den vorsitzenden Richter Rupert Heindl an. In den Medien wird er als «harter Hund» und «Richter Gnadenlos» bezeichnet. Wie lautet ihre Einschätzung? 
Da ist viel journalistische Polemik dabei. Der Vorsitzende Heindl ist erst seit zwei Jahren im Amt und man weiss nicht viel von ihm. Es gilt als sicher, dass er keiner ist, der Absprachen im Hinterzimmer trifft. Die Verteidigung muss versuchen, auf dem Parkett der Öffentlichkeit eine gute Beziehung zu etablieren. Den Rest wollen wir doch erst mal sehen. Ich bin dagegen, dass man dem Vorsitzenden ein pauschales Etikett verpasst.

Ein Knackpunkt wird sein, ob die Selbstanzeige von Uli Hoeness für gültig oder ungültig befunden wird. Was ist der Stand diesbezüglich?
Das wird in der Tat eine ganz interessante Frage sein. Es gibt noch keinen höchstrichterlichen Entscheid darüber, wann eine Selbstanzeige gültig ist und wann nicht. Sofern die Tat noch nicht entdeckt wurde, bedeutet eine Selbstanzeige Straffreiheit. 

Dann würde Uli Hoeness komplett ungeschoren davonkommen?
Im vorliegenden Fall war es ja so, dass der «Stern» recherchiert hat und sich Uli Hoeness aufgrund eines Tipps seiner Bank zur Selbstanzeige entschloss. Man kann der Meinung sein, er habe das nur getan, weil er wusste, dass er auffliegen wird. Allerdings waren die Artikel zum Zeitpunkt der Einreichung noch anonymisiert und sein Name somit nicht in der Öffentlichkeit. Deshalb gibt es nach meiner Einschätzung auch keinen Anlass dazu, der Selbstanzeige die Gültigkeit abzusprechen. Doch auch wenn das Gericht anders entscheidet, so ist eben noch sehr viel Spielraum vorhanden.

Was können Sie uns über die Anwälte der Verteidigung berichten. Handelt es sich um ein Allstar-Team, wie es bei den Bayern auch auf dem Feld steht? 
Uli Hoeness ist da in sehr guten Händen. Hanns Feigen, der sein Verteidigerteam leitet, ist eine Koryphäe. Ich wüsste nicht, wen man ihm Besseres hätte empfehlen können. Trotzdem wird es für die Verteidigung von grösster Wichtigkeit sein, dass sie einen guten Draht zum Vorsitzenden bekommt.

Anwalt Hanns Feigen (rechts) hat viel Erfahrung im Umgang mit Steuerprozessen. 
Anwalt Hanns Feigen (rechts) hat viel Erfahrung im Umgang mit Steuerprozessen. Bild: EPA

Die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern hat sich seit dem Fall Hoeness verdreifacht. Müssen die Behörden jetzt ein Exempel statuieren, damit dieser positive Effekt nicht wieder verpufft? 
Das ist die grosse Frage. Eigentlich gibt es ja ein Steuergeheimnis und den Schutz der Persönlichkeit zu Gunsten derer, die sich offenbaren wollen. Normalerweise geht es keine Menschenseele etwas an, wenn ein Steuersünder reinen Tisch macht. Aber dieses Prinzip ist in der Praxis bei einem Prominenten mit dem Status von Uli Hoeness ausgehebelt. Zu gross ist das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit. Und dazu hat er auch selbst beigetragen. Uli Hoeness ist immer als Vorbild aufgetreten. Er hat diese Rolle gerne gespielt und auch mal mit dem Finger auf Andere gezeigt. Der Fiskus strahlt natürlich über beide Backen, weil die Gelder jetzt fliessen wie nie zuvor.

Aber bringt ihm der Promi-Status jetzt vor Gericht eher einen Bonus oder einen Malus ein? 
Einen Bonus ganz bestimmt nicht. Der Malus entsteht durch die öffentliche Prangerwirkung. Die Öffentlichkeit fällt ihr Urteil ja, bevor das Gericht überhaupt anfängt zu arbeiten. Dieser Belastung ist ein normaler Angeklagter nicht ausgesetzt. Aber so ist das eben. Das Leben als Prominenter hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile. Des Weiteren gibt es durchaus Gerichte, die sich nicht vorwerfen lassen wollen, sie hätten einen Prominenten bevorzugt. Die Reaktion sind dann manchmal drakonische Strafen, damit der Gedanke an Mauschelei gar nicht erst aufkommt. Ob das bei diesem Prozess auch der Fall sein wird, werden wir sehen.

Wird sich Uli Hoeness je wieder so stolz in der Öffentlichkeit zeigen können? Die Zukunft ist ungewiss.Bild: EPA

Wird die Lichtgestalt Uli Hoeness am Ende der vier Verhandlungstage endgültig vom Sockel gestossen? Verliert er bei einem Schuldspruch seine Position bei den Bayern und seine enge Bande zu den diversen Wirtschafts- und Politkapitänen? 
Erstmal kann es durchaus sein, dass die Verhandlung länger dauert, als die angesetzten vier Tage. Wie es mit Uli Hoeness nach einem Schuldspruch weitergeht, hängt auch sehr von der Urteilsbegründung ab. Es gibt Fälle, bei denen der Verurteilte richtiggehend runtergemacht wird. Oder aber, er wird trotz Schuldspruchs mit Wohlwollen nach Hause geschickt. Der zweite Faktor wird sein, wie Uli Hoeness das ganze Prozedere persönlich übersteht und in welcher Verfassung er anschliessend ist. Es ist denkbar, dass er sich nach dem Urteil vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzieht und alle Ämter niederlegt. Oder er gibt sich kämpferisch und sagt: «Ich habe gebüsst, meine Schuld ist getilgt. Jetzt fange ich ein neues Leben an.»

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