«Neun bis zehn Positionen» hat Vladimir Petkovic schon vor der ersten Einheit der entscheidenden Phase in der EM-Kampagne im Kopf. Der Nationalcoach wird im Vergleich zum 2:1 in Litauen nur marginale Umstellungen vornehmen. Eine davon betrifft mutmasslich Admir Mehmedi, der im Sommer nach dem Absturz mit dem SC Freiburg der Depression fast wundersam entfloh – quasi von der zweiten Klasse direttissima in die Champions League.
Der Schweizer Selektionär hat die Entwicklung Mehmedis exakt beobachtet. Er traut Mehmedi den Quantensprung vom deutschen Tabellenende unter die Top 32 der europäischen Elite zu: «Er kann das verkraften. Admir steht mit den Füssen auf dem Boden.» Gut möglich, dass Mehmedi, der an der WM in Brasilien zum Stamm gehörte, den in Mönchengladbach früh unter Beschuss geratenen Stürmer Josip Stürmer am Samstag gegen Slowenien im 4-3-3-System ersetzt.
Noch wägt Petkovic ab. Er will während den Trainings in Freienbach und Jona die Bereitschaft Mehmedis ausloten und deutet an, die permanenten Stresssituationen im Klub seien nicht zu unterschätzen. Er denkt dabei primär an das Pendeln zwischen den Sternstunden und dem Bundesliga-Alltag. «Der mentale Bereich wird zum Thema. Man muss bereit sein, die verschiedenen Herausforderungen anzunehmen.»
Wie sich die Doppel- und Dreifachbelastung anfühlt, erlebte Mehmedi am vergangenen Samstag in München. Bayern führte Bayer vor. Drei Tage nach dem Kraftakt gegen Lazio Rom fehlte die Energie für mehr als ein 0:3. Mit etwas zeitlicher und räumlicher Distanz analysiert der 24-Jährige die erste Niederlage im Shirt der Werkself in seiner ganz unaufgeregten Art: «Dort haben schon andere verloren. Meine Welt verändert das Ergebnis jetzt nicht gerade.»
Für ihn überwiegen nach den teilweise schwierigen Engagements in Kiew und im Breisgau bislang die positiven Eindrücke. Der Freiburger Absteiger ist gut angekommen. Im Verlauf der Vorbereitung spürte Mehmedi, den richtigen Transfer-Entscheid gefällt zu haben. Er denkt, er habe seinen Teil zum überzeugenden Start Leverkusens beigetragen. Seinen Platz in der Startaufstellung im kapitalen Playoff-Rückspiel gegen Lazio wertet er als Signal des Vertrauens.
Die persönliche Umstellung sei gleichwohl beträchtlich gewesen, gibt der polyvalente Offensiv-Spieler zu: «Ich kämpfte zwei Jahre lang gegen den Abstieg. Und plötzlich bist du in der Champions League dabei. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen.» Er spricht von «anstrengende Wochen für den Kopf» und meint die Flut von neuen Eindrücken, die Anspannung, die viel höheren Erwartungen.
Gewöhnen muss sich Mehmedi auch an den verschärften Konkurrenzkampf in Leverkusen. Am letzten «Mercato-Abend» griff der Verein nochmals zu. Nach dem Dortmunder Kevin Kampl engagierte der ambitionierte Klub von Manchester United leihweise Javier «Chicharito» Hernandez.
Vor der Ankunft der beiden Spektakelgaranten fürchtet sich Mehmedi nicht – im Gegenteil: «Der Klub musste reagieren, nachdem uns Son verlassen hatte.» Mehmedi hat auch das grosse Bild des Bundesligisten im Kopf: «Wir sind nun für die sehr vielen Spiele gut aufgestellt.»
Die Bayer-Entscheidungsträger haben ihr Geld gut investiert. Die vom «Express» publizierte Zahl von 5,5 Millionen Euro entspricht auf dem überhitzten Markt einem «Low-Budget-Deal». Rudi Völler ist zu 100 Prozent vom relativ preisgünstigen SFV-Hoffnungsträger überzeugt: «Mehmedi passt genau in unser Anforderungsprofil.» Der Sportdirektor erhofft sich von der Vielseitigkeit des früheren FCZ-Professionals, «dass er unser Angriffsspiel noch variabler macht». (pre/si)