Dario Cologna gewinnt wieder Weltcuprennen. Zum ersten Mal seit beinahe drei Jahren. Zum ersten Mal in der Schweiz. Dafür gleich doppelt. Über 15 Kilometer klassisch am letzten Tag des alten Jahres, über die gleiche Distanz in der Skatingtechnik am ersten Tag 2018.
«Das Jahr fängt schon mal gut an», lautete die trockene Antwort des Bündners. Bei 23 Weltcupsiegen steht Cologna nun. Diese Zahl soll noch lange nicht Vermächtnis sein.Gestern war Ruhetag. Der neue Leader der Tour de Ski nahm diesen Begriff wörtlich. Für einmal stellte er keinen Wecker, schlief aus.
Auch nach dem morgendlichen Skitest im strömenden Regen von Oberstdorf gönnte sich der 31-Jährige noch ein Nickerchen sowie eine ausgiebige Massage. «Ein ruhiger Tag», bilanzierte Cologna nach dem abendlichen Schwitzen auf dem Hometrainer.
Ein Tag, um vor und zurück zu schauen. Heute steht in Oberstdorf ein Sprint in der klassischen Technik auf dem Programm. Die schwächste Disziplin des Schweizers. 37, 43, 57, 24, 41 und 45 lauten die letzten Ergebnisse von Cologna. Aber er stand in dieser Sparte im Weltcup auch schon fünfmal auf dem Podest – zum letzten Mal am 16. Februar 2013 in Davos. «Der Klassisch-Sprint ist sicherlich nicht meine Stärke. Aber meine Form stimmt, das macht es einfacher», sagt der dreifache Olympiasieger. Erstes Ziel ist das Überstehen des Prologs mit einem Rang in den Top 30.
Dario Cologna rechnet damit, dass das Feld der Anwärter auf den Gesamtsieg der Tour de Ski für die danach verbleibenden drei Distanzrennen wieder näher zusammenrücken wird. Die Entscheidung werde wohl erst im berüchtigten Schlussanstieg hinauf auf die Alpe Cermis fallen. Eine Steigung übrigens, welcher der Schweizer bereits vor einem Jahr bei seinem dritten Gesamtrang eine halbe Minute schneller absolvierte als die beiden Topfavoriten Ustjugow und Sundby.
Der Blick zurück ruft in Erinnerung, dass Dario Cologna zwar wieder an der Ranglistenspitze ist, aber seinen Platz unter den Weltbesten im Grunde nie verlor. Die Form und die konditionelle Konkurrenzfähigkeit waren stets vorhanden. Doch wiederkehrende Probleme an der Wade und ein angenagtes Selbstvertrauen liessen ihn das Siegen verlernen. «Nun passt wieder alles zusammen», bilanziert Cologna. «Dario ist von der Ausstrahlung her an einem ganz anderen Ort als im letzten Winter. Er ist viel gelassener, macht einen extrem befreiten Eindruck», beobachtet Langlauf-Chef Hippolyt Kempf.
Diese Wendung zum Guten ist weder Zufall noch göttliche Fügung. Sie ist hart erarbeitet. Und sie ist nur möglich, weil sich Dario Cologna nach der Saisonanalyse im letzten Frühling dazu entschloss, nicht zu hadern, sondern quasi zurück in die Schule zu gehen. In die Technikschule.
Mit einem konsequenten Feilen an kleinen Details in der Rumpfstabilität und bei der Beinarbeit wurden gleich zwei Fliegen auf einen Schlag erwischt. Zum einen hat Dario Cologna sein kleines Defizit, bei maximaler Belastung nicht immer ganz stabil auf dem Ski zu stehen, eliminiert. Zum andern hilft die bei seinen Siegen auf der Lenzerheide eindrücklich demonstrierte Präzision im technischen Ablauf auch bezüglich Belastung der Wadenmuskulatur.
«Ich war tief beeindruckt, wie ein Athlet mit der Erfahrung und dem Renommee eines Dario Cologna im Sommer bereit war, noch einmal neue Weg zu gehen», sagt Kempf. Wohl wissend, dass der Schweizer Langlaufstar längst nicht auf jeden neuen Zug aus der reichhaltigen Ideenküche der Verbandsspitze aufspringt. Der Münstertaler hat seinen eigenen Weg und seinen eigenen Kopf.
Diesmal hat es sich aber definitiv gelohnt, punkto Laufstil noch einmal in die Rolle des Lehrlings zu schlüpfen. Dario Cologna hat sich damit selber belohnt. So gut wie bei seinen zwei jüngsten Erfolgen lief er technisch noch nie. Es waren Siege für das Lehrbuch.