Längst nicht alle Geschichten haben ein Happy End, diese aber schon. Der dritte Tag des Davis-Cup-Finals gegen Frankreich ist passé und die «hässlichste Salatschüssel» gehört der Schweiz. Roger Federer sicherte seinem Team mit einem perfekten Auftritt beim 6:4, 6:2, 6:2 zum Abschluss den Titel. Natürlich Federer, könnte man meinen, würde man alles rund herum ausblenden. Jetzt muss man aber sagen: Ausgerechnet Federer.
Fast exakt eine Woche, bevor die grosse Siegesfeier im Stade Pierre Mauroy von Lille steigt, hält die Tennis-Schweiz den Atem an. Federer muss vor dem Final der World Tour Finals gegen Novak Djokovic Forfait geben. Der Rücken zwickt. Die Achillesferse des 33-jährigen «Maestro» hat sich in der Schlussphase des epischen Finals gegen Davis-Cup-Kollege Stan Wawrinka blockiert.
Alles – naja, fast alles (schliesslich ist da auch noch Mirkagate oder «Cry Baby»-Gate, wie der kleine Disput zwischen Wawrinka und Federers Frau betitelt wurde) – dreht sich in der Folge um den Rücken der Nation. Wird Federer beim Saisonhöhepunkt überhaupt spielen können? Was, wenn nicht? Haben «wir» überhaupt noch eine Chance?
Jeder Schritt Federers wird unter der Woche kritisch beäugt. Gross ist das Aufatmen, als Federer am Mittwoch in einer dicken Daunenjacke eingepackt erstmals in paar Bälle übers Netz schlägt und am Donnerstag schliesslich bekannt wird, dass der grosse Hoffnungsträger das erste Einzel bestreiten wird.
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— MiniPeople.ch (@SwissMinipeople) 20. November 2014
Gross ist aber auch die Ernüchterung, als Federer nach Wawrinkas Auftaktsieg gegen Jo-Wilfried Tsonga gegen Gaël Monfils sang- und klanglos in drei Sätzen untergeht. Wieder Fragen über Fragen: Ist Federer doch noch nicht fit? Wer soll jetzt das Doppel spielen? Ist er wenigstens im zweiten Einzel konkurrenzfähig?
Die Schweizer lassen sich nicht beirren. Hinter den Kulissen verfolgt das Team um den Baselbieter längst einen Geheimplan. Ziel ist, dass sich Federer Schritt für Schritt an die nötige Form herantasten kann. Die Niederlage im Einzel nimmt man zur Kenntnis, sie ist aber kein Weltuntergang. Behutsam versucht man zu evaluieren, wie man die Gratwanderung zwischen Erholung und Matchvorbereitung am besten bewältigt.
Zum Geheimplan gehört auch, möglichst wenig Informationen nach aussen zu tragen. Als ein Journalist bei der Auslosung fragt, ob er sich fit spritzen lässt, entgegnet Federer salopp: «Wenn ich das tun würde, würde ich es Ihnen nicht sagen.»
Ein wichtiges Puzzle-Teilchen ist auch Stan Wawrinka. Ohne seine starken Leistungen und seine positive Ausstrahlung hätte der Geheimplan nie und nimmer aufgehen können. Der Romand steckt das ärgerliche Aus an den World Tour Finals und den Knatsch mit Mirka wie ein Profi weg und fokussiert sich sofort aufs Wesentliche.
Nach Federers Pleite gegen Monfils ist er der erste, der den Teamleader tröstet. Später im Hotel bei der Besprechung mit Captain Severin Lüthi sagen sich die beiden: «Komm, lass es uns im Doppel miteinander versuchen.» Wawrinka spielt dann gegen Julien Benneteau/Richard Gasquet, das Bronze-Duo der Olympischen Spiele 2012 in London, gross auf und zieht den noch unsicheren Federer mit. Die Schweizer gewinnen in drei Sätzen und haben eine Hand an der Salatschüssel.
Es ist dieses Doppel, das Federers Selbstvertrauen endgültig zurückbringt. Gegen Richard Gasquet tritt er im dritten Einzel wieder mit der Leichtigkeit auf, die man von ihm gewohnt ist. Dass er schon «sehr früh am Limit» läuft, wie Captain Lüthi nach der Partie zugibt, lässt er sich nicht anmerken. Nicht einmal zwei Stunden dauert das Feuerwerk, mit dem der «Maestro» den siegbringenden dritten Punkt einfährt.
Happy End! Mit Tränen in den Augen fällt Federer nach der Partie in die Arme seiner Kollegen. Wenig später hält er wie Wawrinka, Lüthi, Marco Chiudinelli und Michael Lammer eine Mini-Ausgabe der «hässlichsten Salatschüssel der Welt» in der Hand. Es ist neben Olympia-Gold im Einzel der letzte grosse Titel, der in seinem Palmarès noch gefehlt hat.
— MiniPeople.ch (@SwissMinipeople) 23. November 2014