Während der «Belle Epoque» des Stadtberner Hockeys, als der SCB gross und mächtig und in der Qualifikation meistens siegreich war, gab es einen schönen Brauch: Die Stadtberner Hockey-Journalisten verabredeten sich immer dann zu einer Jassrunde, wenn die Lakers in die Stadt kamen. Erstens stand der Sieger ja schon fest und zweitens waren diese Partien ja immer sooo langweilig.
Nun wird am Dienstag, wenn die Lakers zum Start des Qualifikations-Schlusspurtes nach Bern kommen, nicht gejasst. Der Grund sind nicht die verschiedenen Sparprogramme, die zu grösserer Arbeitsbelastung der Schreibeigenen im Bernbiet führen, sondern die heikle Situation beim SC Bern. Der Titelverteidiger ist noch nicht in den Playoffs. Zum ersten Mal überhaupt könnte ein Meister die Playoffs verpassen.
Eine Niederlage am Dienstag gegen die Lakers wäre die Mutter aller Pleiten. Die bedeutenden Berner Chronisten sind am Dienstag alle im Hockeytempel an der Front. Keinem steht der Sinn nach einem Jass. Keine Spur von Langeweile.
Der SCB wurde einst in Anlehnung an die Boston Bruins («Big Bad Bruins»), die Stanley Cup-Sieger von 1970 und 1972, als «Big Bad Bears» verkehrt. Als grosse, böse Bären. Der Mythos ist längst verblasst, die Faszination NHL ist geblieben.
Seit zwei Partien wird der SCB erstmals in seiner Geschichte von einem NHL-General geführt. Seit dem 27. Januar trainiert Guy Boucher den SCB und verbreitet ein bisschen NHL-Groove. Nach einem Sieg gegen Ambri und einer Niederlage in Fribourg hatte er jetzt während der Olympia-Pause Zeit, das Team nach seinem Willen zu formen.
In den beiden ersten Partien unter NHL-Kommando ist der SCB allerdings eher wie ein NHL-Operettenteam aufgetreten: Kleinlaut statt arrogant. Zögerlich statt entschlossen. Ängstlich statt einschüchternd.
Mit Guy Boucher haben NHL-Methoden Einzug gehalten. Dazu gehört nicht nur die Allmacht des Trainers. Dazu gehört auch NHL-Theater wie Spielertauschs: Die finnische Nullnummer Mikko Lehtonen ist in Lugano gegen den alternden, 39-jährigen Leitwolf Glen Metropolit eingetauscht worden. NHL-Generäle vertrauen in Zeiten der Krise grundsätzlich den Veteranen. Zudem hat Sportchef Sven Leuenberger mit dem Schweden Daniel Grillfars ein zusätzlichen ausländischer Verteidiger verpflichtet.
Und wie in der NHL üblich werden die Verletzungen von einzelnen Spielern geheim gehalten. Sportchef Sven Leuenberger ist dazu angehalten worden, nicht mehr Auskunft zu geben, wer denn spielen kann und wer nicht. «Wir entscheiden erst am Spieltag nach dem Aufwärmen.»
Beim SCB sind die Verteidiger Philippe Furrer und David Jobin sowie der Stürmer Flurin Randegger offiziell verletzt und spielen diese Saison wohl nicht mehr. Aber auch Daniel Rubin, Byron Ritchie, Traivs Roche und Geoff Kinrade trainierten am Montag im roten Dress. Das rote Dress bedeutet für die Mitspieler: Bitte schonen! Nicht über den Haufen fahren! Sind noch nicht fit!
Die Rechnung ist einfach: Gewinnen die Berner die restlichen vier Qualifikationspartien (Lakers/h, Biel/a, Fribourg/h, ZSC/a), dann sind sie auf jeden Fall doch noch in den Playoffs. Gewinnen sie anschliessend nochmals viermal hintereinander, stehen sie gar im Halbfinal und die Saison ist gerettet. Diese acht Siege in Serie müssten zu schaffen sein. Schliesslich hat auch Guy Bouchers Vorgänger Lars Leuenberger diese Saison achtmal hintereinander gewonnen.
Der kanadische SCB-Cheftrainer hat bereits einen Vertrag bis Ende der übernächsten Saison bekommen. Es wäre ja gelacht, wenn er, der grosse NHL-General, das Kunststück seines Vorgängers und aktuellen Assistenten nicht wiederholen könnte. Schafft er es nicht, können die Berner Hockeychronisten wenigstens wieder zum Jassen abmachen: Der SCB hat bereits jetzt so viel Vorsprung, dass ein Abstieg in der Abstiegsrunde nicht mehr möglich wäre. Und in dieser Abstiegsrunde kämen dann die Lakers nochmals nach Bern.