Hans Wallson und Lars Johansson sind also gescheitert und werden bei den ZSC Lions bis Saisonende durch Hans Kossmann ersetzt. Sie waren schon am Ende der letzten Saison nach dem kläglichen Scheitern im Viertelfinale gegen Lugano nur noch ohnmächtige Operetten-Trainer.
Warum blieben sie trotzdem im Amt? Natürlich hatten sie noch einen Vertrag für diese Saison. Aber das war nicht der Grund für das Festhalten an Trainern, die schon zu diesem Zeitpunkt nur noch lahme Enten waren. Arroganz, Ignoranz und Eitelkeit in der Führungsetage führten dazu, dass man den Irrtum bei der Trainerwahl nicht eingestehen wollte und die beiden Schweden wider besseren Wissens im Amt belassen hat. Die ZSC Lions bezahlen dafür mit einem verlorenen Jahr.
Nun mag es sein, dass Wallson und Johansson auch wegen ihrer typischen freundlichen nordischen Arroganz gescheitert sind. An einer fehlenden Sensibilität für unsere Hockeykultur, unsere Mentalität. Sie blieben in ihrem Selbstverständnis irgendwie Hockey-Missionare aus einem gelobten Land, die einer unterentwickelten Hockeykultur das Licht der Erkenntnis brachten – diese Herablassung konnten sie bei aller professionellen Höflichkeit nie ablegen.
Ihre Verpflichtung war kein Fehler und es wäre billige Polemik, nun die Führung der ZSC Lions wegen dieser Trainerwahl zu kritisieren. Es war einfach ein Irrtum, der auch im bestgeführten Sportunternehmen passieren kann. Die beiden Schweden brachten alle erforderlichen Referenzen mit und sie sind fachlich hoch qualifiziert.
Bei dieser gescheiterten Hockey-Ehe sind beide Seiten von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Hans Wallson und Lars Johansson nahmen zu recht an, in Zürich eine Meistermannschaft und eine meisterliche Leistungskultur vorzufinden und auf das Führungsprinzip der Eigenverantwortung zu setzen. Und umgekehrt gingen die Zürcher davon aus, zwei Meistertrainer an der Bande zu haben.
Auch der Stilwechsel vom rauen nordamerikanischen, ganz auf Spiel und Coaching ausgerichteten Führungsstil auf Trainer, die mehr Wert auf Training und Ausbildung setzen, war richtig. Erst recht für ein Hockeyunternehmen wie die ZSC Lions, das Europas grösste Nachwuchsorganisation betreibt.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Wir können zur Tagesordnung übergehen und sagen: kein Problem. Bloss ein Betriebsunfall. Es waren die falschen Trainer und unter neuer Leitung werden die ZSC Lions wieder rocken und rollen. Oder wir können die Frage stellen: lag es wirklich nur an den Trainern? Oder könnte es sein, dass die schwedischen «Hockey-Missionare» eine beinahe unlösbare Aufgabe übernommen haben?
Zur Tagesordnung überzugehen wäre ein fataler Irrtum. Die ZSC Lions hatten nicht nur ein Trainerproblem. Sie hatten in erster Linie ein Führungsproblem auf höchster Ebene und den Schaden noch nicht aufgearbeitet, der durch den freundlichen Spielerversteher Edgar Salis angerichtet worden ist.
Nach wie vor «vergiftete» der Ruhm aus den Meister- und Finaljahren 2012, 2014 und 2015 das Leistungsklima. Die Neigung, Wert darauf zu legen, wie sehr alles professionell sei, wie toll «gemänätscht» werde und wie man alles besser wisse als andernorts, war seit diesen guten Jahr gut zu spüren. Dabei ging die feine Sensibilität für die Strömungen und Entwicklungen in und um die Mannschaft verloren.
Nur so ist es möglich, dass ein gescheitertes Trainergespann aus Eitelkeit mehr als ein Jahr lang im Amt bleiben konnte. ZSC-General Peter Zahner wollte partout nicht einsehen, dass er und sein damaliger Sportchef Salis sich bei der Trainerwahl geirrt hatten. Ein Manager wie Zahner irrt sich nicht.
Es ist durchaus reizvoll, dass in Biel in der gleichen Zeitspanne dreimal der Trainer ausgewechselt worden ist und nun ein Hockeyunternehmen, das halb so viel Geld zur Verfügung hat, in der Tabelle vor den Zürchern steht.
Diese fehlende Sensibilität bescherte uns hohen Unterhaltungswert. Das Theater um die Vertragsverlängerung von Mathias Seger zeigte uns schon vor einem Jahr auf höchst unterhaltsame Art und Weise, dass das Wohl der Spieler wichtiger geworden war als das Wohl der ZSC Lions. Nicht vergessen wollen wir die wunderbare Zürcher Hockey-Niederdorf-Oper um den Transfer von Denis Hollenstein. Wo ein hockeysensibles Management eine heikle Situation mit offener Kommunikation rasch bereinigt hätte – vorzeitige Vertragsunterzeichnungen sind ja heute gang und gäbe – liess Peter Zahner eine Situation so lange köcheln, bis die ganze Schweiz lachte.
Die fehlende Hockey-Sensibilität in einem der grössten Hockeyunternehmen des Landes zeigte sich auch in einer Transferpolitik ohne Sinn und Vision. Der ehemalige Verteidiger-Titan Edgar Salis hat sich nicht nur fundamentaler Transferirrtümer schuldig gemacht (wie das Verschmähen von Leonardo Genoni). Was schwerer wiegt: durch seine viel zu grosse Nähe zu den Spielern war er gar nicht dazu in der Lage, auch mal Tacheles zu reden. Peter Zahner hatte seinem Sportchef oft befohlen, den Spielern ins Gewissen zu reden und brauchte Monate bis er merkte, dass der Spielerversteher Salis halt nur freundlich plauderte und tröstend Schultern klopfte.
Die grösste Unterhaltung ist uns aber doch mit den beiden schwedischen Trainern geboten worden. Seit gut einem Jahr ist ersichtlich, dass sie gescheitert sind – nur Zahner und Salis wollten das partout nicht wahr haben. Erst der neue Sportchef Sven Leuenberger realisierte sofort, dass er da von seinem Vorgänger bereits gescheiterte Trainer übernehmen musste. Und so sind wir in den Genuss eines hockeyliterarischen Höhenfluges gekommen.
Selbst die vornehme NZZ hat uns die hohe Kunst der Polemik beschert – seit fast einem Jahr pickelt sie im besten Wortsinne mit wunderbaren Formulierungen, in der höchsten Kunstform der gehobenen Polemik, am Sockel der schwedischen Trainer. Wie es sich für ein Blatt mit Weltruf gehört. Kein Schelm, wer sich fragt, wie denn ein Hockeyunternehmen, dessen Besitzer und wichtigste Entscheidungsträger im kommunikativen Herzen der NZZ sicherlich näher stehen als dem Boulevard, dieses Rotieren mit dem Zaunpfahl nicht wahr genommen haben.
General Manager Peter Zahner hat in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Projekt eines neuen Zürcher Eishockey-Tempels grossartige Arbeit geleistet. Aber die ZSC Lions sind nach wie vor ein Sportunternehmen und keine Bau- und Immobilien-Firma. Als wichtigste Führungspersönlichkeit, die sich zudem in sportlichen Sachen nach wie vor das letzte Wort vorbehält, hat sich Zahner in den letzten drei Jahren nicht mehr genügend ums sportliche Tagesgeschäft gekümmert.
So sind die ZSC Lions Titanen des Talentes und Zwerge der Leistung geworden. Zu viel Talent kann zum Problem werden. Weil in dieser ausgeglichenen Liga Talent alleine nicht mehr ausreicht. An einem guten Abend fegten die ZSC Lions mit ihrem Talent die besten Gegner auch unter Hans Wallson vom Eis. Aber an einem normalen Abend sind sie von Gegnern vom Eis gearbeitet worden, die nicht halb so viel Geld und Talent zur Verfügung haben.
Aber Achtung: die ZSC Lions bleiben Titanen der Liga. Der neue Sportchef Sven Leuenberger hat nun den wichtigsten Schritt getan, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Er hat seinem Chef Peter Zahner die Erlaubnis abgerungen, die schwedischen Trainer zu feuern, durch einen Nordamerikaner zu ersetzen und auch künftig zur nordamerikanische Führungskultur zurückzukehren. Mit Serge Aubin steht bereits der Cheftrainer für nächste Saison fest. Es ist die Abkehr von den schwedischen Sinfonien und die die grosse Rückkehr zum kanadischen Rock’n’Roll.
Entscheidend sind nicht die Fehler der Vergangenheit. Viel wichtiger ist die Einsicht, Fehler gemacht zu haben und die richtige Korrektur. Und genau diese Korrektur haben die Zürcher nun vorgenommen. Der SC Bern hat das Nachlassen des grossen Rivalen, die Gunst der Stunde, bereits zu zwei Titeln und diese Saison zu einer nie gesehenen Dominanz der Liga genutzt. Aber nun ist die Schonzeit um. Die ZSC Lions haben das Talent und nun auch wieder die sportliche Führung, um den SC Bern bereits diese Saison zu entthronen. Peter Zahner und sein Sportchef Sven Leuenberger können Meister – und Hans Kossmann auch. Der Trainerwechsel in Zürich kommt für den SCB im dümmsten Moment.