Die Langnauer sind in der Sänfte der spielerischen, taktischen Überlegenheit bis in den Final getragen worden. Sie mussten diese Saison in der zweithöchsten Spielklasse nie an ihre Limiten gehen. Selbst der Halbfinal gegen den Lokalrivalen SC Langenthal wurde nicht zur ersehnten Herausforderung. Die Langenthaler versuchten es zuerst mit überordernder Härte, dann auf leisen taktischen Sohlen. Es nützte nichts. Sie verloren viermal hintereinander (2:10, 4:9, 0:2, 4:5).
Und jetzt also Olten. Nun müssen die Langnauer die Sänfte verlassen und für eine Auseinandersetzung mit historischen Dimensionen zu Fuss gehen. Nach 30 Jahren ist der EHC Olten erneut ein Schicksalsgegner im Kampf um einen Platz in der höchsten Liga.
Für Langnau geht es nicht nur um den NLB-Titel. Es geht auch um eine historische Mission. Die Emmentaler können endlich die tiefe Schmach von 1985 tilgen. Aber sie dürfen sich heute zum Auftakt nicht wieder eine sensationelle Heimniederlage leisten wie 1985.
Um die Brisanz und die historischen Dimensionen des NLB-Finals zwischen den SCL Tigers und dem EHC Olten verstehen zu können, müssen wir das Rad der Zeit zurückdrehen. Um exakt 30 Jahre.
1985 ist ein seltsamer Frühling im Schweizer Eishockey. Der letzte ohne Playoffs. Das Ende der guten alten Zeit. Ein Jahr später werden die ersten Playoffs gespielt. In diesen ersten warmen Tagen des Jahres 1985 ist die Welt noch übersichtlich. Im Osten die Bösen. Im Westen die Guten. Der SC Langnau, seit 1961 in der NLA, gilt als unabsteigbar und Olten kann sich in der NLA niemand vorstellen.
Am Ende der Qualifikation spielen die zwei letzten der NLA (Langnau, Chur) gegen die sechs ersten der NLB (Ambri, SC Bern, ZSC, Olten, Sierre und Zug) in einer Auf/Abstiegsrunde um die Zugehörigkeit zur höchsten Liga. Weil die NLA von 8 auf 10 Teams aufgestockt wird, werden die vier ersten dieser Auf-/Abstiegsrunde künftig in der NLA spielen. Langnau absteigen? Eher fällt der Kirchturm auf den Bären.
Doch dann gewinnt Olten das erste Spiel in Langnau sensationell 4:3. Von diesem Schock erholen sich die Emmentaler nie mehr. Am Ende steigen der ZSC, Ambri, Sierre und eben Olten auf. Langnau bleibt zwei Punkte hinter den Oltnern nur Platz fünf und muss zum ersten Mal in seiner Geschichte (seit 1946) absteigen. Olten ist erstmals in der höchsten Spielklasse angelangt.
Einer, der schon in dieser fernen Zeit dabei war, spielt auch jetzt wieder eine wichtige Rolle. Oltens Assistenz-Trainer Dino Stecher (50). Er hexte 1985 Olten zum Sieg in Langnau und zum Aufstieg.
Der spätere Kultgoalie des HC Fribourg-Gottéron hat noch Unterlagen von damals und kramt einen Zeitungausschnitt von jenem legendären Spiel hervor, das der Anfang von Langnaus Ende war. «Ich war in dieser Saison die Nummer 1 geworden, weil Olten wieder einmal das Geld ausgegangen war und deshalb das Team mit Junioren auffüllen musste. Wir hatten nur ein Ziel: Nicht absteigen. Es war für uns wie ein Abenteuer, der Zusammenhalt war enorm.» Der kanadische Verteidiger Greg Theberge und der kanadische Stürmer Roberto Lavoie hielten das Team zusammen.
Ein Vergleich zur Mannschaft von heute sei nicht möglich. «Heute ist Olten ein sehr gut strukturiertes Unternehmen und eine Saison ist nicht mehr ein Abenteuer.» Er habe damals mit dem Eishockey 12'000 Franken verdient. Nicht pro Monat. Pro Saison. «Und am Schluss gab es gar noch eine Aufstiegsprämie von 2000 Franken.» Der Präsident hiess Walter Hächler, der TK-Chef Tino Catti und der Trainer Rolf Altorfer.
Aber auch mit besseren Strukturen als 1985 hat Olten eine turbulente Saison hinter sich. Dino Stecher ist erst während der Saison nach der Entlassung von Scott Beattie als Assistent des neuen Trainers Heikki Leime nach Olten zurückgekehrt. Der Finne ist der «Heinz Ehlers des armen Mannes» und für die Langnauer wird es eher noch schwieriger als für den SC Bern gegen Lausanne.
Unter der neuen Leitung haben die Oltner ihr Spiel gut strukturiert und spielen ähnlich wie Langnau geduldig mit drei sehr guten und einer ordentlichen vierten Linie. Im Viertelfinal ist NLB-Titelverteidiger Visp gleich in vier Partien überrollt worden (4:3, 6:1, 4:3 n.V, 5:1) und im Halbfinal hat Olten Martigny zügig aber ohne Hast in fünf Spielen vom Eis gearbeitet (2:1 n.V., 0:2, 1:0, 2:0, 2:1).
War Langnau 1985 nominell mit NLA-Stars wie Res Meyer, Rolf Tschanz, Neil Nicholson, Bernhard Wüthrich, Gregor Horak, Michael Horisberger, Jürg Berger und Peter Moser den «namenlosen» Oltnern auf dem Papier himmelhoch überlegen, so ist das jetzt nicht mehr der Fall.
Die beiden NLB-Finalisten begegnen sich auf Augenhöhe, nominell sind die beiden Teams nahezu gleichwertig. Zwar hat Langnau mit dem charismatischen kanadischen Stürmer Chris DiDomenico den besten Playoffskorer. Aber Oltens Marco Truttmann – er ist wieder fit – gilt als bester NLB-Stürmer mit Schweizer Pass.
Im Frühjahr 1985 entschied Dino Stecher den Auf-/Abstiegskampf und war klar besser als Langnaus Kenneth Green. Nun könnten im NLB- Final 30 Jahre später wieder die Goalies den Unterschied machen. Dino Stecher sieht auf dieser Position mit Michael Tobler (29, die Nummer 1) und Thomas Bäumle (30) Vorteile für Olten. «Beide sind sehr gut, beide haben noch keine neuen Verträge und das wirkt stimulierend.»
Aber es gibt einen Einwand. Langnaus Damiano Ciaccio (26) mag ja tatsächlich nicht so gut sein wie die beiden Oltner. Aber an welchem Goalie scheiterte Olten vor einem Jahr als NLB-Qualifikationssieger sensationell in der ersten Runde? Richtig, an Damiano Ciaccio, damals bei La Chaux-de-Fonds. «Ja, ja», sagt Dino Stecher. «Das ist doch das Schöne bei den Playoffs. Jeder hat so seine Theorie, warum sein Team gewinnen wird …»