Die Liga unterhält einen Papiertiger. Das sogenannte Lizenzwesen. Mit bedeutungsschwerer Miene beugen sich zahlenkundige, kluge, juristisch und buchhalterisch geschulte Männer über Papiere, beurteilen die wirtschaftliche Basis aufgrund der eingereichten Zahlen und erteilen dann den Klubs die Bewilligung, sich an der Meisterschaft zu beteiligen.
Es ist das lächerlichste Verfahren unserer Sportkultur. Denn diese Männer sehen nichts, hören nichts und verstehen nichts. Sie müssen sich blind auf Zahlen verlassen, die von den Klubs nach freiem Ermessen eingereicht werden. Sie haben keinerlei rechtliche Kompetenz, eine Öffnung der Bücher und eine Offenlegung der tatsächlichen finanziellen Verhältnisse zu verlangen. Deshalb haben sie noch nie gemerkt, wenn ein Klub in finanzielle Schieflage geraten ist.
Und so ist nun Red Ice Martigny mit Lizenz pleite gegangen. Wieder einmal waren die Herren des Lizenz-Gremiums blind. Dabei wusste jeder, der sich nur am Rande mit NLB-Hockey befasste, dass Red Ice Martigny nach dem Ausstieg des russischen Investors vor einem Jahr am Ende ist. Martigny hat weder eine Fanbasis, noch eine Infrastruktur, noch ein wirtschaftliches Umfeld für die zweihöchste Spielklasse im Eishockey. Nur die Lizenz-Herren wussten es nicht, starrten auf ihre Papiere und ignorierten die Wirklichkeit. Wie eine Besatzung, die ein Schiff bei tobendem Sturm, Blitz und Donner aus dem Hafen steuert, untergeht und hinterher sagt, man habe schriftlich den Bericht erhalten, es sei schönes Wetter.
Dabei wäre alles so einfach: kontrolliert wird, ob die Saläre pünktlich bezahlt (die Liga gibt das Zahltagsdatum vor), die AHV- und Pensionskassengelder abgerechnet werden, ob Betreibungen laufen und ob ein Nachlass- oder Konkursverfahren ansteht. Um das zu überprüfen und zu erkennen, ob es in der Buchhaltung brennt, braucht es keine mandatierte Lizenzkommission. Es ist die Arbeit eines KV-Lehrlings.
Ein zusätzliches Problem ist die Mutlosigkeit der Lizenz-Apparatschiks. Sie schrecken aus Angst vor juristischen Folgen vor einer Lizenzverweigerung zurück, gewähren hundert Ausnahmen und glauben blind den eingereichten Zahlen und Versprechungen.
Liga-Manager Denis Vaucher hat sich bei der ganzen Angelegenheit keinen Orden verdient. Der freundliche Fürsprecher aus Bern hat die ganze Martigny-Geschichte schleifen lassen. Obwohl sich der Untergang seit Monaten abzeichnete, suchte er nicht nach einer Lösung. Sierre hätte nämlich als Farmteam von Servette das konkursite Red Ice ersetzen können. Servette-Manager Chris McSorley wäre dazu in der Lage gewesen, das Projekt zu stemmen. Vaucher war gegen dieses Projekt. Dabei wäre es sein Job gewesen, die Klubvertreter vom «Projekt Sierre» zu überzeugen und die Sache bei der Liga-Versammlung durchzubringen. Was aber mit viel Arbeit verbunden gewesen wäre – eine Arbeit, die schon unmittelbar nach Saisonschluss hätte beginnen müssen.
Den Untergang von Red Ice hätten die Lizenz-Dilettanten und der Liga-Manager auch nicht verhindern können. Aber sie hätten dafür sorgen können, dass Martigny per Saisonende die Lizenz entzogen wird, das «Aus» nicht erst im Sommer kommt und nun ein Ersatzteam (Sierre) bereitsteht. Nach dem Grundsatz: «Gouverner, c’est prevoir» («Gut managen bedeutet vorauschauen»). Es ist erstaunlich, dass der dynamische Verbandsdirektor Florian Kohler – er ist der Vorgesetzte von Denis Vaucher – solche Missstände noch immer duldet.
So haben wir nun in der nächsten Saison nur noch 11 NLB-Teams und einen kuriosen Modus. Viermal jeder gegen jeden ergäbe bloss 40 Spiele. Zu wenig. Fünfmal jeder gegen jeden – also 50 Spiele – ist den Klubs hingegen zu viel. Also gibt es jetzt einen Modus mit 46 Spielen für alle. Und der geht so:
Die NLB wird in vier Gruppen aufgeteilt:
Alle Teams spielen zweimal zu Hause und auswärts gegeneinander. Ergibt 40 Spiele. Zusätzlich tragen die Teams in den vier Gruppen untereinander sechs Partien (drei Heimspiele für jeden) aus – und so kommen wir auf 46 Spiele.
Ajoie und La Chaux-de-Fonds spielen neben den vier Partien im Grunddurchgang noch sechs Derbys und kommen so auch auf 46 Partien.
Das Jura-Derby wird also nächste Saison sage und schreibe zehnmal gespielt. Zehn Partien in einem Grunddurchgang – das ist neuer Weltrekord. Bisher hielten diese Rekordmarke Dynamo Weisswasser und Dynamo Berlin. Nachdem in der einstigen DDR das Eishockey wegen Chancenlosigkeit auf Medaillen nicht mehr gefördert wurde, gab es nur noch zwei Teams, die um den Titel spielten: Dynamo Weisswasser und Dynamo Berlin. Sie ermittelten den Titel jeweils in acht Direktbegegnungen – zwei weniger als jetzt Ajoie und La Chaux-de-Fonds austragen werden.
Treffen Ajoie und La Chaux-de-Fonds auch noch in den Playoffs aufeinander, sind gar 17 Derbys möglich. Wahrlich, es rockt im jurassischen Hockey!
Dieser Modus hat den Vorteil, dass jederzeit ein 12. Team in die NLB aufgenommen werden kann – es kommt dann einfach in die Gruppe von Ajoie und La Chaux-de-Fonds. In jeder Runde ist eine Mannschaft spielfrei. Zusätzlich wird bei jeder Dienstagsrunde eine Partie auf den Mittwoch verschoben und vom neuen TV-Partner MySports live übertragen.
Spielplan-General Willi Vögtlin hat soeben mit seinem Mathematiker begonnen, den Spielplan auszuarbeiten. Er rechnet in zwei Wochen mit der Fertigstellung. Also doch noch vor dem Saisonstart. Immerhin.