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Eismeister Zaugg

Wie viel «Stockholm 2013» steckt noch in dieser Schweizer Hockey-Nati?

Elf Silbermedaillengewinner sind auch dieses Jahr wieder an der WM mit dabei.
Elf Silbermedaillengewinner sind auch dieses Jahr wieder an der WM mit dabei.Bild: KEYSTONE
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Wie viel «Stockholm 2013» steckt noch in dieser Schweizer Hockey-Nati?

Mit einem Sieg gegen Lettland wäre der Weg für die Schweizer Hockey-Nati in die Viertelfinals offen. Aber bisher war die Nationalmannschaft nicht Roman Josis Team.
06.05.2015, 06:4106.05.2015, 14:04
klaus zaugg, prag
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Die Silber-WM von 2013 ist und bleibt auf Jahre hinaus das Mass aller Dinge. Nicht die drei Jahre unter Sean Simpson mit den verpassten Viertelfinals (2011, 2012, 2014 WM und Olympia) bleiben im Gedächtnis haften. Sondern das WM-Finale von 2013.

Die Frage ist also: Wie viel «Stockholm 2013» steckt im WM-Team von Prag? Denis Hollenstein war 2013 dabei und er sagt: «Immer noch viel. So ein Erlebnis schweisst zusammen und bleibt ein Leben lang unvergesslich. Wir haben in der Nationalmannschaft seit 2013 eine starke Gruppe und wir können auch hier in Prag weit kommen. Wir haben in Stockholm gleich am Anfang gegen die Grossen gewonnen und das hat uns getragen. Jetzt ist es mit den ersten Spielen hier in Prag natürlich anders.» Roman Josi antwortet auf die entsprechende Frage: «Sieben oder acht Spieler …» Die Stimmung in der Mannschaft sei gut. «Da gibt es kaum einen Unterschied zu Stockholm.»

Stockholm 2013: Ein überragender Josi führte die Schweiz zur WM-Silbermedaille.
Stockholm 2013: Ein überragender Josi führte die Schweiz zur WM-Silbermedaille.Bild: KEYSTONE

Ganz genau sind es sogar elf Spieler aus der Silber-Mannschaft, die jetzt wieder dabei sind. Reto Berra, Roman Josi, Eric Blum, Robin Grossmann, Andres Ambühl, Morris Trachsler, Matthias Bieber, Denis Hollenstein, Simon Bodenmann, Reto Suri und Julien Walker. Aber es gibt einen ganz grossen Unterschied zu Stockholm 2013. Einen Unterschied, den niemand thematisiert. Aber ein Unterschied, der sehr wohl eine Rolle spielt. Stockholm 2013 war Roman Josis Team. Prag 2015 ist Mark Streits Team.

Streit statt Josi

Roman Josi und Mark Streit sind die überragenden Feldspieler der Neuzeit. Vielleicht sogar die beiden besten Schweizer Spieler aller Zeiten. 2013 war Roman Josi Dreh- und Angelpunkt des Teams, Leitwolf und die Sonne, um die sich unser WM-Universum drehte.

Er dominierte das Spiel wie nie ein Schweizer in der Neuzeit und er ist schliesslich als erster Schweizer zum besten Einzelspieler des WM-Turniers (MVP) und zum besten Verteidiger gewählt worden. In 10 WM-Partien buchte er 9 Punkte (4 Tore/5 Assists). Es war Roman Josis Team. Mark Streit war 2013 in Stockholm nicht dabei.

Josi und Streit, die beiden Leitwölfe unserer Nati.
Josi und Streit, die beiden Leitwölfe unserer Nati.Bild: KEYSTONE

2015 in Prag gibt es keinen so dominierenden Einzelspieler. Aber es gibt einen Leitwolf. Mark Streit. Er ist erstmals seit 2012 wieder WM-Captain. «Er ist unser Leader. Der Captain ist immer der Leader», sagt Nationaltrainer Glen Hanlon. Mark Streit hat so viel für die Schweiz geleistet, er hat eine so immense Erfahrung und er ist immer noch so gut, dass er ganz automatisch in der Teamhierarchie den ersten Platz einnimmt.

Das sieht auch Roman Josi so und er sagt: «Mark Streit ist unser Leader.» Er ist 13 Jahre jünger als Mark Streit und respektiert sein Vorbild als unbestrittenen Leitwolf. Er würde nie in der Kabine aufstehen und das Wort ergreifen. Dieses Privileg gebührt Mark Streit. Prag 2015 ist Mark Streits Team.

Spielt es eine Rolle, ob Roman Josi oder Mark Streit die Rolle des Leitwolfes spielen? Möglicherweise ja. Mark Streit ist aufgrund seiner Vergangenheit das Alphatier des Teams. Aber er ist es nicht aufgrund seiner gegenwärtigen Leistung. Roman Josi ist das Alphatier der Gegenwart aufgrund seiner Leistung. Wir können das statistisch erkennen. Bisher hat Mark Streit in drei WM-Partien keinen Skorerpunkt gebucht und eine –1-Bilanz. Roman Josi hat nach drei WM-Spielen 1 Tor, 2 Assists und eine +2-Bilanz auf seinem Standplatz.

Roman Josi ist in ähnlich guter Form wie 2013. Aber er konnte bisher das Spiel nicht so dominieren wie 2013. Er ist nicht so präsent wie 2013. Mark Streit beansprucht eben auch viel Eiszeit. Die beiden NHL-Verteidiger hatten bisher in allen drei Partien von allen Spielern die längsten Einsatzzeiten. Im Powerplay spielen sie zusammen an der blauen Linie.

Falsche Powerplay-Taktik von Glen Hanlon

Unerbittlich schickt Nationaltrainer Glen Hanlon seine zwei NHL-Verteidiger bei jedem Powerplay aufs Eis. Deshalb funktioniert unser Überzahlspiel nicht. Unsere Erfolgsquote liegt in diesem Turnier bei 7,14 Prozent und damit steht die Schweiz auf Position 11 aller Teams. Gut ist im Powerplay eine Quote ab 20 Prozent.

Glen Hanlon sollte Streit und Josi nicht gleichzeitig im Powerplay spielen lassen.
Glen Hanlon sollte Streit und Josi nicht gleichzeitig im Powerplay spielen lassen.Bild: KEYSTONE

Es könnte bei gleichzeitigem Einsatz von zwei der besten Powerplayspezialisten aus der besten Liga der Welt nur funktionieren, wenn mit zwei Pucks gespielt würde. Ein Fussballteam funktioniert auch nicht mit zwei Spielmachern im Mittelfeld, die beide den Ball für sich beanspruchen.

Ob die Schweiz ins Viertelfinale oder gar darüber hinaus kommt, hängt auch davon ab, ob es Nationaltrainer Glen Hanlon gelingt, die Einsätze von Roman Josi und Mark Streit so zu dosieren, dass beide ihr bestes Hockey entfalten können. Bisher war es nicht der Fall.

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Rifter
06.05.2015 08:20registriert Februar 2015
Für einmal fast keine Polemik, ist wesentlich angenehmer zu lesen.
Inhaltlich kann ich nur zustimmen, Streit hat seit er den Sprung in die erweiterte Elite der NHL geschafft hat nie mehr überzeugt an der WM und ist auf dem grossen Eis überfordert.
Dass das PP mit Josi und Streit so nicht hinhaut, war nach dem 1. Drittel des Austria-Spiels klar.. allerdings muss man Streit insofern in Schutz nehmen, als dass bei Philly im PP halt ganz andere Kaliber vor dem Tor stehen und sich um Screen, Ablenker und Abpraller kümmern.
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marak
06.05.2015 07:45registriert April 2014
Dauernd mit Stockholm vergleichen bringt nichts. Ich war 17 als die Schweiz zum ersten Mal an einer A WM spielte. Nun sind fast immer unter den besten zehn, oft sogar acht. Das heisst aber auch, dass Siege gegen Mannschaften der Ränge 8-14 nie ein Spaziergang sind. Leichte und hohe Siege werden noch lange die Ausnahme bleiben. Noch sind wir gehobene Mittelklasse.
Luft nach oben gibt es immer. Dauerbrenner: Chancenauswertung. Und ja, das Powreplay ist schwach und Streit könnte man schon nicht neben Josi spielen lassen. Das wäre sicher einen Versuch wert.
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