Die älteste NLA-Hockeykultur ist nicht mehr. Am 25. April 2018 ist die NLA-Geschichte des EHC Kloten nach 56 Jahren zu Ende gegangen. Und noch dramatischer: 2014 im Playoff-Final gegen die ZSC Lions, 2018 Abstieg. Noch nie ist ein Eishockeyunternehmen sportlich so schnell und so gründlich ruiniert worden.
2:3 Rappi trifft. #ehckscrj #ehckloten #jetzterschträcht
— EHC Kloten (@EHC_Kloten_1934) 25. April 2018
Dieser 25. April 2018 ist also ein trauriger Tag für unser Hockey. Kloten ist ein wichtiger Teil der Schweizer Hockeykultur. Während Jahrzehnten hat die «Klotener Schule» unser Hockey geprägt. Das Lauf- und Tempohockey helvetischer Prägung, das uns 2013 bis in den WM-Final gebracht hat, ist im Kern das Produkt des Klotener Einflusses auf die Entwicklung unseres Hockeys.
1962 sind die Klotener in die NLA aufgestiegen und sie haben sich jeder Veränderung erfolgreich angepasst, ja immer wieder als Trendsetter die sportliche und politische Entwicklung unseres Hockeys geprägt. Weil der EHC Kloten mehr war als einfach ein Verein oder ein Sportunternehmen.
Der EHC Kloten war im besten Wortsinne ein Stück Hockeykultur. Getragen von unzähligen Helferinnen und Helfern. Von Eltern, die ihre Kids zum Hockey gebracht haben. Von Spielern, die nach dem Rücktritt ihrem Klub treu geblieben sind und ihr Wissen an die nächste Generation weitergegeben haben. Von Funktionären, die dafür gesorgt haben, dass Kloten sportlich «funktioniert». Wenn ein Klub wie der EHC Kloten absteigt, dann ist das ein trauriger, ein sehr trauriger, ein tieftrauriger Tag für unser Hockey.
Aber es ist eben auch ein guter Tag. Klotens Untergang zeigt uns nämlich, dass die ungeschriebenen Gesetze des Eishockeys immer noch gelten. Kloten ist nicht das Opfer von äusseren Einflüssen, Zeitläufen oder Entwicklungen geworden, die es nicht beeinflussen konnte. Kloten ist das Opfer seiner Führung geworden.
Um Klotens Untergang zu verstehen, müssen wir etwas weiter zurückgehen. Am Anfang steht der Irrtum, Kloten müsse ein Spitzenteam sein. So geht Präsident Jürg Bircher im Frühjahr 2012 nach zwei verlorenen Finals in drei Jahren das Geld aus.
Eine Rückkehr zur Bescheidenheit wie in Langnau oder wie diese Saison in Ambri wäre jederzeit möglich und machbar gewesen. Und alle Ausreden, in Kloten sei es nicht möglich, ein NLA-Unternehmen zu alimentieren, sind ganz einfach lächerlich. Wenn es im oberen Emmental, in der mit Abstand strukturschwächsten Region der Schweiz, möglich ist, NLA-Eishockey zu finanzieren, dann ist das auch im Glatttal, in einer der reichsten Industrieregionen der Welt, möglich. Allerdings nur mit einem Präsidenten, der in der Region vernetzt und verankert ist und ein Gespür für den Sport hat. Mit einer Integrationsfigur.
Aber nach Jürg Bircher ist Kloten nur in die Hände von Männern geraten, die für die lokale Wirtschaft, für die freiwilligen Helferinnen und Helfer und für die Spieler im Grunde nichts als Verachtung übrig haben. Ohne emotionale Bindung zum Sport. Zum Dorf. Zum Verein. Zur Basis. Zum Volk. Zum Zuschauer. Zum Kunden. Ohne Verständnis für den Sport.
Den Anfang macht ab 2012 der Milliardär Philippe Gaydoul. Unvergessen bleibt ein Bild aus dem Frühjahr 2014. Kloten spielt gegen die ZSC Lions im Finale um den Titel (und verliert die Serie 0:4). Neben der Arena ist ein VIP-Zelt aufgebaut. Protzig. Demonstrativ abgesichert von Operetten-Sicherheitspersonal in schwarzen Anzügen. Wie Schiesshunde passen sie auf, dass sich ja keiner aus dem gewöhnlichen Volk in diese Champagner-Tränke verirrt.
Besser ist die Arroganz der Führung selten demonstriert worden. Es ist ein Zeichen für Grössenwahn und für die Abnabelung von der Basis. Und für die Verachtung der Leute, die diesen Klub aufgebaut und über Jahrzehnte mit Engagement, Begeisterung, Kompetenz und Herzblut gehegt und gepflegt haben.
Nach Philippe Gaydoul kommt Bill Gallacher. Dieser nordamerikanische Hockey-Imperialist hat für Klotens Hockeykultur nie viel mehr übrig als Verachtung. Er steigt bereits nach einem Jahr wieder aus. Aber der sportliche Kern ist bis zu diesem Zeitpunkt intakt geblieben.
Zum Verhängnis wird Kloten erst die Übernahme durch Präsident Hans-Ulrich Lehmann im Frühjahr 2016. Klotens neuer Besitzer hat die richtige Strategie. Aber er kann sie nicht erfolgreich umsetzen. Er will richtigerweise den Weg zurück zur Bescheidenheit gehen. Aber er kann diesen Sparkurs nicht glaubwürdig nach innen und nach aussen «verkaufen» und die Basis auf den neuen Kurs einschwören. Er verordnet ihn einfach arrogant von oben nach unten. Er ignoriert alle Ratschläge von erfahrenen Kennern aus den eigenen Reihen und feuert schliesslich gar noch den Sportchef.
Als erfolgreicher Unternehmer weiss er, wie man so etwas macht. Basta. Vier Ausländer? Drei genügen auch. Ein Sportchef? Brauchen wir nicht. Die Spieler für sich gewinnen, ihr Ego ein wenig pflegen? Ach was, die sollen den Mund halten und ihren Job machen.
Unter Hans-Ulrich Lehmann hat Kloten diese Saison seine sportliche Seele und Identität verloren und ist ein Hockey-Krämerladen geworden. Wem es möglich war, zu gehen, der hat seine Zukunft längst an einem anderen Ort geregelt und manch einer hat sich in die innere Emigration zurückgezogen. Klotens Hockeykultur ist im Laufe dieser Saison zerfallen. Und so ganz nebenbei hat Kevin Schläpfer erst einmal seine Trainer-Karriere ruiniert. Er war zu naiv, um Hans-Ulrich Lehmann rechtzeitig zu durchschauen.
Noch ist Kloten nicht ganz verloren. Ein Wiederaufstieg wie bei den SCL Tigers und den Rapperswil-Jona Lakers ist nicht unmöglich. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich zum EHC Kloten zu bekennen. Die einzige Lösung ist eine Gruppe lokaler Unternehmer, die das Unternehmen von Hans-Ulrich Lehmann übernehmen und es verstehen, die lokale Wirtschaft zu mobilisieren. Mit Hans-Ulrich Lehmann gibt es keine Rückkehr. Mit ihm hat Kloten höchstens noch eine Zukunft als Farmteam der Lakers und mittelfristig eher in der MySports League als in der Swiss League.
Der 25. April, der Tag, an dem Kloten nach 56 Jahren seinen Platz in der höchsten Liga räumen musste, ist ein guter Tag für unser Hockey, weil sportliche Misswirtschaft bestraft worden ist. Es ist das Zeichen einer starken Hockeykultur, wenn jene scheitern, die zu arrogant sind, um diese Hockeykultur zu respektieren und zu verstehen.
Es ist auch ein guter Tag für unser Hockey, weil mit den Rapperswil-Jona Lakers ein Hockeyunternehmen mit dem Aufstieg belohnt worden ist, das alles richtig gemacht hat. Das nach dem Abstieg seine Identität und seine Seele wiedergefunden hat.
Die Rapperswil-Jona Lakers werden eine Bereicherung für die NLA sein. Der EHC Kloten wäre unter der aktuellen Führung in der höchsten Liga nur noch ein Operetten-Klub zwischen Lächerlichkeit und Ärgernis.