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Der Eismeister im Doppel-Interview mit Vicky Mantegazza und Jörg Reber

Vicky Mantegazza, Praesidentin des HC Lugano, bedankt sich bei den Fans nach dem fuenften Eishockey Playoff-Finalspiel der National League A zwischen dem HC Lugano und dem SC Bern am Dienstag, 12. Apr ...
Vicky Mantegazza ist die «Grande Dame» des Schweizer Eishockeys.Bild: TI-PRESS
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Lugano-Boss Mantegazza: «Meine Familie hat Ambri nicht gerettet, das würden wir nie tun»

Was ist, wenn die reichste Führungspersönlichkeit des Schweizer Hockeys sich mit der Kirchenmaus unseres Hockeys an einen Tisch setzt? Dann kommt ein interessantes Doppelinterview in Gang. Langnaus Sportchef Jörg Reber, der Mann mit dem kleinsten Budget, trifft die Milliardärin Vicky Mantegazza, die Präsidentin des HC Lugano.
02.12.2017, 09:1203.12.2017, 14:35
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Lugano hat Geld ohne Ende, Lugano kauft den Erfolg – Vicky Mantegazza, wie sehr stört Sie dieses Klischee?
Vicky Mantegazza: Tja, das hatten wir schon, als mein Vater noch Präsident war. Er investierte in den 1980er-Jahren Geld ins Eishockey und das war in diesem Ausmass neu ...
Jörg Reber: ... an das «Grande Lugano» erinnere ich mich noch gut. Ich war damals noch Spieler beim SCB. Dieses Lugano war etwas ganz Besonderes.
Mantegazza: Heute ist eine andere Zeit. Und ja, dieses Klischee, wir seien «Millionarios», ärgert mich. Unsere Leitsätze sind Bescheidenheit, Leidenschaft und Seriosität, und wir investieren nicht mehr am meisten Geld.

Aber Sie können schon verstehen, dass in der Deutschschweiz dieses Klischee fortlebt, oder? Damien Brunner kehrt während der Saison von der NHL in die NL zurück – und landet natürlich in Lugano.
Mantegazza: Und was ist denn mit Diaz oder Hollenstein? Wir wollten Hollenstein damals, als er Kloten zum ersten Mal verliess, auch. Aber er ist nach Genf gegangen. Weil Chris McSorley mehr Geld offeriert hat.

Joerg Reber, Sportchef SCL Tigers, waehrend der Vorsaison-Pressekonferenz, am Sonntag, 6. September 2015, in der Ilfishalle in Langnau. (KEYSTONE/Marcel Bieri)
Langnau-Sportchef Jörg Reber.Bild: KEYSTONE

Da hat Langnau wohl kaum mitgemischt. Jörg Reber, Sie könnten neidisch werden.
Reber: Warum? Es gibt Topklubs mit finanziellen Mitteln, die wir nicht haben. Das ist legitim, Hockey ist ein Geschäft und damit habe ich kein Problem. Wie Lugano ist, wissen wir schon lange.

Wie ist Lugano?
Reber: Wie ich schon sagte: Lugano hat mich als «Grande Lugano» schon immer fasziniert.

Aber das Lugano von heute ist nicht mehr ganz so «grande».
Reber: Das ist eine Frage der Zeit. Ich habe in ­dieser Saison den Eindruck, dass Lugano wieder eine Einheit, eine Mannschaft geworden ist.
Mantegazza: Wir haben zwei Probleme: das Geld und die Palmen. Das Klischee, das Sie angesprochen haben. Ich habe schon überlegt, ob wir bei der Stadt beantragen wollen, die Palmen verschwinden zu lassen. Spass beiseite: Wir setzen auf Spieler, die sich mit uns identifizieren und nicht des Geldes oder des Klimas wegen nach Lugano kommen. Da kommt es uns entgegen, dass es inzwischen acht Klubs gibt, die, wenn sie einen Spieler unbedingt wollen, mehr bezahlen als wir.

Das glauben wir nicht.
Mantegazza: Es ist so. Wir sind ja tagtäglich im Hockeygeschäft und kennen die Löhne, die von der Konkurrenz offeriert werden.

Vicky Mantegazza
Geo Mantegazza (89) ist einer der grossen Persönlichkeiten unseres Hockeys. Er schuf das «Grande Lugano» und löste in den 1980er-Jahren eine Entwicklung aus, die unser Hockey an die Weltspitze zurückgebracht hat. 1991 gab er die Führung ab. Erst seit seine Tochter Vicky (51) 2011 das Präsidium übernommen hat, entwickelt sich Lugano wieder zu einem Titanen der Liga. Die ehemalige Spielerin des erfolgreichen Frauenteams des HC Lugano verwaltet das grosse Immobilienportfolio des Mantegazza-Clans. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schätzt das Vermögen der Familie Mantegazza auf etwas mehr als zwei Milliarden Franken.

Dieses Problem haben Sie in Langnau nicht. Niemand kommt des Geldes wegen ins Emmental.
Reber: Wir spielen salärtechnisch nicht in der gleichen Liga wie Lugano, das ist richtig. Aber das Problem ist für uns nicht unbedingt das Geld. Es geht um das Gesamtpaket, das wir einem Spieler bieten können. Dazu gehören die sportlichen Perspektiven und in diesem Bereich müssen wir besser werden. Und wir brauchen wohl auch einmal einen Transfer mit Signalwirkung.
Mantegazza: Sie hatten ja mit Massimo Ronchetti auch einen Spieler von uns ...
Reber: ... den wir sehr gerne behalten hätten. Aber er hatte Heimweh.

Jörg Reber
Jörg Reber (43) war einer der grossen kleinen Verteidiger. Der Floh (170 cm) aus den SCB-Junioren gehörte 1992 zum Kader des SCB-Meisterteams. Er spielte für den SCB, La Chaux-de-Fonds, die Lakers, Biel, Kloten und Langnau 1072 Nationalliga-Partien, 623 davon in der NLA. Mit La Chaux-de-Fonds und Biel stieg er in die NLA auf und mit 37 Jahren rockte er noch einmal die NLA: Er war 2010/11 Torschützenkönig der NLA-Verteidiger, kam mit Langnau in die Playoffs und zu seinen drei Länderspielen. Im Sommer 2014 wurde er ein Jahr nach seinem Rücktritt Sportchef und brachte die SCL Tigers bereits im Frühjahr 2015 in die NLA zurück. Er ist der Sportchef mit dem kleinsten NLA-Budget.

Wollen Sie andeuten, dass er des Geldes wegen nach Lugano zurückgekehrt ist?
Reber: Nein, ich hatte wirklich den Eindruck, dass sein Herz für Lugano schlägt, und dass er deshalb zurückgekehrt ist. Ich weiss sehr wohl, dass Lugano viel mehr zu bieten hat als nur Geld. Steve Hirschi hat in Lugano eine zweite Heimat gefunden und bleibt nun auch nach seinem Rücktritt dort.

Haben Sie nicht versucht, ihn nach Langnau zu holen?
Reber: Doch.

Luganos Massimo Ronchetti in Aktion beim Eishockeyspiel der National League A zwischen dem HC Lugano und dem HC Ambri Piotta, in der Resega Eishalle in Lugano, am Montag, 21. November 2016. (KEYSTONE/ ...
Massimo Ronchetti spielt wieder in seiner Heimat Lugano.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Haben Sie zu wenig offeriert?
Reber: Nein, er hat in Lugano eine zweite Heimat gefunden.
Mantegazza: Es kann ja kaum am Geld gescheitert sein. Hirschi arbeitet jetzt bei uns im Nachwuchs. Wir haben vorhin aber über Massimo Ronchetti gesprochen. Er hätte bei anderen Klubs mehr verdienen können als bei uns.

Wirklich?
Mantegazza: Ja, er spielt für uns, weil sein Herz für uns schlägt.

Gibt es wirklich Spieler, die für Lugano spielen, obwohl sie an einem anderen Ort mehr Geld verdienen könnten?
Mantegazza: Ja, etwa Julien Vauclair. Aber klar, es hat Spieler gegeben, die des Geldes wegen zu uns gekommen sind. Wir arbeiten daran, eine Mannschaft mit Spielern aufzubauen, die stolz sind, unser Dress zu tragen und sich ganz mit uns identifizieren.

Gehört Damien Brunner in diese Kategorie?
Mantegazza: Ja. Er hätte in Zug und in Genf mindestens so viel verdienen können. Aber er hat sich für uns entschieden. Er wollte eine neue Sprache und eine neue Kultur kennen lernen.

Aber es geht eben doch um Geld. Sie bezahlen Romain Loeffel gut 800'000 Franken pro Saison.
Mantegazza: So?

Ja, Chris McSorley sagt das.
Mantegazza: Aha. Wenn er das gesagt hat, dann ist er ein schlechter Verlierer. Das Geld war nicht entscheidend. Wichtiger war für ihn die sportliche Perspektive. Julien Vauclairs Karriere neigt sich dem Ende zu, Loeffel kann bei uns in einem Spitzenteam der wichtigste Schweizer Verteidiger sein.

Geneve-Servette's defender Romain Loeffel, celebrates his goal, after scored the 1:0, during the game of National League A (NLA) Swiss Championship between Geneve-Servette HC and HC Davos, at the ...
Romain Loeffel spielt ab der nächsten Saison für Lugano.Bild: KEYSTONE

Sind die Löhne zu hoch?
Mantegazza: Für durchschnittliche Spieler sind sie zu hoch.
Reber: Das ist für uns das grosse Problem. Wir müssen für die Spieler der dritten und vierten Linie zu hohe Löhne bezahlen. Deshalb ist es wichtig, dass wir alles tun, um den vierten Block mit jungen Spielern zu bilden.​

Es mag sein, dass Lugano und Langnau finanziell nicht in der gleichen Liga spielen. Aber hockeypolitisch sitzt man eigentlich im gleichen Boot. Sie kommen aus Randregionen, die im Verband und in der Liga wenig Gewicht haben. Politisch hat das Tessin zwar wieder einen Bundesrat, aber im Eishockey hat Lugano zu wenig politischen Einfluss.
Mantegazza: Habe ich einen Joker?​

Nein.
Mantegazza: Ich sehe eine positive Entwicklung. Unsere Akzeptanz ist grösser geworden. Jean-Jacques Aeschlimann fehlte nur eine einzige ­Stimme, um ins Leistungssport-Komitee gewählt zu werden.

Und wer ist stattdessen gewählt worden?
Mantegazza: Rolf Bachmann vom SC Bern.

Eben.
Mantegazza: Tja, wir hätten gerne eine Stimme im Leistungssportkomitee gehabt. Wahrscheinlich hat uns unser Vorgehen im «Fall Stancescu» (Lugano hatte den Rücktritt des Einzelrichters gefordert – Red.) diese eine Stimme gekostet. Da haben wir uns bei den anderen Klubs nicht beliebt gemacht. Aber wir mussten da ein Zeichen setzen.

Eigentlich müssten Sie politisch mit Langnau zusammenarbeiten. Etwa indem Sie mit Langnau vor so einer Wahl telefonieren.
Mantegazza: Warum nicht? Es geht ja ums Eishockey.
Reber: Das sehe ich auch so. Wenn es um das Gesamtinteresse des Eishockeys geht, kann ich mir gut ein gemeinsames Vorgehen mit Lugano vorstellen.

Wie sehen Sie eigentlich Langnau?
Mantegazza: Ich mag es, wie der Klub arbeitet. Ich habe grosse Sympathien. Die Voraussetzungen sind nicht einfach, aber die Langnauer jammern nie. Sie arbeiten und machen aus der Situation das Beste. Sie haben ein kleines Budget, aber grosse Herzen. Das gefällt mir.

Spüren wir da einen Seitenhieb in Richtung Ambri?
Mantegazza: Das sagen Sie. Aber wenn Sie schon so fragen: Ja, Ambri hatte in den letzten ­Jahren zu viel gejammert. Jetzt ist es besser ­geworden.

Wenn wir schon bei Ambri sind: Ist es wirklich so, dass Ihre Familie Ambri finanziell schon mal gerettet hat?
Mantegazza: Es ist sehr wichtig für uns, dass wir im Tessin zwei Klubs haben. Jedes Derby ist ein Fest. Ja, ich kenne diese Legende, dass wir Ambri gerettet haben. Kein Wort ist wahr.

Sie würden Ambri nicht vor dem Konkurs retten?
Mantegazza: Nein, niemals.

Choreography of Ambri's supporters during the preliminary round game of the National League Swiss Championship 2017/18 between HC Ambri-Piotta and HC Lugano, at the ice stadium Valascia in Ambri, ...
Ohne Ambri kein Lugano – und natürlich umgekehrt.Bild: TI-PRESS

Wir kommen nochmals auf die Klischees zurück. Langnau steht für Nachwuchsarbeit, Lugano für den Einkauf von Spielern. Aber in Tat und Wahrheit hat Lugano mehr eigene Spieler im Kader als Langnau.
Mantegazza: Wir haben zur Vorbereitung auf dieses Gespräch einmal nachgeschaut, wie viele Spieler aus unserer Juniorenabteilung bei uns oder in den beiden höchsten Ligen spielen. Es sind 41 und wir nehmen seit ein paar Jahren mehr aus den Ausbildungsentschädigungen ein, als wir ausgeben müssen.

Ist das in Langnau auch so?
Reber: Wir haben auch viele Spieler ausgebildet (in den beiden höchsten Ligen sind zurzeit 39 Spieler unter Vertrag, die in Langnau ausgebildet worden sind – die Red.). In den letzten Jahren ­haben es aber weniger Spieler in die oberste Liga geschafft. Wir investieren deshalb viel in unseren Nachwuchs mit dem Ziel, die Anzahl wieder zu erhöhen und vermehrt wieder junge Spieler in die 1. Mannschaft integrieren zu können.
Mantegazza: Bei der Nachwuchsarbeit braucht es auch Glück. Es ist ein wenig wie beim Wein: Es gibt sehr gute und dann wieder weniger gute Jahrgänge. Zurzeit sind unsere Elite-Junioren nicht da, wo wir sie haben wollen.

Sie führen gemeinsam mit Ambri ein Farmteam, Ambri hat dabei sogar die Aktienmehrheit. Wie schwierig war es, mit Ambri einen gemeinsamen Nenner zu finden?
Mantegazza: Es war nicht einfach. Inzwischen denken wir aber bereits über eine gemeinsame Mannschaft bei den Elite-Junioren nach.

Ist das denkbar?
Mantegazza: Ja. Weil es für Ambri und uns schwierig ist, genug Spieler für eine Elite-Junioren-Mannschaft zu finden. Es ist weder Ambri noch uns möglich, diese Spieler im Tessin zu finden. Wir sind darauf angewiesen, Junioren von auswärts zu finden.

Ambri und Lugano bauen gemeinsam eine Nachwuchspyramide und betreiben die besten Teams auf Elite- und Novizen-Stufe gemeinsam?
Mantegazza: Ja, das ist ein Projekt, an dem wir in den nächsten Jahren arbeiten sollten. Wir müssen unsere Anstrengungen im Gesamtinteresse unseres Hockeys auf dieser Ebene intensivieren. Die Konkurrenz fürs Eishockey ist gross.
Reber: Wir haben dieses Problem auch. Deshalb sind wir daran, mit unserem Projekt «Hockey Country» unser Einzugsgebiet für die Rekrutierung der Nachwuchsspieler zu vergrössern. Die Erfassung bleibt bei den Klubs, aber auf Stufe Novizen und Elite planen wir eine engere Zusammenarbeit.

Ticino's player Colin Fontana, left, celebrates the victory after the Swiss Ice Hockey Cup round of 32 game between HC Biasca Ticino Rockets and SC Bern, at the ice stadium in Biasca, Switzerland ...
Die Ticino Rockets – das gemeinsame Farmteamprojekt von Ambri und Lugano.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Ist letztlich die Elite-Junioren-Liga zu gross? Zumal die Besten sowieso in den Farmteams oder in der ersten Mannschaft spielen sollten?
Reber: Wahrscheinlich schon. Wir haben auch schon daran gedacht, gemeinsam mit Biel eine Elite-Junioren-Mannschaft zu machen.

Vicky Mantegazza, haben Sie nicht auch schon einmal daran gedacht, wie in Zug eine Akademie aufzubauen? So wie es in Zug Präsident Hans-Peter Strebel macht? Verzeihen Sie, wenn wir uns wieder eines Klischees bedienen – aber Sie hätten die finanziellen Mittel wie Hans-Peter Strebel.
Mantegazza: In Lugano arbeiten wir aktuell an diversen Projekten zur weiteren Stärkung unseres Nachwuchses. Als Präsidentin bin ich wohl über alle Projekte informiert, kann mich aber leider nicht in jedes dieser Projekte persönlich mit einbringen.

Jörg Reber, träumen Sie manchmal davon, Sportchef in Lugano zu sein? Unbeschränkt viel Geld, kein Budget?
Reber: Sportchef in Lugano zu sein, wäre für mich sicher eine spannende Herausforderung. Mehr Spielraum bei den finanziellen Mitteln bedeutet mehr Möglichkeiten bei der Zusammenstellung des Kaders. Mit mehr Geld steigen aber auch die Erwartungshaltungen. In Langnau versuchen wir mit unseren Mitteln, eine Mannschaft zusammenzustellen, die sich für die Playoffs qualifizieren kann. Die Aufgabe ist sehr spannend. Und wir sind noch nicht am Ziel.
Mantegazza: Ich möchte doch betonen, dass auch unser Sportchef Roland Habisreutinger ein Budget einzuhalten hat.

Wir hören die Botschaft wohl, allein uns fehlt der Glaube. Die Verpflichtung von ­Damien Brunner mitten in der Saison war budgetiert?
Mantegazza: Nein. Auch während des Lockouts haben wir Spieler ausserhalb des Budgets verpflichtet. Aber wir haben im Verwaltungsrat für die Finanzierung gesorgt.

Damien Brunner, Neuzugang des HC Lugano, praesentiert das Shirt des HC Lugano zusammen mit Lugano Praesidentin Vicky Mantegazza, links, vor dem Spiel gegen den EV Zug am Sonntag, 14. Dezember 2014, in ...
Beim Transfer von Damien Brunner musste finanziell etwas nachgeholfen werden.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Das heisst, Sie haben die zusätzlichen Kosten übernommen. Verzeihen Sie uns diese Unterstellung, aber wir finden jedes Jahr im ­Finanzmagazin Ihre Familie unter den reichsten der Schweiz.
Mantegazza: Gerade deswegen bezahlt unsere Familie nicht einfach einen zusätzlichen Transfer oder ein Defizit. Ich muss mich viel um Finanz­geschäfte kümmern, und gerade deshalb lege ich Wert auf die Einhaltung von Budgets. Sie haben recht, Damien Brunner war nicht im Budget vorgesehen. Wir haben im Verwaltungsrat gemeinsam die Finanzierung übernommen. Aber unter der Bedingung, dass er nach dieser ersten Saison im Budget der ersten Mannschaft enthalten sein muss. Es wäre arrogant, wenn ich einfach sagen würde: «Kein Problem, ich zahle das.» Es wäre eine Geringschätzung aller Leute, die sich für unseren Klub engagieren.

Könnten Sie in Langnau auch mal einen Transfer machen, der im Budget nicht vorgesehen ist?
Reber: Es ist meine Aufgabe, unser Budget einzuhalten, und ich mag diese Herausforderung, eine Mannschaft nach diesen Vorgaben zusammenzustellen. Manchmal möchte ich schon etwas über dem Budget machen, aber es ist spannend, mit den Mitteln auszukommen, die wir zur Verfügung haben. Ich denke, dass es wahrscheinlich möglich wäre, auch einmal einen ausserordentlichen Transfer zu finanzieren. Aber ich müsste dafür beim Verwaltungsrat sehr gute Argumente finden.

Mischen Sie sich als Präsidentin eigentlich ins Tagesgeschäft ein?
Mantegazza: Wenn Sie unter Einmischung Engagement verstehen, dann ja. Ich spreche viel auch mit unseren Fans und ich weiss, wie sehr sie ­leiden, wenn wir nicht den gewünschten Erfolg haben. Ich will wissen, was wir tun können, um besser zu sein, und spreche viel mit unseren Verwaltungsräten, mit unserem Sportchef und unserem Staff. Aber ich entscheide nie etwas über den Kopf unseres Sportchefs hinweg. Es kann sein, dass ich sage, dieser oder jener Spieler wäre gut für uns. Aber wenn der Sportchef oder der VR eine andere Meinung hat, dann akzeptiere ich das. Einfach zu sagen, «so machen wir das, basta!» – Das wäre sehr arrogant.

Wagen die Leute überhaupt, Ihnen zu widersprechen, wenn Sie eine Ansicht äussern? Könnte es nicht sein, dass man Ihnen gegenüber heuchelt und zustimmt, weil man weiss, wie wichtig Sie für den Klub sind?
Mantegazza: Ich bin im Eishockey, seit ich ein kleines Kind bin. Ich habe genug Lebenserfahrung, um zu spüren, ob jemand mir gegenüber ehrlich ist oder nicht.

Lugano-Praesidentin Vicky Mantegazza beim ersten Training des HC Lugano fuer die Saison 2015/16, am Sonntag, 2. August 2015, in Lugano. (KEYSTONE/Ti-Press/Carlo Reguzzi)
Vicky Mantegazza bestimmt, was beim HC Lugano geschieht oder nicht geschieht.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Wie gross ist der Druck, wenn es nicht nach Wunsch läuft?
Mantegazza: Wenn wir vier, fünf Spiele verlieren, dann gibt es Stress. Die Geduld ist nicht gross, die Polemik in den Medien schon. Wir haben dann bei jedem Training sechs, sieben Journalisten. Bei uns gibt es mehrere Tageszeitungen, mehrere TV-Stationen und mehrere Internetportale, die sich gegenseitig konkurrieren.
Reber: Bei uns geht es schon ruhiger zu und her. Meistens sind beim Training keine Journalisten da, höchstens ab und zu jemand vom Lokalradio.

Mantegazza: Jörg, wie ist das möglich, dass bei Ihnen die Zuschauer auch kommen, wenn Sie eine Krise haben? Woher kommen all diese Zuschauer?
Reber: Wir haben Untersuchungen gemacht, ­woher die Zuschauer kommen, die ein Saisonabonnement kaufen. Wir haben ein grosses Einzugsgebiet. Die Mehrheit kommt nicht aus Langnau, sondern aus dem Entlebuch, aus dem Berner Oberland und aus dem unteren Emmental und dem Mittelland.

Fans und Spieler der SCL Tigers sind enttaeuscht nach dem Eishockeyspiel der Nationalleague A SCL Tigers gegen EHC Kloten aufgenommen am Samstag, 12. November 2016, in der Ilfishalle in Langnau. (KEYS ...
Die Fans der SCL Tigers stehen wie eine Wand hinter ihrem Klub.Bild: KEYSTONE

Was müssen wir tun, damit unser Eishockey noch besser wird?
Mantegazza: Wir brauchen bessere Schiedsrichter.

Hören wir da den alten Komplex? Die Schiedsrichter sind gegen Lugano?
Mantegazza: Nein. Ich sage nicht, dass wir von den Schiedsrichtern benachteiligt werden. Im Interesse des Eishockeys müssen die Schiedsrichter besser werden. Ich vergesse nicht, wie im Final gegen Bern Damien Brunner bewusstlos auf dem Eis lag und es keine Strafe gegen Simon Bodenmann gab. Das darf nicht passieren.
Reber: Ich stimme Ihnen zu. Aber es ist nicht der Fehler der Schiedsrichter. Wir müssen mehr in deren Ausbildung investieren.
Mantegazza: Ich denke, dass wir mehr Profi-Schiedsrichter brauchen. Ich habe viel Respekt für ihre Arbeit. Der Aufwand und die Belastung sind aber so gross, dass ein Schiedsrichter eigentlich die gleichen Voraussetzungen wie ein Profi-Spieler haben sollte.

Der Check von Bodenmann gegen Brunner im Playoff-Final 2016.Video: streamable

Lugano kann nur dank den finanziellen ­Zuschüssen Ihrer Familie existieren. Wird es einmal möglich sein, dass Klubs ohne Mäzen auskommen können?
Mantegazza: Nein, das ist nur in Bern machbar.
Reber: Und in Langnau. Wir haben auch schwarze Zahlen geschrieben.
Mantegazza: Ja, auch in Langnau. Aber wir haben nicht die Möglichkeit, im Stadion genügend Einnahmen zu erwirtschaften.

Ist es denkbar, dass in Lugano eine Arena mit besseren Voraussetzungen gebaut wird? Wie in Langnau, in Bern, in Zug, in Biel oder in ein paar Jahren auch in Zürich?
Mantegazza: Nein. Wir werden in den nächsten 20 Jahren mit der Resega leben müssen. Immerhin konnten wir inzwischen durch den Einbau von Logen die Situation etwas verbessern.

Wie hoch ist eigentlich der Eigenfinanzierungsgrad Luganos? Oder anders gesagt: Wie viel Prozent des Aufwandes müssen Sie finanzieren?
Mantegazza: Das kann ich auswendig leider nicht sagen.

Sie stehen in Nibelungentreue zu Sportchef Roland Habisreutinger. Das erstaunt uns in der Deutschschweiz.
Mantegazza: Er arbeitet sehr gut. Er ist nicht dafür verantwortlich, dass wir unsere Ziele noch nicht erreicht haben.

Die Praesidentin des HC Lugano, Vicky Mantegazza, links, und der Team Sportdirektor, Roland Habisreutinger, beobachten das erste Training des HCL nach der heutigen Pressekonferenz an der die sofortige ...
Vicky Mantegazza und Roland Habisreutinger schauen sich das Training des HC Lugano an.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Wer ist dann schuld?
Reber: Ich muss hier Einspruch erheben und um etwas mehr Respekt für die Arbeit des Sportchefs bitten. Eishockey ist ein unberechenbares Geschäft. Ob es nun darum geht, ein Meisterteam zusammenzustellen oder eine Mannschaft, die sich für die Playoffs qualifizieren kann.

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Crazy Cycler
02.12.2017 10:15registriert Januar 2015
Ein weiteres Meisterwerk des Eismeisters. Vielen Dank für die gewagten Interviewpartner und die pointierten Fragen.
1394
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sansibar
02.12.2017 11:10registriert März 2014
Cooles Interview! Das einzige was mich immer wieder irritiert ist, dass permanent alle sagen bei der Konkurrenz habe es mehr Geld...
1110
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no-way
02.12.2017 12:29registriert November 2016
Lugano macht vieles gut im letzten Zeiten. 4-0 in Genf gewonnen mit 13 Spieler, die im HCL Junioren gespielt haben. Fazzini bester schweizer Skorer in moment, mit nur 22. Voll vertrauen auf die junge. Weiter so!
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