Beim Spengler Cup geht es um den Spass am Eishockey. René Fasel, als Präsident des Internationalen Hockey-Verbandes (IIHF) der weltweit ranghöchste Hockey-Funktionär ist froh um die locker-festliche Stimmung. Jedes Jahr reist er für drei oder vier Tage zum Turnier. Nun ist die Reise nach Davos für ihn im besten Wortsinne zum Kuraufenthalt geworden. So kann er den Kopf ein wenig durchlüften.
Eigentlich gibt es im Eishockey gerade in diesen Tagen wichtige, ja existenzielle Fragen zu besprechen. Was ist vom Regelwerk her zu tun, damit die Anzahl der Gehirnerschütterungen zurückgeht? Ist der Vorschlag, Checks in der neutralen Zone zu verbieten, sinnvoll? Oder sollten Checks nur noch erlaubt sein, wenn der Spieler nicht mehr beide Hände am Stock hat, sondern nur noch eine? Wie können die Russen zu einer Teilnahme an der Champions Hockey League motiviert werden? Kehrt die NHL für die Spiele 2022 in Peking zurück?
Das wären normalerweise die Themen. Aber René Fasel treibt ein ganz anderes Problem um. Und es wird ihn bis im Februar, bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele am 9. Februar und darüber hinaus beschäftigen und kaum Zeit lassen für die wichtigen Dinge des Hockey-Lebens. Es ist eine der grossen Possen des internationalen Sports.
Die sportliche Vorbereitung aufs olympische Eishockeyturnier, die von den Schweizern beim Spengler Cup in sportlicher Party-Form absolviert wird, ist schwierig genug. Die politische, olympische Vorarbeit ist noch viel schwieriger. René Fasel obliegt es, bei den Spielen die russische Seele zu retten.
Wie das? Bekanntlich ist das olympische Komitee Russlands von den Spielen ausgeschlossen. Als Strafe für Dopingsünden. Die Russen dürfen nur unter der Bezeichnung «Olympic Athletes from Russia» antreten. Sie dürfen ihre Nationalfarben nicht tragen und ihre Hymne wird nicht gespielt. Das mag bei Einzelsportlern kein Problem sein. Aber unter welcher Bezeichnung und in welchen Farben soll das russische Eishockey-Nationalteam antreten?
Eine der charismatischsten Mannschaften überhaupt, vergleichbar mit Brasilien oder Deutschland im Fussball. Der Stolz Russlands. Die Seele des russischen Sports. Es ist, als sollten die Brasilianer und Deutschen bei der Fussball-WM antreten – aber nicht unter der Bezeichnung ihres Landes und nicht in ihren traditionellen Leibchen.
Es liegt an René Fasel, den olympischen Gralshütern Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Er versteht die russische Seele. Er weiss um die Befindlichkeiten und sagt ein wenig kämpferisch: «Die Russen bleiben die Russen, unabhängig davon, welches Leibchen sie letztlich tragen. Daran können alle Sanktionen nichts ändern.»
Die Sanktionen verbieten nun den Russen, ihre Nationalfarben rot, blau oder weiss auf dem Nationaltrikot zu verwenden. Die Farbtöne sind bei den Sanktionen durch Nummern exakt definiert.
Der seriöse Vorschlag, in den alten sowjetischen Leibchen anzutreten, beispielsweise in jenen, die 1956 beim ersten olympischen Auftritt des russischen Hockeys bei den Spielen in Cortina d'Ampezzo getragen worden sind, ist zurückgewiesen worden. Obwohl dieses Rot theoretisch nicht verboten wäre.
Nun haben findige Leute festgestellt, dass das Rot, Blau und Weiss auf den Leibchen, die Nike bereits fürs olympische Turnier hergestellt hat, erlaubt sind. Diese Farben haben nicht die gleichen Nummern wie die verbotenen Farben. Aber der Farbunterschied ist von einem Laien kaum zu erkennen. Dürfen Farben verboten werden, die juristisch betrachtet (von der Farbnummer her) gar nicht verboten sind?
Mit der Farbe ist es nicht getan. René Fasel sagt: «Die Russen werden für die TV-Zuschauer die Russen bleiben. Kein Kommentator wird sagen «the Olympic Athletes from Russia haben ein Tor erzielt». Sie werden sagen: «die Russen haben ein Tor geschossen.» Und was ist, wenn die Fans im oder vor dem Stadion die russische Flagge schwenken? Was ist, wenn im Stadion die russische Hymne gesungen wird? Können wir das verbieten?»
Den Einwand, dass es dann wohl während des olympischen Turniers eine olympische Gesangs- und Fahnenpolizei brauche, findet er nicht amüsant. Zu seriös sei die Sache. «Wir stehen vor dem Problem, Sanktionen in der Praxis umzusetzen. Die Russen haben Fehler gemacht, die bestraft werden müssen.
Aber es geht um die Verhältnismässigkeit der Sanktionen. Erst recht rund um die russische Eishockeymannschaft, die sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen.» Fasel hält inne und fährt dann fort: «Es geht um einen Kompromiss. Sanktionen ja, aber so, dass die Russen in ihrer Seele nicht verletzt werden.»
Die Seele Russlands retten. Das ist es. Wahrlich eine hehre Aufgabe für den Mann, zu dessen Kollegenkreis Wladimir Putin zählt.