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Ist nach der Krise vor der Krise? Es gibt nach wie vor auch einen kleinen SC Bern

Feiernde Spieler und Tifosi: Ambri startet mit einem Heimsieg gegen Bern in die neue Saison.
Feiernde Spieler und Tifosi: Ambri startet mit einem Heimsieg gegen Bern in die neue Saison.Bild: Michela Locatelli/freshfocus
Auftaktniederlage in Ambri

Ist nach der Krise vor der Krise? Es gibt nach wie vor auch einen kleinen SC Bern

Der SCB hat mit dem Mute der Verzweiflung einen totalen Fehlstart vermieden und in Ambri erst im Penaltyschiessen 3:4 verloren. Aber Trainer Guy Boucher sollte mit dem Bestellen eines Wintermantels trotzdem noch warten.
13.09.2014, 08:08
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Mag sein, dass dieser wunderbare Hockeyabend in der Schlussabrechnung der Saison nur eine Episode sein wird. Also nur eine Nebenhandlung im grossen Drama um den SC Bern. Aber vielleicht werden wir auch sagen: Schon am ersten Abend der neuen Saison haben wir so etwas wie eine Auferstehung des SC Bern gesehen.

Erstaunlich ist nicht Ambris Sieg. Wenn diese Mannschaft vom «heiligen Zorn» erfasst wird, wenn die Leidenschaft, angefacht von den heissesten Fans der Liga entflammt, dann war schon immer alles möglich. Erstaunlich ist vielmehr die Art und Weise, wie der SCB diese intensive, schnelle und hochstehende Partie erst aus der Hand gegeben und dann 0,8 Sekunden vor Schluss doch noch aus dem Feuer gerissen hat. SCB-Manager Marc Lüthi, vom Drama sichtlich mitgenommen, sprach von einem «geilen Match». Und das war dieses Spiel in der Tat.

Tessiner Jubel: Steiner trifft zum zwischenzeitlichen 2:1 für Ambri.
Tessiner Jubel: Steiner trifft zum zwischenzeitlichen 2:1 für Ambri.Bild: Michela Locatelli/freshfocus

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Die zwei Gesichter des Schlittschuhclubs Bern

Noch vor zwei Jahren hätte der SCB mit den gleichen Spielern diese Partie niemals auch nur vorübergehend aus der Hand gegeben. Schon gar nicht nach einer 1:0-Führung. Weil die Berner mit ihrer Arroganz und Wucht, ihrem Charisma dem Gegner den Schneid und die Zuversicht genommen und die physische und psychische Lufthoheit errungen und nach der Führung dauerhaft behauptet hätten.

Aber wir haben zum Auftakt einen kleinen und einen grossen SCB gesehen. Diese Berner waren lange, lange Zeit verunsichert, kleinmütig, mental zerbrechlich wie ein billiges Plastikspielzeug. Sie liessen sich die Gangart diktieren. Der kleine SCB.

Erst als alles verloren scheint und die Fans schon die Siegeshymne «La Montanara» angestimmt haben, kommt die Wende. 159 Sekunden vor Schluss der Anschlusstreffer zum 3:2, dann ein Rumpelcheck von Chuck Kobasew gegen Inti Pestoni, der die ganze Valascia erschüttert und mit der letzten Aktion des Spieles fällt acht Zehntelssekunden vor Schluss der Ausgleich zum 3:3. Verlängerung. Der grosse SCB.

Während die Ambri-Fans schon «La Montanara» singen, trifft Bern zum späten 3:3.
Während die Ambri-Fans schon «La Montanara» singen, trifft Bern zum späten 3:3.Bild: Michela Locatelli/freshfocus

Die letzte Saison, kompakt in 60 Minuten zusammengefasst

Aber im Penaltyschiessen noch einmal der kleine SCB. Sandro Zurkirchen ist eben der bessere Torhüter mit einer stärkeren Ausstrahlung als Marco Bührer. Er hält die Penaltys von Pascal Berger, Martin Plüss, Marc-André Gragnani und Chuck Kobasew. «La Montanara» wird zum zweiten Mal intoniert.

Eigentlich sind zum Auftakt der Saison noch einmal gedrängt auf 60 Minuten das letztjährige SCB-Drama und die wundersame Ambri-Saga nacherzählt worden. Ein Aussenseiter, der über weite Strecken taktisch besser, leidenschaftlicher, selbstsicherer und wuchtiger spielt. Gegen einen Titanen, der auf physisch tönernen Füssen steht und sich viel zu oft herumschubsen lässt. Willig und mit guten Momenten in denen spielerische Herrlichkeit schön wie Nordlicht aufflackert. Aber auch verunsichert und hektisch und nach wie vor auf der Suche nach seinem verlorenen Selbstvertrauen, seinem erloschenen Charisma, seiner Identität.

Guy Boucher und der Wintermantel …

Das späte SCB-Glück, das Vermeiden der totalen Pleite (wenigstens ein Punkt) hat vielleicht etwas von diesem Selbstvertrauen, diesem Charisma und dieser Identität zurückgebracht. Die Berner können heute Abend im eigenen Tempel mit einem Sieg gegen Biel das nach wie vor fragile Selbstvertrauen festigen.

Verliert der SCB allerdings auch gegen die Seeländer (was wahrlich eine Sensation wäre), dann ist nach der Krise vor der Krise und SCB-Trainer Guy Boucher sollte die Bestellung für seinen Wintermantel stornieren. Um unnötige Kosten zu vermeiden.

SCB-Trainer Guy Boucher: Eine Niederlage gegen Biel und der Saisonstart ist komplett in die Hosen gegangen.
SCB-Trainer Guy Boucher: Eine Niederlage gegen Biel und der Saisonstart ist komplett in die Hosen gegangen.Bild: KEYSTONE
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