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Dave King (70) ist einer der meistrespektierten Persönlichkeiten des kanadischen Hockeys. Er kennt Olympiaselektion. Bereits 1984 führte er das kanadische Olympiateam als Chefcoach und jetzt gehört er zum Coaching Team der Kanadier. In den nächsten zwei Wochen hilft er mit, aus 40 Kandidaten das Olympiateam auszuwählen. Er sagt: «Oft verführt einen der letzte Eindruck zu einer Selektion. Was ein Spieler zuvor geleistet hat, rückt in den Hintergrund.»
Womit wir beim Thema sind. Auch Patrick Fischer macht seine finale olympische Auswahl nach dem Spengler Cup. Mag sein, dass er sein Team längst im Kopf hat und für ihn vor allem zählt, was er bei der WM in Paris gesehen hat. Und doch wird er sich den Eindrücken nicht ganz entziehen können, die er in diesen Tagen beim Spengler Cup gewinnt.
Diese Eindrücke sind «süsses Gift.» Denn die Partie gegen Dinamo Riga hat mit dem olympischen Turnier etwa so viel zu tun wie eine Hochzeitsnacht mit dem Alltag einer Ehe bei chronischem Geldmangel.
Die emmentalische Hardrockband Shakra hatte die Stimmung bei der kurzen Eröffnungsfeier angeheizt. Kaum sind die Instrumente vom Eis geschoben, stürmen die Schweizer herein und anschliessend fegen sie den Gegner im besten Wortsinne vom Eis. Bereits nach 3:39 Minuten steht es 2:0 und der lettische Coach wechselt den Torhüter. Spengler-Cup-Hockey in Reinkultur.
Das Spektakel ist entschieden, bevor es richtig begonnen hat und es gibt nie die geringsten Zweifel, wer diese Partie gewinnen wird. Die Schweizer zelebrieren jenes offensive, dynamische Hockey, das Nationaltrainer Patrick Fischer fordert und das, wenn es denn umgesetzt werden kann wie gestern, zum offensiven Party-Hockey wird. Noch selten in der Neuzeit gab es für unsere Nationalmannschaft so wenig defensiven Widerstand.
Es ist ein historischer Sieg. Die Schweiz hatte an diesem Turnier seit 1964 erst 5 von 38 Partien gewonnen. Den höchsten Sieg gab es 1976 zum Auftakt bei einem 6:3 gegen Japan.
Aber welchen sportlichen Wert können wir diesem Spektakelsieg zumessen? Captain Raphael Diaz sagt, diese Partie gegen ein Klubteam sei anders gewesen als ein normales Länderspiel. «Bei einem Länderspiel wird defensiver gespielt und wir haben weniger Platz.» Es ist dies eben der Unterschied zwischen Spengler-Cup-Hockey und «richtigem» internationalem Hockey. Es ist das süsse spielerische Gift des Spengler Cups.
Unter dem Eindruck dieses Spiels gegen Dinamo Riga ist klar: Luganos Luca Fazzini (22) gehört ins Olympiateam. Er hat das 5:1 erzielt. Sein zweites Tor im dritten Länderspiel. Er tanzt auf den Aussenbahnen und fehlen uns nicht die instinktsicheren Skorer auf den Aussenbahnen? Und er ist auch der beste Schweizer Skorer in der laufenden Meisterschaft.
Aber ist er robust genug (176 cm/81 kg), um sich international durchsetzen zu können? Es scheint so. Er hat es mit dem Tor gegen Dinamo Riga bewiesen. Aber es war Spengler-Cup-Hockey. Weit weg vom defensiv gut strukturierten Defensiv-Hockey, vom puren Resultathockey, das bei internationalen Titelturnieren (WM, Olympia) mehr gearbeitet als gespielt wird.
Auch Zugs offensiver Zauberflügel Lino Martschini (168 cm/66 kg) hat gegen Dinamo Riga getroffen. Aber er ist bei der WM 2016 schon einmal international gewogen und als zu leicht befunden worden. Verführt der Eindruck aus dem Spengler Cup am Ende Patrick Fischer doch noch dazu, Lino Martschini zum zweiten Mal zu einem Titelturnier aufzubieten?
Damien Brunner hat gegen Dinamo Riga auch getroffen. Er hat sich als Flügelstürmer schon oft international bewährt und sich vorübergehend auch in der NHL durchgesetzt. Aber seit seiner Rückkehr aus der NHL im Laufe der Saison 2014/15 haben wir den wahren Damien Brunner nicht mehr gesehen. Er hat sich in einem Vorsaisonspiel verletzt, diese Saison für Lugano erst neun Partien bestritten, steht erst seit gut einem Monat wieder im Training- und Spielbetrieb. Es hat gerade noch gereicht für ein Aufgebot ins Spengler-Cup-Nationalteam. Ist er bald wieder der wahre Damien Brunner? So scheint es. Er hat gegen Dinamo Riga getroffen. Aber eben: Der Spengler-Cup-Eindruck kann täuschen.
Dave King – er war auch Cheftrainer in der NHL und in der KHL – relativiert die Höhe des Sieges der Schweizer: «Nur die besten KHL-Teams könnten tempomässig in der Schweizer Liga mithalten. Das untere Drittel der KHL-Teams ist vom Tempo der Schweizer überfordert.» Dinamo Riga gehört zu den schwächsten KHL-Teams – und war hoffnungslos überfordert.
Aber er macht auch einen interessanten Vergleich. «Die Schweizer waren schon vor 30 Jahren ein unangenehmer Gegner. Aber immer schien es, als wüssten sie tief im Herzen, dass es am Ende gegen uns oder einen anderen Grossen nicht reichen wird. Das ist heute ganz anders. Die Schweizer sind nicht nur viel besser geworden. Sie haben jetzt eine Generation, die keine Angst mehr vor den Grossen hat und weiss, dass sie alles erreichen kann. Mir gefällt dieses offensive, dynamische Hockey der Schweizer und mir gefällt der Stil von Coach Patrick Fischer. Er verkörpert diese neue Generation.»
Dave King macht den Schweizern olympischen Mut: «Diese Mannschaft kann beim olympischen Turnier sehr weit kommen, ja die Schweizer können eine Medaille holen.» Aber eben: Auch er steht unter dem Eindruck des jüngsten Spengler-Cup-Spektakels.
Der Schlüssel zum olympischen Erfolg ist bei der Selektion des Teams und der Wahl der Taktik die richtige Einordnung der Leistungen beim Spengler Cup. Der gestrige begeisternde Spektakelsieg macht diese Einordnung nicht einfacher.