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Hurra, wir steigen nicht ab – aber wahrscheinlich haben wir eine Medaille verschenkt 

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Bild: KEYSTONE
Nach dem Kasachstan-Spiel

Hurra, wir steigen nicht ab – aber wahrscheinlich haben wir eine Medaille verschenkt 

Haben wir mit dem Sieg gegen Kasachstan die Stalltüre erst verriegelt, nachdem die Pferde längst davongaloppiert sind? Wahrscheinlich ist es so.  
18.05.2014, 08:0618.05.2014, 16:34
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Ein verlorener 6:2 (2:0, 2:0, 2:2)-Sieg gegen Kasachstan? Haben wir hier in Minsk am Ende gar eine Medaille verschenkt? Solche Fragen sind durchaus berechtigt. Mit Aufsteiger und jetzt auch Absteiger Kasachstan besiegten wir eine Mannschaft, die sich immerhin gegen Deutschland und die USA in die Verlängerung gerettet hatte und sicherten uns vorzeitig den Klassenerhalt. Aber das kann ja nicht das Ziel unserer grossen Hockeynation sein. 

Wir sollten uns nach oben orientieren. Und wenn wir das tun, dann sehen wir die Leistungssteigerung mit einem lachenden und einem weinenden Auge.  

Mit einem lachenden Auge sehen wir die Differenz zwischen jenen Schweizern, die durch die ersten vier Partien gestolpert waren (0:5 Russland, 3:4 Weissrussland, 2:3 USA, 3:2 Deutschland) und den Schweizern, die gegen Finnland ehrenvoll gepunktet (2:3 n.P) und Kasachstan vom Eis gefegt haben. 

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Wir freuen uns darüber, dass sich unser Nationalteam, wie nie zuvor in diesem Jahrhundert, während eines Turniers aus einer tiefen Krise herausgespielt hat. In der Vergangenheit haben wir bei solchen Pflichtspielen wie gegen Kasachstan ja oft genug versagt. 

Aber mit einem weinenden Auge betrachten wir die Ausgangslage. Auch wenn wir nach wie vor eine theoretische Chance auf die Viertelfinals haben, zeichnet sich ab, dass das Bodigen von Kasachstan letztlich ein verlorener Sieg ist. Dass es auch mit einem Erfolg im letzten Spiel gegen Lettland (Dienstag, 15.45 Uhr, live auf watson.ch) halt doch nicht für die Viertelfinals reichen könnte. Das wäre sehr schade. 

Spiel erinnert wieder an die Silberparty von Stockholm

Denn inzwischen spielen die Schweizer wieder so, als wäre die Silberparty von Stockholm noch im Gange. Im letzten Drittel gegen Finnland und gegen Kasachstan funktionierten Defensivspiel, Powerplay und Boxplay zumindest bis in die letztlich folkloristische Schlussphase der Kasachstan-Partie. 

Reto Berra hielt endlich mehr als 90 Prozent der Schüsse. Roman Josi arbeitete als grandioser Impresario des Offensivspiels mit der Präzision eines eidgenössischen Landvermessers. Die Flügel fegten über die Aussenbahnen wie Derwische. Eine spielerische Herrlichkeit, die wir so zuletzt vor einem Jahr in Stockholm geschaut hatten. 

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Mit verschiedenen Umstellungen – keine Linie hatte gestern die gleiche Zusammensetzung wie in der ersten Partie – hat Nationaltrainer Sean Simpson nun doch noch die richtige Mischung gefunden. 

Luca Cunti, Reto Suri, Dean Kukan, Eric Blum und Andres Ambühl haben ihre ungenügenden Noten aus dem Zwischenzeugnis (nach vier Spielen) nun gegen Finnland und Kasachstan korrigiert. Cunti, Kukan, Ambühl und Blum haben gegen Kasachstan ihr erstes Tor in diesem Turnier erzielt. Ihre Steigerung hat dazu geführt, dass die Mannschaft wieder gutes WM-Niveau erreicht hat. Zuvor hatten lediglich Damien Brunner, Roman Josi, Dominik Schlumpf, Reto Schäppi, Thomas Rüfenacht, Kevin Fiala und Yannick Weber von allem Anfang an ihr bestes Hockey gezeigt. 

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Wahrscheinlich kommt alles zu spät

Aber wahrscheinlich ist alles zu spät. Und selbst wenn es doch noch durch eine wundersame Wendungen für die Viertelfinals reichen sollte: Wir müssen nach dieser WM unbedingt herausfinden, warum es so lange gedauert hat, bis die Mannschaft endlich dazu in der Lage war, ihr bestes Hockey zu spielen. Damit künftig ein solcher Fehlstart vermieden werden kann. 

Gerade die starken Leistungen in den letzten beiden Partien gegen Finnland und Kasachstan haben gezeigt: Spielerisch gehören wir in dieser globalisierten Hockeywelt zu den Grossen. So gesehen hat Minsk 2014 Stockholm 2013 durchaus bestätigt. Wir sind nicht mehr zu langsam, zu klein, zu wenig kräftig oder zu ängstlich.  

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Es braucht keine sportliche Revolution

Nach Minsk braucht es also keine sportliche Revolution. Es darf auch nicht sein, dass diese WM für Intrigen und unsinnige Forderungen missbraucht wird. Was für 2015 ändern muss: Kein Theater um den Nationaltrainer. Wichtig ist nicht, was gut ist für die Verbandsgeneräle. Sondern was gut ist für das Nationalteam. So wie vor 2013. 

Die Bescheidenheit nach dem Scheitern von 2011 und 2012 führt zu jener Trotzreaktion und Solidarisierung mit Sean Simpson, die uns in höchste Höhen getragen hat. Das änderte sich nach der Silber-WM. Zu viele persönliche Eitelkeiten in der aufgeblähten Verbandsadministration haben das Umfeld der Nationalmannschaft gestört. Das ist einer der hausgemachten und deshalb umso ärgerlichen Gründe für den WM-Fehlstart hier in Minsk. 

Der silberne Erfolg hat letztlich Verbandspräsident Marc Furrer, Sportdirektor Ueli Schwarz aber auch Sean Simpson überfordert. Wir haben gelernt, mit Niederlagen zu leben. Aber wir haben noch nicht gelernt, mit grossen Triumphen umzugehen. Das unterscheidet uns nach wie vor von den anderen Grossen.  

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