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Zürich als Hockey-Welthauptstadt. Als grosse Hockeybühne, auf der Dramen und Triumphe geboten werden. Zürich hat uns am 2. Januar einen Hockey-Tag beschert, den es so in keiner anderen wichtigen Liga der Welt gibt.
Einen Querschnitt durch eine der ältesten Hockey-Kulturen Europas in zwei Spielen und sechs Stunden. In zwei Hockey-Tempeln, die zehn Minuten Fahrt mit der Benzinkutsche auseinanderliegen. Die ZSC Lions gegen Lugano im Hallenstadion. Der EHC Kloten gegen den HC Ambri-Piotta im Schluefweg.
1000e match avec les @zsclions pour Mathias Seger cet après-midi! 👏👏👏 pic.twitter.com/NokPftBWfr
— MySports_CH_fr (@MySports_CH_fr) 2. Januar 2018
Der grosse Tag beginnt kurz vor 16.00 Uhr im Hallenstadion mit einer pompösen Pregame Show und der Ehrung für Mathias Seger. Er wird gegen Lugano sein 1000. Spiel für die ZSC Lions bestreiten. Es wird ihm einen Triumph bescheren.
Die Zürcher haben einen neuen Trainer. Hans Kossmann. Einen Hockey-Altrocker. Er debütiert mit den ZSC Lions im gleichen Tempel, in dem schon die Rolling Stones rockten und Ali boxte. Und endlich, endlich, endlich bringt er die ZSC Lions dazu, wie Titanen aufzutreten. Frei nach einem Song der «Scorpions».
Von Hans Wallson zu Hans Kossmann. Aber es ist nicht Hans was Heiri. Wir erleben einen neuen ZSC. Statt in die Breite gezogene spielerische Sinfonien geradlinige, einfache, mitreissende Spielzüge wie die Musik von Status Quo.
Der Sieg (6:1) im ersten Spiel unter neuer Leitung ist an und für sich noch kein Grund, ein neues Zeitalter auszurufen. Lugano haben die Zürcher diese Saison auch schon gebodigt (4:1), als sie noch einer abwegigen skandinavischen Hockey-Irrlehre anhingen.
Doch nun haben die ZSC Lions wieder zum rechten Hockey-Glauben zurückgefunden. «Die Titanen sind zurück», freut sich ein Fan auf der Tribüne.
Es war, als seien in der Plüschtierabteilung eines Warenhauses die Stofflöwen durch richtige Löwen ersetzt worden. Dieses 6:1 war das beste ZSC-Spiel dieser Saison. Durch «Rudelbildungen» zeigen die Zürcher sofort, dass sie sich nichts bieten lassen. Das Spiel geradlinig, die Checks hart, das Forechecking bissig. Die Mischung stimmt.
Die Jungs der nominellen vierten Linie skoren nicht. Aber sie provozieren Strafen und gehen den Gegenspielern unter die Haut. Und die Jungen kommen endlich zum Zuge. Jérôme Bachofner (21) lässt sich sein erstes Tor und seinen ersten Assist in dieser Saison für die ZSC Lions notieren. Ein starkes Lugano hat nie den Hauch einer Chance.
Hinterher sagt Hans Kossmann, er habe gar nicht viel geändert. Nur die Spieler laufen lassen. «Manchmal muss man die Pferde nur rauslassen».
Es ist eben schon so, dass sich die Persönlichkeit des Cheftrainers auf den Stil seiner Mannschaft überträgt. Bisher entsprach der Führungsstil bei den ZSC Lions eher einer Rudolf-Steiner-Schule. Jetzt haben wir wieder einen Hauch von Militärakademie.
Politische Rücksicht braucht Hans Kossmann keine zu nehmen. Er weiss bereits, dass sein Mandat mit Saisonschluss beendet ist. Wir dürfen uns auf «Hans Kossmann unplugged» freuen. Gut möglich, dass Mathias Seger (40) in ein paar Monaten sagen wird, er habe noch nie unter einem so harten Hund trainiert und gespielt.
Die ZSC Lions gegen Lugano ist auch die Auseinandersetzung der Teams mit den reichsten Besitzern. Walter Frey (ZSC) und Vicky Mantegazza (Lugano) bringen es zusammen auf gut und gerne fünf Milliarden.
Die «Pregame Show» im Hallenstadion kostet wahrscheinlich mehr als in Kloten das Jahressalär des Trainers. Ein bombastisches, lautes Schauspiel. Der Hockeytempel in Dunkelheit getaucht. Lichtspiele auf dem Eis. Löwengebrüll über die Soundanlage.
Aber erst jetzt, an diesem grossen Tag, passt alles zusammen. Show und Wesen und Wirken der ZSC Lions. Vorher passte gar nichts. Vor den Auftritten der ZSC Lions unter dem schwedischen Cheftrainer wäre Panflöte, begleitet von einem Blues-Gitarristen, passend gewesen.
Nach dem Spiel wird dem Chronisten noch einmal bewusst, welche Macht eigentlich hinter den ZSC Lions steht. Vom Gratisparkplatz der Gäste und Medienschaffenden rollen auch Bonzen in Benzen. Das ist das Zürich, das allen Klischees entspricht. Reich, mächtig, laut, protzig.
Eine Viertelstunde später treten wir ein in eine andere Welt. Der Parkplatz ist nicht mehr gratis und nicht einmal halb so gross. Die Parkuhr ist zu füttern. Keine Bonzen und Benzen.
Der Weg ins Stadion führt an Wohnblocks vorbei und dem Wald entlang. In den Gängen des Stadions weniger teure Menschen, weniger teure Handtaschen, weniger teures Tuch. Pregame Show? Bescheiden. Die Spieler laufen zwischen Fackeln in die Arena. Die Armen lernen eben auch ohne Musik zu tanzen.
EHC Kloten gegen den HC Ambri-Piotta. Es sind wahrscheinlich die ärmsten Teams der Liga. Die Präsidenten sind zwar auch Männer mit abgeschlossener Vermögensverwaltung. Aber Hans-Ulrich Lehmann (Kloten) und Filippo Lombardi (Ambri) bringen es zusammen bei weitem nicht auf eine halbe Milliarde.
Der Tabellenletzte Kloten verliert gegen den Zweitletzten Ambri 1:2 nach Penaltys. Nichts rockt und nichts rollt. Eher Blues und ein wenig Walzer. Trainer Kevin Schläpfer wird hinterher sagen, es sei eine miserable Vorstellung gewesen. Ein «Fondue-chinoise-Spiel». Die Intensität nicht halb so hoch wie zuvor im Hallenstadion.
Immerhin gibt es auch eine Premiere. Kloten tritt zum ersten Mal in dieser Saison mit vier ausländischen Spielern an. Und es ist der neue Ausländer Spencer Abbott, der Kanadier mit den feinen Händen, der die Klotener vor einer punktelosen Niederlage bewahrt. Ihm gelingt wenigstens der Ausgleich zum 1:1 und damit die Rettung bis ins verlorene Penalty-Schiessen. Roman Schlagenhauf, Vincent Praplan, Spencer Abbott, Denis Hollenstein und Steve Kellenberger vergeben alle fünf Penaltys.
Ein Tor in 65 Minuten. Kein Tor im Penaltyschiessen. Wo waren eigentlich die Spengler-Cup- und Nationalmannschaftshelden Vincent Praplan und Denis Hollenstein? Waren sie müde oder halt nicht mehr motiviert? Beide werden Ende Saison sowieso gehen.
Im Hallenstadion ist nach dem grossen ersten Auftritt unter Hans Kossmann die Hoffnung zurück, dass es vielleicht doch möglich sein wird, Meister Bern in den Playoffs herauszufordern. In Kloten reift nach der 11. Niederlage in den letzten 13 Spielen und 13 Punkten Rückstand auf den rettenden 10. Platz die Einsicht, dass der Gang in die Playouts nicht mehr zu vermeiden ist. Dort wird der Gegner voraussichtlich Ambri sein. Und jede Niederlage gegen Ambri frisst ein Stück Zuversicht.
Am Ende des grossen Zürcher Hockeytages wird gegen 22.00 Uhr die schönste Siegeshymne der Welt zelebriert. Ambris Anhänger singen «La Montanara». Das Lied der Berge von Toni Ortelli. Mit einem wunderbaren Refrain:
Während die letzten Töne verklingen, ist der Tag für Trainer Kevin Schläpfer noch lange nicht zu Ende. Danny McCann und sein Sohn Derek aus Montréal sind da und warten im Kabinengang. Zwei erfahrene Spieleragenten, die noch Sinn für ein wenig Hockey-Romantik haben. Nicht so geschniegelt, geschnagelt und geschmeidig wie die modernen Hockey-Geschäftemacher. Es scheint, als ob sie mit Kevin Schläpfer ein wenig Mitleid haben.
Kevin Schläpfer ist ja inzwischen in Kloten der Mann für alles. Trainieren, Coachen, Motivieren, Trösten und Transferieren. Danny und Derek McCann vertreten zwar auch Superstars wie Berns Andrew Ebbett.
Aber sie haben auch immer wieder mal ein Angebot vom Transfer-Wühltisch. Beispielsweise Torhüter Kevin Poulin, Kanadas Spengler-Cup-Helden aus Montréal. Weil Luca Boltshauser Ende Saison geht und Niklas Schlegel nicht kommen mag, wird Kevin Schläpfer nächste Saison wohl einen ausländischen Goalie benötigen. Sollte aber Kevin Poulin beim olympischen Turnier hexen, wird er für Kloten zu teuer.
Der Fremde mag nun denken: Was für Gegensätze zwischen den ZSC Lions und dem EHC Kloten! Er sollte sich nicht täuschen. Die Hockeygeschichte hat uns nämlich über die Jahre immer und immer wieder etwas gelehrt: Wenn wir nur lange genug an seiner Oberfläche kratzen, kommen bei jedem Hockey-Zürcher Gottfried Keller und Seldwyla hervor. Sei er für Kloten oder die ZSC Lions, komme er aus Oerlikon oder dem Glattal, fahre er Ferrari oder Fahrrad.
Ach, Züribiet, du Hockey-Land der Hoffnung und der Dramen.