Wer ist Lausannes neuer Cheftrainer Yves Sarault? Dazu zwei Episoden und eine Statistik.
Zu den Zahlen: Er verbrachte als Stürmer und Leitwolf während vier von fünf Saisons in der Schweiz (2003 bis 2008) mehr als 100 Strafminuten auf der Strafbank.
Zu den Episoden: Er kam 2003 nach Bern und war Vorkämpfer des Meisterteams von 2004. Box-Schweizer-Meister Sascha Müller, damals Titelhalter im Halbschwergewicht der Amateure und Masseur beim SC Bern sagte, mit Yves Sarault möchte er nicht in den Ring steigen.
Inzwischen hat Yves Sarault seine Spielerkarriere längst beendet. 2014 ist er als Cheftrainer der Elite-Junioren und als Assistent der ersten Mannschaft nach Lausanne gekommen. Kürzlich erzählte Stéphane Rochette, bis und mit letzter Saison Assistent bei Lausannes Elitejunioren, jetzt TV-Kommentator bei «MySports»: «Wir spielten mit unseren Elitejunioren im Frühjahr 2016 das Halbfinale gegen den SCB. Der Masseur der Berner hat sich bei mir über unsere harte Gangart beklagt. Er habe nach Spielen gegen uns immer so viel Arbeit, weil es so viele blaue Flecken gebe.»
Lausannes neuer Bandengeneral war als Spieler das, was die Nordamerikaner «Warrior» nennen – einen «Krieger». Elf Jahre lang hat er die Knochen in der NHL (111 Spiele, 10 Tore) und den Farmteams (533 Spiele, 161 Tore) hingehalten. Nie ein Star. Einfach ein harter Kerl, der jeden Abend alles gegeben und, darauf ist er stolz, nie einen Faustkampf in der NHL verloren hat. Am 7. Februar 2001 nicht einmal gegen Shayne Corson.
Nun ist der «Krieger» in Lausanne vom Assistenten zum Cheftrainer befördert worden. Endlich hat er im grossen helvetischen Hockey-Theater wieder eine Hauptrolle.
Wahrlich, ein weiterer spektakulärer Stilwechsel in Lausanne. Der freundliche Philosoph Gerd Zenhäusern, der nur ausnahmsweise tobte, hat die Mannschaft im Frühjahr 2013 in die NLA zurückgeführt. Er bekam auch als Aufstiegstrainer keinen Vertrag und heute ist er Nachwuchschef bei Gottéron.
Dann hat der grosse, grantige Taktiklehrer Heinz Ehlers in Lausanne die taktischen Geleise gelegt und ist darauf in drei Jahren zweimal in die Playoffs gerollt und im Viertelfinale erst im 7. Spiel gescheitert. Auf diesem Schienenstrang brauste der charismatische Rechtsanwalt Dan Ratushny letzte Saison mit kreativem Champagner-Hockey in die Spitzengruppe der Liga (4.) – und soeben ist er gefeuert worden. Mit der stürmischen letzten Saison hat er Grössenwahn und viel zu hohe Erwartungen geschürt. Die konnte er nicht mehr erfüllen. Und nun also der «Feuerkopf» Yves Sarault.
Werden wir in Lausanne nun die «big bad Lions» sehen? Nach taktischem Schachspiel, offensivem Spektakel nun Rumpelhockey?
So wird es wohl vorerst nicht sein. Und doch ist die Beförderung von Yves Sarault ein Signal, das uns etwas über das welsche Hockey sagt. Es ist sogar eine Warnung: Es kann durchaus sein, dass sich die Deutschschweizer bald einmal über die Härte der Welschen beklagen.
Stéphane Rochette erzählt: «Diese Zeiten sind ja schon da. Nicht nur der SCB-Masseur jammerte letzte Saison über unsere harte Spielweise. Auch in Zug oder Davos wurde über die Härte unserer Elitejunioren geklagt. Die Zeit der weichen Welschen ist vorbei. Yves Sarault war als Ausbildner für Lausanne Gold wert.»
Gerd Zenhäusern ergänzt: «Chris McSorley hat das nordamerikanische Hockey nach Genf gebracht. Sein Beispiel hat auf die ganze Westschweiz ausgestrahlt und das Hockey verändert. Was Chris McSorley in Genf, das ist in der Nachwuchsarbeit Yves Sarault in Lausanne. Er hat dort dieses nordamerikanische Element in die Nachwuchsausbildung eingebracht.»
Und nun ist dieser Yves Sarault Cheftrainer in Lausanne. Vielleicht nur für ein paar Spiele, vielleicht bis Ende Saison, wahrscheinlich nicht lange genug, um der nächste Chris McSorley zu werden. Sicher ist nur: Er wird die Unterhaltungskultur der Liga bereichern.
Die Beförderung von Yves Sarault ist ein Zeichen für den Umbruch im welschen Hockey. Ein Umbruch, der inzwischen das Management in Lausanne und Genf sportlich überfordert und in beide Richtungen führen kann – in den sportlichen Abgrund oder weiter nach oben. Getreu dem welschen Sprichwort «Reculer pour mieux sauter» («ein paar Schritte zurück um weiter springen zu können»).
In Genf und in Lausanne sind in den letzten Jahren vielversprechende Nachwuchsabteilungen aufgebaut worden und in Lausanne entsteht eine neue Arena. Aber am Ende des Tages entscheiden Erfolg und Ausstrahlung der ersten Mannschaft über den Erfolg eines Hockeyunternehmens.
Lausanne hat mit Yves Sarault immerhin einen neuen, rauen, charismatischen Leitwolf. Servette taumelt hingegen nach der Entmachtung von Chris McSorley mit dem heillos überforderten Craig Woodcroft als Hockey-Zirkus führungslos in eine tiefe sportliche Krise. Gestern war in Genf Krisen-Palaver statt Training und der Trainer ist noch im Amt geblieben. Nach der nächsten Krisensitzung wird er gefeuert. Trotz Dreijahresvertrag.