Diese Wende hätte niemand erfinden können. Slapstick in höchster Kunstform. Slapstick ist eine durch körperbezogene Aktion hervorgerufene Komik, die ohne Worte auskommt. Und genau das war es.
42 Minuten lang spielt Kloten das taktisch perfekte Defensivhockey. Die grosse, mächtige Hockeymaschine der ZSC Lions wird kontrolliert. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die ZSC Lions in Klotens Verteidigungszone nur zweimal eine Überzahlsituation herausgespielt.
Sie können Torhüter Jonas Müller keine Chance geben, einen Fehler zu begehen. Es steht 2:0 und nun bekommen die Klotener in der 43. Minute das erste Powerplay der Partie. Eine grosse Chance zum 3:0 oder doch wenigstens um zwei weitere Minuten näher zum Ziel zu kommen.
Dieses Powerplay ist das Ende für die Kloten Flyers. Torhüter Jonas Müller kassiert einen Treffer, so haltbar, dass es nur eine Definition gibt: Slapstick. Klotens Selbstvertrauen bricht schneller zusammen als ein Kartenhaus im Föhnsturm. 30 Sekunden später, wieder haltbar, das 2:2. Und 82 Sekunden später, erneut haltbar, das 2:3. Aus. Vorbei. Wir können ohne jede Boshaftigkeit behaupten: Mit der schönen Florence Schelling im Kasten hätten die Kloten Flyers diese Partie locker gewonnen.
Nach dem Spiel wird aus Slapstick, der Komödienform, die ohne Worte auskommt, Slapstick mit Worten. Sean Simpson bricht den Burgfrieden. In der Krise achten Hockeyunternehmen sorgsam darauf, dass der innere Friede nicht durch gegenseitige Schuldzuweisungen gefährdet und Polemik entfacht wird. Daran hält sich Klotens neuer Trainer nun nicht mehr.
Er erklärt, dabei zweimal das legendäre Vier-Buchstaben-Wort einstreuend, was der Grund für die erneute Niederlage ist: Fehlende Kondition. «Ich habe zu viele Spieler die für Profisportler in einer ungenügenden physischen Verfassung sind.»
Auf die Nachfrage, ob das bedeute, dass das Sommertraining ungenügend gewesen sei, sagt er: «Ja und im nächsten Sommer, wenn ich verantwortlich bin, wird es anders sein.»
Sein Vorgänger Felix Hollenstein ein Hallodri, der zur konditionellen Verfassung seiner Jungs nicht Sorge getragen hat? Grillieren statt trainieren im Sommer nach dem verlorenen Playoff-Finale 2014?
Griff zum Hosentelefon und sofort Anruf bei Sean Simpsons Vorgänger. Der Vorwurf irritiert Felix Hollenstein. Aber er verliert die Gelassenheit nicht. Er sagt, für das Sommertraining sei Fredy Rothen verantwortlich gewesen, und so viel er sich erinnere seien die Testwerte sehr gut gewesen. Mehr wolle er dazu nicht sagen.
An der Kondition lag der Zusammenbruch im Schlussdrittel wohl auch. Sean Simpson sagt: «Die ZSC Lions sind eine sehr gut ausbalancierte Mannschaft mit vielen grossen und kräftigen Spielern. Da können wir nur mit Tempo dagegen halten. Um dieses Tempo durchzuziehen fehlte uns die Kraft.» Wenn die Kondition so zentral ist, dann wird es nun ein Wettlauf gegen die Zeit.
Gelingt es ihm, den Mangel noch rechtzeitig zu beheben? Das ist schwierig. Trainiert er zu hart, verlieren die Jungs Energie. Es ist wie beim Festhalten eines Vogels. Drückt man mit der Hand zu stark zu, stirbt der Vogel. Hält man die Hand zu locker, fliegt er davon.
Wir können es uns aber auch einfacher machen. Dieses Spiel hat Torhüter Jonas Müller verloren. Selbst mit miserabler Kondition wäre ein Sieg möglich gewesen. Sean Simpson sagt zur Frage des Torhüters lakonisch: «Es ist, wie es ist.» Man habe daran gedacht, den arbeitslosen David Aebischer zu engagieren.
Aber dann habe Jonas Müller zwei gute Partien gespielt und man habe beschlossen, ihm bis zur Ankunft von Janick Schwendener zu vertrauen. So müssen die Klotener am Dienstag in Zürich und am Freitag gegen Servette noch auf Jonas Müller vertrauen. Dann kommt Spengler Cup-Sieger Janick Schwendener.
Sean Simpson hat als «Zigarren-General» Weltruf. Will heissen: Er ist ein genialer Bandenstratege bei Spielen um Zigarrenrauch. Also wenn es darum geht, etwas zu gewinnen und dann die Siegeszigarren zu schmauchen. Er holte Titel mit Zug, mit München. Er gewann mit den ZSC Lions die Champions Hockey League und gegen das NHL-Team Chicago den Victorias Cup. Und als Krönung führte er die Schweiz 2013 ins WM-Finale.
Aber Sean Simpson war noch nie einer, der eine Mannschaft während der Saison übernommen und die Wende geschafft hat. Dafür ist Biels Kevin Schläpfer legendär, sein Gegner im Kampf um den letzten Playoffplatz. Ist Sean Simpson mehr als «nur» ein «Zigarren-General»? Wenn ja, schafften die Kloten Flyers doch noch die Playoffs. Wenn nicht, rettet Biel seinen Vorsprung von sechs Punkten ins Ziel.