Sport
Eismeister Zaugg

Kein Trainerwechsel – Kloten verneigt sich vielmehr vor Kevin Schläpfer

EHC Kloten Cheftrainer Kevin Schlaepfer freut sich ueber den Siegestreffer zum 3-1 im zweiten Eishockey Spiel des Playout-Final der National League zwischen dem EHC Kloten und dem HC Ambri-Piotta am D ...
Kevin Schläpfer mit Herz im Einsatz.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Kein Trainerwechsel – Kloten verneigt sich vielmehr vor Kevin Schläpfer

Kloten ist inzwischen noch eine Niederlage von der Liga-Qualifikation entfernt und steckt in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Aber nun zeigt sich: sollte der EHC Kloten untergehen, dann zumindest mit Stil – und nicht mit Felix Hollenstein als Nachfolger von Kevin Schläpfer.
04.04.2018, 03:5804.04.2018, 06:13
Folge mir
Mehr «Sport»

Klotens Trainer Kevin Schläpfer (48) dürfte eigentlich gar nicht mehr im Amt sein. Das stolze Schiff des EHC Kloten, das seit 56 Jahren durch die Wellen der höchsten Liga dampft, steht vor dem Untergang. Der Maschinenraum steht bereits unter Wasser.

Wollen die Zürcher die Liga-Qualifikation vermeiden, dann müssen sie jetzt dreimal hintereinander gegen Ambri gewinnen. Seit Kevin Schläpfer Cheftrainer geworden ist, hat er nie dreimal hintereinander gewonnen und zehn von elf Partien gegen Ambri verloren.

Nach der dritten Niederlage gegen Ambri am Ostermontag schien deshalb klar: Nun ist es vorbei. Wenn Kloten die Wende doch noch herbeiführen will, dann muss der Trainer ausgewechselt werden.

Doch Kevin Schläpfer bleibt im Amt. Aber wenn er zu Hause in seinem schönen Eigenheim am Sonnenhang in allerbester Lage in Sissach im Beisein seiner Freundin über die Situation nachdenkt, dann müsste er eigentlich trotzdem depressiv werden. Nicht nur wegen der Krise in Kloten.

Von einer Misere in die nächste

Die Dramatik seiner Karriere hat Hollywood-Potenzial. Vor zweieinhalb Jahren hat er den Traumjob als Nationaltrainer nicht angenommen, um in Biel zu bleiben. So ist Patrick Fischer Nationaltrainer geworden. Im Vergleich zu Kevin Schläpfer und dessen Erfahrung und Erfolgsbilanz schon nicht ganz, aber fast eine «Nullnummer».

In Biel ist Kevin Schläpfer kurz darauf gefeuert worden. Trotz Status als «Hockey-Gott». Trotz aller Verdienste. Und ausgerechnet jetzt, da er um seine berufliche Existenz kämpft, feiert dieses Biel im Halbfinale gegen Lugano die tollsten Tage seit dem Wiederaufstieg von 2008. «Sein» Biel, das er über zehn Jahre lang an vorderster Front als Sportchef und Trainer aufgebaut hat.

Klotens Head Coach Kevin Schlaepfer, waehrend dem Meisterschaftsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem EHC Kloten, am Freitag 19. Januar 2018 in der Ilfishalle in Langnau. (KEYSTON ...
Kevin Schläpfer feuert sein Team an.Bild: KEYSTONE

Doch Kevin Schläpfer ist weder depressiv noch mutlos. Mag sein, dass er nicht mehr so charismatisch wirkt wie in seinen besten Tagen am Fusse der blauen Jura-Berge. Aber er strahlt jetzt etwas Unverwüstliches, Trotziges aus. Wie ein Kater, der nach einem Hagelwetter zerzaust an der Haustüre kratzt und selbstbewusst Einlass begehrt.

Es hat in der modernen Geschichte unseres Hockeys mit ziemlicher Sicherheit noch keinen Trainer gegeben – und in der Privatwirtschaft wohl keinen Manager und in der Politik keinen Würdenträger – der in einer so heiklen, beinahe aussichtslosen Lage so zuversichtlich und locker geblieben ist.

Bei Kevin Schläpfer gibt es kein «normalerweise»

Normalerweise sind Trainer (und Führungskräfte und Politiker) in der tiefen Krise für Chronistinnen und Chronisten nicht mehr oder nur im Rahmen von offiziellen Medienkonferenzen ansprechbar.

Bei Kevin Schläpfer gibt es kein «normalerweise». Er war im Erfolg anders. Und er ist es auch im Misserfolg. Er ist offen und zugänglich wie eh und je. «Es hilft mir, dass ich so kritische Situationen schon erlebt habe», sagt er. «Wir lagen in Biel in einer Liga-Qualifikation 0:2 zurück und haben uns gerettet.»

«Es hilft mir, dass ich so kritische Situationen schon erlebt habe.»
Kevin Schläpfer

Wenn er sagt, die Rettung in Kloten sei möglich, so ist das nicht einfach dahergeredet. Er hat als Nottrainer eine solche Rettung in Biel zweimal an vorderster Trainerfront organisiert. Aber Kloten ist nicht Biel. «Das stimmt» sagt Kevin Schläpfer. «Wir sind mit Biel aufgestiegen und allen in unserer Organisation war in den ersten Jahren stets bewusst, dass wir um den Ligaerhalt spielen müssen.» In Kloten sei es anders. Hier fehle dieses Bewusstsein.

Und tatsächlich ist Kloten im Laufe seiner ruhmreichen Geschichte seit 1934 nie in so akute Abstiegsgefahr geraten wie im Frühjahr 2018.

Und was macht also den Unterschied zwischen Kloten und Biel? «In Biel war es auch in den schwierigsten Zeiten ruhig.» Und in Kloten? «Also hier ist es schon unruhiger.» Sagt er, hält inne, denkt kurz nach und stellt erleichtert fest: «Aber wenn Sie so fragen, muss ich sagen: jetzt ist es auch bei uns ruhig. Eigentlich erstaunlich…» Kevin Schläpfer wertet das als positives Signal. Als Zeichen, dass vielleicht nun doch alle begriffen haben, wie schwierig die Situation ist.

Diese Ruhe ist in der Tat bemerkenswert. Nach der dritten Niederlage gegen Ambri (2:3 n.V) am Ostermontag schien klar: nun passiert etwas. Die gängige Lehrmeinung: Wenn Kloten die Wende herbeiführen will, dann muss der Trainer jetzt entlassen werden. Mit Felix Hollenstein und André Rötheli stehen zwei Legenden bereits als Juniorentrainer beim Klub in Lohn und Brot. Beide helfen Kevin Schläpfer bereits als Spielbeobachter und Video-Zuschneider. Sie sind mit der Situation vertraut und können übernehmen.

Wäre Felix Hollenstein der bessere Trainer?

Niemand ist für das Amt eines Nottrainers (und Schläpfer-Nachfolgers) besser geeignet und qualifiziert als Felix Hollenstein (52) – Klotens charismatischste, grösste Persönlichkeit. Captain bei vier Meisterteams. Später jahrelang Trainer und Assistenztrainer und beim letzten Finale, während der letzten Tage des Ruhmes im Frühjahr 2014 als Cheftrainer an der Bande.

ZUR AUFLOESUNG DES VERTRAGS MIT DEM SCHWEIZER EISHOCKEY NATIONALTRAINER GLEN HANLON UND ZUR INTERIMS-NACHFOLGE VON FELIX HOLLENSTEIN STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Felix Holle ...
Felix Hollenstein.Bild: KEYSTONE

Doch Felix Hollenstein wird nicht Trainer. Kevin Schläpfer bleibt und Hollenstein sagt, er wisse wohl, dass man ihm nachsage, er destabilisiere den Trainer. Solche Gerüchte empfindet er als Angriff auf seine Integrität.

Den Sinn für Humor hat er trotz allem auch in diesen schwierigen Zeiten nicht verloren. Er sagt: «Meine Motorsäge ist scharf geschliffen und ich werde sie in den nächsten Tagen einsetzen. Aber nicht so wie Sie denken um Kevin Schläpfer abzusägen. Ich habe ein Stück Wald und wegen Sturmschäden habe ich dort noch viel Arbeit. Eine gute Abwechslung zum Hockeyalltag.»

Hollenstein verneigt sich vor Schläpfer

Aber jetzt Hand aufs Herz: im Falle eines Falles – sagen wir bei einem Sturz in die Liga-Qualifikation – würde er schon als Trainer einspringen. Oder? «Nein, das werde ich nicht tun. Unter keinen Umständen. Aber ich helfen, wo ich nur kann. Ich habe mich auch nach dem letzten Spiel gegen Ambri mit Kevin unterhalten und wir haben darüber gesprochen, was die Situation verbessern könnte.»

«Wenn mich Kevin Schläpfer bitten würde, ihn an der Bande zu unterstützen, dann würde ich es tun.»
Felix Hollenstein

Und dann bringt Felix Hollenstein eine interessante Variante ins Spiel. «Wenn mich Kevin Schläpfer bitten würde, ihn an der Bande zu unterstützen, dann würde ich es tun. Ich weiss zwar nicht, ob zwei Alphatiere wie Kevin und ich funktionieren. Aber wenn er als Cheftrainer meine Hilfe wünscht, werde ich nicht nein sagen.»

Also keine Kritik an Kevin Schläpfer. Vielmehr die Bereitschaft, ihm zu helfen. Klotens «Hockeygott» verneigt sich vor Kevin Schläpfer und wäre bereit, vom Thron herabzusteigen und sich in dessen Dienst zu stellen. Wahre Sportromantik und Männer-Kameradschaft. 

Die Helden Kevin und Felix als Schicksalsgemeinschaft auf der Kommandobrücke, wenn Kloten nach 56 Jahren in der höchsten Liga untergeht – zumindest wäre dieses Spektakel im Falle eines Falles selbst einer Schluss-Szene im Film «Titanic» würdig. Mit Blick nach Westen, in die über dem Flughafen untergehende Sonne. Sollte Kloten untergehen, dann wenigstens mit Stil.

Der 1000er-Klub des Schweizer Eishockeys

1 / 20
Der 1000er-Klub des Schweizer Eishockeys
Bislang 17 Eishockeyspieler (Stand: 6.10.2023) schafften es auf 1000 oder mehr Spiele in der höchsten Schweizer Spielklasse. Das sind sie:
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
21 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mänu Renfer
04.04.2018 06:47registriert Januar 2016
scheinbar liebäugelt lehmann mit budgetkürzung im B
1046
Melden
Zum Kommentar
avatar
FloRyan
04.04.2018 08:08registriert August 2015
Jedem Trainer wird kurz vor der Entlassung immer das Vertrauen ausgesprochen.
Jede wette dass er in in Spiel 3 gegen den B Meister nicht mehr an der Bande steht.
624
Melden
Zum Kommentar
avatar
bullygoal45
04.04.2018 07:54registriert November 2016
Ich weiss das Rappi/Olten von dem ganzen Theater profitiert und ich eine gewisse Brille auf hab..

..aber so schön diese Statements auch klingen, hab ich das Gefühl das führt in einen „geplanten Abstieg“..😬
619
Melden
Zum Kommentar
21
Schweizer beim härtesten Ultra-Marathon der Welt: «Der Spirit dort ist unglaublich»
Nur schon das Anmeldeprozedere ist eine Herausforderung. Was ihn im Frozen Head State Park in Tennessee erwartet, wusste Marco Jaeggi bis zu seiner Ankunft nicht. watson hat mit ihm über seine Erfahrung beim Barkley Marathon gesprochen.

Der Barkley 100 gilt als einer der härtesten Läufe der Welt. In diesem Jahr schaffte zum ersten Mal eine Frau den über 160 Kilometer langen Ultra-Marathon durch die Wälder des US-Bundesstaats Tennessee. Jasmin Paris war zudem die erst 20. Person überhaupt, die den Barkley 100 innert der vorgegebenen 60 Stunden abschliessen konnte. Mit dem Berner Marco Jaeggi gehörte auch ein Schweizer zu den 40 Teilnehmern. watson hat mit dem Sport- und Mentaltrainer über die Erfahrung bei dem etwas schrägen Event gesprochen.

Zur Story