Im Fussball verdienen die Klubs Millionen mit dem Erlös aus Spielertransfers. Im Eishockey ist mit dem Wechsel eines Spielers in die NHL weiterhin nicht ein einziger Rappen zu verdienen. Der Grund: Die Schweiz hat neben Russland als einzige wichtige Hockeynation auch nach der WM 2018 weiterhin keinen Transfer-Vertrag mit der NHL. Finnland, Schweden und Tschechien haben seit Jahren dieses Abkommen. Es braucht diese Vereinbarung, weil die NHL nicht dem Internationalen Eishockey-Verband (IIHF) angehört.
Zentraler Punkt des Transfervertrages: Die 31 NHL-Teams haben das Recht, zu jedem Zeitpunkt jeden Spieler aus den betreffenden Ländern zu verpflichten. Also auch solche mit weiterlaufenden Verträgen. Im Gegenzug überweisen sie dem Klub pro Transfer 250'000 Dollar.
Der Manager des SC Bern, Marc Lüthi, erklärt, warum die Schweiz weiterhin kein solches Transferabkommen mit der wichtigsten Liga der Welt abschliessen wird. «Wenn die NHL-Klubs jeden unserer Spieler bis zum 1. Juli verpflichten können, dann haben wir keine Planungssicherheit. Hätten wir dieses Transferabkommen, dann würde Lugano nach dieser WM mit ziemlicher Sicherheit Elvis Merzlikins verlieren und wir müssten in Bern damit rechnen, dass Leonardo Genoni oder Tristan Scherwey nach dieser WM eine Offerte bekommen.»
In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen: Ein Spieler, der nicht gedrafted worden und dem Draft-Alter entwachsen ist, gilt als Rolex auf dem Transferwühltisch. Stark vereinfacht gesagt: Ein Spieler, der im Draft übergangen worden und älter als 23 Jahre ist, kann von jedem beliebigen NHL-Team verpflichtet werden – ohne dass dafür ein Draft-Recht geopfert werden muss. Was beispielsweise bei Genoni oder Scherwey der Fall wäre.
Die Schweizer sind nach der ruhmreichen WM 2018 erst recht begehrte Spieler geworden. Der «Hockey-Rassismus», die Vorbehalte der NHL-Macher gegenüber Schweizern, ist spätestens nach dieser Saison, nach dem Nummer-1-Draft von Nico Hischier, dessen erfolgreicher erster Saison in New Jersey und nach der WM 2018 Geschichte.
Marc Lüthi macht auf eine Differenz zwischen den anderen grossen Hockey-Nationen und der Schweiz aufmerksam. «Wir haben einfach nicht genügend Spieler, um ungeplante Abgänge per 1. Juli zu kompensieren. Wenn uns die NHL plötzlich Genoni ausspannen würde, dann könnten wir im Titelkampf schon das Handtuch werfen. Wir würden in der Schweiz keinen Ersatz finden.» Zum Vergleich: Finnland hat 76'000, Schweden 63'000 und Tschechien 113'000 lizenzierte Spieler. Die Schweiz hat 26'000 – und eine höchste Liga, die vom Umfang her mit jenen in Finnland, Schweden und Tschechien vergleichbar ist.
Schweizer Spieler können nur bei auslaufendem Vertrag oder bei einer NHL-Freigabeklausel in die NHL wechseln. Chris DiDomenico hätte beispielsweise im Februar 2017 nicht nach Ottawa wechseln können, wenn die SCL Tigers ihm die Freigabe verweigert hätten. Lüthi sagt, das gebe eine gewisse Stabilität. «Jeder Sportchef ist selber dafür verantwortlich, wenn er im Vertrag eine NHL-Freigabeklausel gewährt.» Der Grundsatz gilt also: Lieber hin und wieder auf 250'000 Dollar aus einem Transfer verzichten, als täglich um den Abgang der Schlüsselspieler zittern zu müssen.
Die NHL-Teams respektieren die Verträge mit europäischen Klubs und verpflichten nie einen Spieler, der vertraglich noch an seinen Klub gebunden ist. Entweder steht ein Spieler nicht mehr unter Vertrag oder er besitzt die Freigabe des Klubs. Was auch heisst: Gegen den Willen des HC Lugano kann Goalie Elvis Merzlikins nicht in die NHL wechseln.