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Die vergebliche Suche nach ein bisschen Cup-Romantik 

Burgdorf gegen Olten: Wirkliche Cup-Stimmung kommt beim von der Papierform her ausgeglichensten Spiel nicht auf.
Burgdorf gegen Olten: Wirkliche Cup-Stimmung kommt beim von der Papierform her ausgeglichensten Spiel nicht auf.Bild: KEYSTONE
Weder Tradition noch Kultur

Die vergebliche Suche nach ein bisschen Cup-Romantik 

Nicht einmal die theoretisch knappste Partie im Eishockey-Cup war spannend. Olten besiegte Burgdorf 9:1. Damit die erste Runde ein bisschen aufregend wird, braucht es eine neue Formel. 
02.10.2014, 07:4402.10.2014, 11:31
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Stell Dir vor, es ist Cup und niemand merkt es. So lässt sich die von der Ausgangslage her spannendste Cup-Partie der ersten Runde auf einen Nenner bringen. Das unbesiegte 1. Liga-Spitzenteam Burgdorf gegen das NLB-Schlusslicht Olten. Das Amateurhockey und die Profiliga NLB berühren sich sozusagen.

Trotzdem: Weiterkommen in der ersten Runde ist für Oltens Dino Stecher (50) gegen den Erstligisten EHC Burgdorf selbstverständlich. Nach Basels Konkurs ist er als Trainer arbeitslos geworden. In Olten hat er nun einen 50-Prozent-Job als Assistent von Cheftrainer Scott Beattie (46) bekommen. Die anderen 50 Prozent des Lohns zahlt weiterhin die Arbeitslosenkasse. 

Eines der knappsten Spiele: Bellinzona – Ambri 2:3.
Eines der knappsten Spiele: Bellinzona – Ambri 2:3.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

«Du stehst angespannt an der Bande und beim Gegner drüben haben sie einfach Spass»

Jetzt ist er mit den Oltnern also nach Burgdorf gereist. Dino Stecher mag solche Spiele ganz und gar nicht. Der ganze Druck auf dem eigenen Team und ein Gegner, der rein nichts zu verlieren hat. «Du stehst angespannt an der Bande und beim Gegner drüben haben sie einfach Spass.» Auch Oltens neuer Sportchef, Langnau-Ruinierer Köbi Kölliker, ist irgendwie nervös und zitiert seinen Assistenz-Trainer noch vor dem Spiel zu einem Vieraugen-Gespräch.  

Olten ist nie in Gefahr. Bereits beim ersten Abschlussversuch zwickt der Kanadier Shayne Wiebe die Scheibe unhaltbar hoch ins Netz zum 1:0 (5. Min.). Aber acht Sekunden nach der ersten Pause haben die Oltner das Tagesziel trotzdem verfehlt. Dino Stecher hat nämlich vor dem Spiel kategorisch erklärt: «Gegen einen Erstligisten dürfen wir einfach kein Tor kassieren. Hier müssen wir zu null gewinnen.» Er selber habe in seiner Karriere nie ein Tor gegen einen unterklassigen Gegner zugelassen. Dino Stecher hatte einst bei Olten und Gottéron als Torhüter Kultstatus.  

Bisschen Stimmung bei Thun gegen den SCB.
Bisschen Stimmung bei Thun gegen den SCB.Bild: KEYSTONE

Kunstprodukt ohne Tradition und Kultur

Aber eben: Bereits acht Sekunden nach der ersten Pause verkürzt Burgdorfs Patrick Meyer gegen Michael Tobler auf 1:2. Diese Schmach des Gegentreffers bleibt der Tolggen im Oltner Reinheft. Der taktisch gut organisierte Erstligist kann das Spiel bis weit ins Mitteldrittel hinein offen halten und drückt sogar kurze Zeit auf den Ausgleich. Erst in der Schlussphase verkommt die Partie mit drei Treffern in den letzten 130 Sekunden zum Zirkus. 

Aber Cupstimmung ist nie so recht aufgekommen. Der Gegner ist halt auch zu wenig attraktiv. Keine Cup-Romantik. Kein David-gegen-Goliath-Groove. Vielleicht wäre es mit dem SCB oder Langnau ein bisschen stimmungsvoller geworden. Aber nicht nur diese Partie in Burgdorf hat gezeigt: Der Cup im Eishockey ist ein Kunstprodukt ohne Tradition und Kultur. 

Künstlich angefachter Medienhype

Darüber kann auch der da und dort künstlich angefachte Medien-Rummel nicht hinwegtäuschen. Es fehlt die Intensität. Es fehlt der Glaube an die Sensation bei Spielern und Publikum. So war die Stimmung in unseren Hockeystadien vor 40 Jahren, wenn mal Dukla Jihlava oder Chimik Woskresensk ihre Kunst vorführten und der Sieger schon vor dem ersten Bully feststand. 

Thurgau feiert seine Spieler trotz klarer Niederlage gegen Davos.
Thurgau feiert seine Spieler trotz klarer Niederlage gegen Davos.Bild: KEYSTONE

Ruben Kauz ist wohl der einzige, der in Burgdorf gemerkt hat, dass ein Cupmatch veranstaltet worden ist. Als Spieler hatte er in der 1. Liga Kultstatus. Sein Vater war Eismeister in Burgdorf. Er ist jetzt Geschäftsführer der Localnet Arena. Sie steht auf geschichtsträchtigem Boden. Gleich nebenan ist vor gut einem Jahr das Eidgenössische Schwingfest abgehalten worden und das Hockey-Stadion diente damals als Medienzentrum.  

Zwei Sicherheitsbeauftrage vom Verband waren schon am Nachmittag da. Sie machten eine Runde und gaben ein paar Anweisungen. «Wir mussten beispielsweise die Papierkörbe entfernen und durch Plastiksäcke ersetzen», sagt Kauz. So wurde sichergestellt, dass niemand während des Spiels einen Abfallkübel aufs Eis schmeissen konnte.  

Lugano zu Gast bei Sion-Nendaz.
Lugano zu Gast bei Sion-Nendaz.Bild: KEYSTONE

5:0-Führung für unterklassige Teams?

Was auch noch aufgefallen ist: Vor der Arena hat der Cup-Hauptsponsor (Zürich Versicherung) einen Marktstand aufgebaut. Aber sonst ist eigentlich alles mehr oder weniger wie bei einem guten 1. Liga-Spiel. Sogar die Zuschauerzahl. Das Stadion ist nicht ausverkauft. 1037 Fans sind gekommen. Bei 1. Liga-Spitzenspielen sind es schon mal 1300 Zuschauerinnen und Zuschauer. 

Dieser Cup ist Zirkus und ein bisschen Tanz ums goldene Werbe-Kalb. Warum also in der ersten Runde mit den Teams aus der 1. Liga nicht konsequent auf Zirkus setzen? Warum in der ersten Runde nicht eine Handicap-Formel? Lasst die 1. Liga-Mannschaften nächstes Jahr die Erstrundenspiele gegen oberklassige Gegner mit einer 5:0-Führung beginnen. Dann kommt vielleicht doch noch etwas Cup-Romantik auf.

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Franziska Riesen
02.10.2014 08:40registriert Oktober 2014
Ich find es schade, wie Sie denken. Es hatte sehr wohl bei gewissen Spielen "Cup-Romantik". Geben Sie diesem Anlass doch eine Chance. Mir wäre um einiges lieber, wenn es viel weniger Fussball im Fernsehen geben würde und dafür ein bischen mehr Hockey. Auf jeden Fall habe ich den Match Thun - Bern am Blick TV angeschaut, und ich habe also schon schlimmeres gesehen ;-)
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eldo
02.10.2014 10:10registriert März 2014
Ich bin ein Fan von Klaus Zaugg und seinen klaren Worten. Aber in Sachen Eishockey-Cup sieht er die Sache doch sehr einseitig. Tradition/Kult kann und wird hoffentlich einmal entstehen. Aber seien wir ganz ehrlich: die 1. Cup-Runde ist für viele unterklassigen ein Chance sich an den ganz grossen zu messen. Ich mag es den Erstligisten gönnen und als Zuger war ich gestern Gast in Winterthur. Ein tolle Stimmung in einem fast ausverkauften Stadion und nach dem 1:0 für Winterthur spürte man sogar sowas wie Euphorie unter den Anhängern des EHC. Glauben Sie mir Herr Zaugg: für die Spieler des EHC Winterthur war das so ähnlich wie wenn der FC Zürich gegen Real Madrid spielen darf und für die beiden Fangruppen ein friedliches Fest. Und jetzt sind sie ja weg die ganz Kleinen...
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