Wie ist es möglich, dass sich eine Mannschaft in den Playoffs neu erfindet? Oltens Playoff-Topskorer Lukas Haas (30) erklärt es so: «Lange dachte jeder nur an seine Skorerpunkte und rannte vorwärts. Als wir auch noch gegen die GCK Lions verloren, da dämmerte es einem nach dem anderen, dass es so nicht geht und wir sind zu einer Mannschaft geworden.»
Ja, Olten ist eine Mannschaft geworden. Langenthal war spielerisch besser, talentierter, schneller. Aber die Oltner haben dieses Halbfinale auf eindrückliche Art und Weise gewonnen (4:1). Der Siegestreffer zum 3:2, das Tor, das dieses dramatische Halbfinale am Freitagabend in Langenthal entschieden hat, ist eines der spektakulärsten der ganzen Nationalliga-Saison.
Verteidiger-Floh Anthony Rouiller (174 cm/74 kg) tanzt durch Langenthals erste Formation und schlenzt den Puck unhaltbar ins hohe Eck. Eine Aktion, die den Mut und das Selbstvertrauen der Oltner personifiziert.
➡️Coast to coast 😀Wow was für eine Kiste von @EHCOlten -Verteidiger @ARouiller33 !#SwissLeague #Playoffs2018 pic.twitter.com/SGQkaGHoDU
— MySportsCH (@MySports_CH) 23. März 2018
Dieser letzte Sieg in Langenthal müsste zu einem Lehrvideo verarbeitet werden. Um zu zeigen, was Playoffs sind. Wie es möglich ist, spielerische Limiten durch Mut, Leidenschaft, Energie, Zähigkeit und Selbstvertrauen wettzumachen. Und um wieder einmal eine alte Weisheit zu bestätigen: In den Playoffs gewinnt immer der bessere Torhüter. Matthias Mischler (28) war ein charismatischer, selbstsicherer Torhüter. Langenthals Meistergoalie Marco Mathys (29) aber zerbrach unter dem ständigen Druck der Oltner Stürmer.
Über Oltens Playoff-Topskorer Lukas Haas gibt es auch eine Geschichte zu erzählen. Seit der Ankunft von Heinz Ehlers bei den SCL Tigers bekam er die Eiszeit nur noch mit dem Tropfenzähler zugeteilt und er hat diese Saison in Langnau in 24 Partien zwei Skorerpunkte produziert. Er sagt: «Eigentlich habe ich in der ganzen Zeit unter Heinz Ehlers gar nie mehr richtig gespielt. Bis heute weiss ich nicht warum. Ich habe ihn gefragt. Aber er hat es mir nicht gesagt.»
In Langnau heisst es, Lukas Haas sei halt für die NLA zu langsam geworden. Die NLB sei gerade recht für ihn. Die Wahrheit ist wohl eher, dass der eigenwillige Künstler nie bereit war, freudig das defensive Joch zu tragen, das ihm der Trainer auferlegt hatte. Diesen unberechenbaren, schlauen Skorer mit Defensivarbeit zu belasten ist so, wie wenn Pablo Picasso Gartenzäune streichen sollte. Lukas Haas zirkelte in Langenthal die Scheibe in der 34. Minute schlau zum 1:2-Anschlusstreffer ins Netz. Der Anfang vom Ende des Titelverteidigers.
Der Langnauer hat nun für die Oltner in elf Playoffpartien 15 Skorerpunkte gebucht. Sein Vertrag läuft Ende Saison aus und für ihn ist klar: «Ich will auch nächste Saison spielen.» Ob bei Olten oder anderswo, sei noch offen.
Machen es die ZSC Lions im Halbfinale gegen Meister Bern wie der EHC Olten im Halbfinale gegen NLB-Meister Langenthal? Warum nicht? Die Oltner mahnen mit ihrer Auferstehung an die ZSC Lions, die ja auch durch die Qualifikation getaumelt sind und die auch einen schwedischen Trainer durch einen Nordamerikaner ersetzt haben. Die Oltner als Warnung für den SCB und als Albtraum für den EHC Kloten.
Klotens Trainer Kevin Schläpfer war am Freitagabend weder in Rapperswil (4:2 gegen Ajoie) noch in Langenthal im Stadion. Er genoss einen freien Abend daheim in Sissach. «Das hat mir besser getan. Ich muss Kräfte tanken.» Wo er recht hat, da hat er recht. Wäre er in Langenthal gewesen, wäre er mit schweren Hockey-Zweifeln im Herzen nach Hause gefahren. Gottseidank war er nicht im Stadion.
Sein EHC Kloten befindet sich nämlich in einem besorgniserregenden Zustand. Ja, ich habe seit der Einführung der Playoffs (1985) nie eine so zerrüttete NLA-Mannschaft gesehen wie diesen EHC Kloten, der am Dienstag in Langnau jämmerlich 3:4 verloren hat.
Kevin Schläpfer hatte die halbe Mannschaft geschont. Topskorer war Tim Bozon. Die Nummer 8 der internen Skorerliste. Darf man einen solchen Larifari-Betrieb eine Woche vor den alles entscheidenden Playout-Partien dulden? Kevin Schläpfer sagt: «Ob es richtig oder falsch war, werden wir erst hinterher wissen.» Man habe in Bestbesetzung in den zwei vorangegangenen und ebenfalls bedeutungslosen Partien gegen Lausanne ein Zeichen setzen wollen. Diese Demonstration der Stärke endete mit zwei schlimmen Pleiten. 0:6 auswärts und anschliessend 2:7 auf eigenem Eis. «Da musste ich etwas machen.»
In Kloten hat sich die Krise inzwischen zu einer tragischen Komödie entwickelt. Aber das Lachen darüber ist kein unbeschwertes, befreites Lachen, sondern ein verlegenes. Als Helfer für den arg gestressten Coach sassen beim letzten Heimspiel die beiden Elite-Juniorentrainer Felix Hollenstein und André Rötheli als Beobachter und Video-Zuschneider auf der Tribüne. Kevin Schläpfer sagt: «Ich finde diese Hilfe toll. So habe ich bereits in der Pause einen Zusammenschnitt der wichtigen Video-Sequenzen.» Diese Hilfe zeige, dass alle am gleichen Strick ziehen.
Ist Kevin Schläpfer naiv? Glaubt er wirklich im Ernst, der grosse Machiavellist Felix Hollenstein, Klotens «Hockeygott» und dessen Kumpel André Rötheli seien Freunde und Helfer? Mit der ihm so eigenen sympathisch-entwaffnenden Art sagt Kevin Schläpfer auf eine entsprechende Frage: «Was soll ich denn sagen? Jedenfalls habe ich nirgendwo im Trainerbüro eine Säge gefunden und auch keine Sägespäne unter meinem Stuhl ...»
Es gibt tiefen Winter, tiefen Schlaf und es gibt auch eine tiefe Krise. Die in Kloten. Könnte der EHC Kloten im aktuellen Zustand im Falle eines Falles eine Liga-Qualifikation gegen Olten gewinnen, das wir soeben in Langenthal gesehen haben? Nein.
Aber Playoff, Playout und Liga-Qualifikation ist, wenn alles, was war, nicht mehr zählt und alles wieder von vorne beginnt. Das ist in diesen Tagen der einzige und schwache Trost für Kevin Schläpfer. Nebst der minimalen Hoffnung, dass vielleicht doch noch Ajoie die NLB gewinnt und dadurch die Liga-Qualifikation hinfällig wird. Weil Ajoie nicht aufsteigen darf.
Da können wir mit dem grossen Nietzsche nur noch sagen: Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach der tristen Klotener Hockey-Realität.