Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Kaum zu glauben, dass ein Hockey-Bandengeneral Ende Oktober noch so entspannt sein kann. So sieht einer aus, der seine Vermögensbildung abgeschlossen hat und das Leben in Florida geniesst. Doug Shedden (54) strahlt und ist bestens gelaunt. Er hat abgenommen. «Nein, nein, ich wünschte, es wäre so. Aber danke fürs Kompliment.»
Der Kanadier hat den Sommer nach dem Ende seines KHL-Abenteuers mit Zagreb tatsächlich in Florida verbracht – mit der Verwaltung und Vermietung seines umfangreichen Immobilienbesitzes. Wie viele Landsitze hat er dort? «Das ist mein Business. Lasst uns über Hockey sprechen.» Es ist immer gut, wenn ein Hockeytrainer so vermögend ist, dass er auf einen Job nicht angewiesen ist. Das stärkt sein Selbstvertrauen und gibt ihm bei der Bewältigung grosser Aufgaben eine gewisse staatsmännische Gelassenheit.
Er sei in Pittsburgh bei seiner Tochter auf Besuch gewesen, als er gestern vor einer Woche den ersten Anruf aus Lugano bekommen habe. Überrascht sei er nicht gewesen. «Ich wusste ja um Luganos Platz in der Tabelle. Und, ja, mein Ziel war es, zurück in die Schweiz zu kommen. Hier fühle ich mich einfach wohl.» Es sei immer hart, wenn einer den Job verliere, er kenne Patrick Fischer gut. «Aber so ist das Geschäft nun mal.»
Und ganz nebenbei: Shedden hat mit Daniel Giger jetzt wieder den gleichen Agenten wie Patrick Fischer. Die beiden hatten sich nur vorübergehend verkracht. Er war also sehr genau über seine Job-Chancen in Lugano informiert. Wir können ohne Boshaftigkeit sagen: Shedden hat schon seit Monaten gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er in Lugano seine Chance bekommt.
In Lugano hat er zwar noch nie gearbeitet. Aber ein wenig fühle er sich wie daheim. Die Kabine ist schon fast seine neue Wohnstube. Ein paar Gesichter sind ihm bestens vertraut: Damien Brunner, Alessandro Chiesa oder Alessio Bertaggia kennt er aus Zug bestens. Ja, Damien Brunner ist sogar sein hockeytechnischer Ziehsohn. Er sagt: «Das sind meine Kids.»
Die Romantik des Wiedersehens ist ja gut und recht und täuscht ein wenig über die Schwierigkeiten hinweg, die er hier in Lugano erst einmal überwinden muss. Der grosse Bandengeneral hat ein schwieriges Kommando übernommen. Etwas salopp formuliert: Er muss aus den Gärtnern und dem Küchenpersonal eines Luxus-Golfressorts einen Gebirgs-Grenadierzug machen. Doug Shedden hat eine der talentiertesten und schnellsten Mannschaften der Liga übernommen. «Ich habe in drei Tagen im Training tatsächlich sehr viel Talent gesehen, viel mehr als je in Zug.»
Aber es ist eben noch keine Mannschaft und im Laufe der Jahre ist die Leistungskultur verkommen. Bei seinem ersten Spiel hat Doug Shedden gleich Glanz und Elend erlebt. Ein miserables erstes, ein passables zweites und ein gutes drittes Drittel und schliesslich ein 4:2 nach einem 0:1- und 1:2-Rückstand.
Die tapferen Langnauer kontrollierten den hochkarätigen Gegner während 57 von 60 Minuten. Aber zweimal entwischte Linus Klasen. Beim 1:1 tanzte er durch Langnaus Abwehr und mit einem Kunstschuss traf er zum 2:2. Die SCL Tigers verloren wieder einmal ein Spiel, das sie in der ersten Hälfte durchaus hätten für sich entscheiden können.
Hat ein erstes verbales Donnerwetter in der Kabine die Luganesi aufgerüttelt und im Schlussdrittel die Wende herbeigeführt? «Warum hätte ich laut werden sollen?», stellt Doug Shedden die Gegenfrage. Ja weil seine Jungs miserabel gespielt haben. «Nur im ersten Drittel. Das hat mir gar nicht gefallen. Das war wildes Feuerwehrhockey. Aber ab dem zweiten Drittel war es gar nicht so schlecht. Es hat keinen Grund gegeben, laut zu werden.»
Natürlich sei Lugano noch weit davon entfernt, das beste Hockey zu spielen. Aber Doug Shedden hat keinerlei Zweifel, dass er, anders als seine prominenten Vorgänger, dieses Lugano weit bringen wird. Seit dem letzten Titel von 2006 hat Lugano nie mehr eine Play-off-Serie gewonnen.
Doug Shedden hat an seinem neuen Arbeitsplatz noch nicht einmal getobt. Aber das kommt schon noch. Und er wird es schaffen, als erster Lugano-Trainer seit 2006 über die Viertelfinals hinauszukommen. Der Optimismus gründet nicht auf der Vorstellung seines Teams gegen Langnau. Der Weg zum «Grande Lugano» ist noch weit. Der Optimismus gründet auf seinem Auftreten neben dem Eis.
Sein Ego ist frisch gebürstet, gekämmt, poliert und grösser als die Egos seiner Stars zusammengezählt. Aber Doug Shedden ist nicht arrogant. Er ist einfach auf erfrischend nordamerikanische Art und Weise selbstischer und hat dabei seine Selbstironie bewahrt. Erfolg ist auch Kopfsache. Vor allem in Lugano.