Nebel
DE | FR
Sport
Eismeister Zaugg

Kumpel, Vater und jetzt halt Opa – Arno del Curto in seiner besten Rolle

Davos Cheftrainer Arno Del Curto, Mitte, instruiert seine Spieler in einem Time-Out kurz vor Schluss des fuenften Eishockey Playoff-Viertelfinalspiels der National League zwischen dem HC Biel und dem  ...
Unermüdlicher Antreiber: Del Curto während eines Timeouts.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Kumpel, Vater und jetzt halt Opa – Arno Del Curto in seiner besten Rolle

Der HC Davos ist eine gewöhnliche Mannschaft geworden und deshalb im Viertelfinal gegen Biel gescheitert. Die «Zeugen Del Curtos» gibt es nicht mehr.
23.03.2018, 13:3923.03.2018, 14:00
Folge mir
Mehr «Sport»
Der Höhenflug des Eismeisters
watson-Eismeister Klaus Zaugg hat vor den Playoffs den Ausgang sämtlicher vier Viertelfinal-Serien richtig getippt. Behält er weiterhin recht? Er sagte voraus, dass sich in den Halbfinals Bern (gegen die ZSC Lions) und Biel (gegen Lugano) durchsetzen und dass der SCB wieder Meister wird.

Wirkt die Magie von Arno Del Curto noch? Wer diese Frage nach den vier Viertelfinal-Niederlagen gegen Biel stellt, kennt den HCD-Trainer nicht. Und den HC Davos erst recht nicht.

Arno Del Curto wird im Juli 62 Jahre alt. In seinem Wesen und Wirken gibt es keinen Alterungsprozess. Altersweisheit oder gar Altersmilde erst recht nicht. Er ist leidenschaftlich, besessen, verrückt wie am Tag seines Amtsantrittes beim HCD im Sommer 1996. Die Magie ist unverändert.

Arno del Curto, Trainer beim HC Davos, aufgenommen am 31. Maerz 1998. (KEYSTONE/Str)
Nach über zwei Jahrzehnten steht Del Curto immer noch an der HCD-Bande.Bild: KEYSTONE

Und doch ist es nicht mehr so, wie es war. Beim ersten Titel unter Del Curto 2002 waren die wichtigsten Spieler seine Kumpels. Einige gar echte Rock'n'Roller und Rebellen wie der Chef. Der Trainer und die Spieler aufgewachsen und geprägt von der gleichen Kultur. Näher am Festnetztelefon als am Smartphone.

Die «Zeugen Del Curtos»

Zwischen 2004 und 2011, mit Titelgewinnen jedes zweite Jahr (2005, 2007, 2009, 2011), erreichte die moderne HCD-Kultur die Blütezeit. Nie vorher und nie nachher in der modernen HCD-Geschichte gehörten so viele Spieler zu den besten der Liga. Sie bilden einen inneren Zirkel mit einem Zusammenhalt, den landesweit keine andere Mannschaft der Neuzeit erreicht hat: die «Zeugen Del Curtos». Die Autorität des Trainer ist grösser geworden. Arno Del Curto ist mehr fordernde und fürsorgliche Vaterfigur als Kumpel.

Die Davoser Gian Marco Crameri, Sandro Rizzi und Captain Marc Gianola, von links nach rechts, feiern in der Kabine mit dem Pokal den Schweizermeistertitel im siebten Playoff Eishockey Meisterschaftssp ...
Drei «Zeugen Del Curtos» feiern den Meistertitel 2007: Gian Marco Crameri, Sandro Rizzi und Marc Gianola (von links).Bild: PHOTOPRESS

Nie war die HCD-Chemie besser als in diesen wilden Jahren des Ruhmes. Die Mannschaft nie charismatischer. Die spielerische und taktische Überlegenheit und damit der Erfolg nie grösser.

2015 erzielt Reto von Arx im Hallenstadion gegen die ZSC Lions das Tor, das Davos den bisher letzten Titel beschert und tritt im Zorn von der HCD-Bühne ab. Die Symbolkraft dieses letzten Treffers kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Es ist der Schlusspunkt einer Ära. Und es dürfte auf Jahre hinaus der letzte Titelgewinn des Rekordmeisters sein. Mit Reto von Arx geht im Frühjahr 2015 der zweitletzte «Zeuge Del Curtos». Seither ist Andres Ambühl der letzte Mohikaner. Der letzte Vertreter des wahren Hockey-Glaubens.

Der HCD ist gewöhnlich geworden

Das Scheitern im Viertelfinal nun gegen Biel hat durchaus historische Dimensionen. Zum ersten Mal überhaupt ist Arno Del Curto in den Viertelfinals gegen eine «gewöhnliche» Mannschaft aus den Playoffs geflogen: gegen eine Mannschaft, die im Playoff-Zeitalter (seit 1986) nie Meister war. Unter Del Curto war der HCD zuvor in der ersten Playoff-Runde nur gegen mehrfache Meister aus dem Playoff-Zeitalter auf der Strecke geblieben: Gegen Lugano (1999), gegen die ZSC Lions (2000, 2004, 2012 und 2013) gegen den SC Bern (2001) gegen Kloten (2010 und 2014).

Aber nun ist der HCD gegen den «gewöhnlichen» EHC Biel im Viertelfinale untergegangen. Weil auch der HCD «gewöhnlich» geworden ist. Die «Zeugen Del Curtos», die einst die Liga Jahr für Jahr rockten, gibt es nicht mehr. Nur den Trainer aus dieser Zeit gibt es noch.

Die Spieler von heute kennen das Festnetztelefon bloss als Relikt. Wie die Generation von Arno Del Curto die Dampfeisenbahn. Der Altersunterschied zwischen dem Trainer und seinen Spielern ist grösser geworden. 41 und 39 Jahre sind es beispielsweise zwischen Arno Del Curto und seinen beiden Goalies Joren van Pottelberghe und Gilles Senn. Aus dem Kumpel der ersten Zeit, aus dem Vater der grossen Zeit, ist nun in der Neuzeit ein Opa geworden.

Generation Facebook

Aber Arno Del Curto hat sich nicht verändert. Er wird sich nicht verändern. Nur die Zeiten und die Spieler sind anders geworden. Eine neue Spielergeneration wächst heran, die den Erzählungen über die wilde Romantik der grossen HCD-Zeit, über dieses Zeitalter des alpinen Hockey-Rock'n'Rolls lauscht, als seien es Geschichten von Karl May. Und es ist eine Generation, die viel weniger talentiert ist als die «Zeugen Del Curtos». Der HCD hat nicht mehr die Mittel, um die Besten aus dem Unterland zu holen, auszubilden und dann jahrelang oben in den Bergen zu halten. Mit den Vertretern der «Generation Facebook» ist es nicht mehr möglich, noch einmal eine verschworene Gemeinschaft wie die «Zeugen Del Curtos» aufzubauen.

Und so verwandelt sich HCD von einem Spitzenteam, einem Titelanwärter, nach und nach in ein Ausbildungsteam und einen Aussenseiter im Titelkampf. Die sportliche Pleite gegen Biel ist spektakuläres Zeichen dieser schleichenden Entwicklung.

Davos Cheftrainer Arno Del Curto, beim vierten Playoff-Viertelfinalspiel der National League zwischen dem HC Davos und EHC Biel, am Samstag, 17. Maerz 2018, in der Vaillant Arena in Davos. (KEYSTONE/G ...
Auf verlorenem Posten: Del Curto und Davos bleiben an Biel hängen.Bild: KEYSTONE

Der Unterschied zu den 1990er-Jahren: Damals hatte Del Curto beim HCD die Besten der neuen Generation in der Kabine versammelt: Mark Streit, Jan und Reto von Arx, Sandro Rizzi, Ivo Rüthemann, Andres Ambühl, Timo Helbling, Marc Gianola, Sandy Jeannin, Patrick Fischer.

Kein einziger der Jungen aus dem Team, das soeben gegen Biel viermal verloren hat, wird eine ähnliche Karriere machen. Noch immer kann der HCD an einem guten Abend Powerhockey spielen wie ein Meisterteam – so wie beispielsweise in der ersten Viertelfinalpartie in Biel (5:2-Sieg nach einem 0:2-Rückstand). Aber es sind geschenkte Abende. Für eine Dominanz der Liga reicht es nicht mehr. Das Eis ist dünn geworden. Fällt ein Leitwolf aus wie Andres Ambühl im Laufe der Serie gegen Biel, dann gehen die Lichter aus. Mit einem gewöhnlichen Trainer müsste der HCD sogar zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg (1993) um die Playoffs bangen.

Rückkehr zu den Wurzeln

Und so kehrt Arno Del Curto im Herbst seiner Karriere zurück zu seinen Ursprüngen. Er war schon immer lieber leidenschaftlicher Ausbildner als meisterlicher Bandengeneral. Lieber Aussenseiter und Desperado als Favorit.

Heute ist schon fast vergessen, dass er in den 1990er-Jahren der erste U20-Nationaltrainer war, der seinen Jungs die Angst vor den grossen Tieren, vor den Kanadiern, Russen, Schweden, Finnen nahm und den Grundstein zu jenem Selbstvertrauen legte, das die Voraussetzung dafür war, dass unsere Spieler die NHL erobern und bis in den WM-Final stürmen konnten.

Der neue Trainer des ZSC, Arno Del Curto, gibt am 29. November 1991 in Lugano beim Spiel HC Lugano gegen den ZSC seiner Mannschaft Anweisungen. (KEYSTONE/Karl Mathis)
Jungspund Del Curto 1991 als Trainer des ZSC.Bild: KEYSTONE

Nun ist er wieder Abenteuer, Ausbildner, Aussenseiter, Desperado wie ganz am Anfang seiner grandiosen HCD-Karriere. Arno Del Curto in seiner besten Rolle. Präsident Gaudenz Domenig macht klar, dass es in den nächsten Jahren so bleiben wird. Dass grosseTransfers – wie zuletzt die Rückkehr von Andres Ambühl (2013) aus Zürich – nicht mehr finanzierbar sind. «Wir müssen in den Ausbau der Infrastruktur investieren.» Damit der HCD als Ausbildungsklub attraktiv bleibt.

Wie lange macht er es noch?

Del Curto soll mindestens noch bis zur Jubiläumssaison bleiben. 2021 wird der HC Davos hundert Jahre alt. Mit einem Wegzug rechnet der HCD-Präsident sowieso nicht mehr. Arno Del Curto darf in Davos so lange Trainer und Sportchef bleiben, wie er mag. Sein Vertrag ist inzwischen ein gewöhnlicher Arbeitsvertrag, der jede Saison von beiden gekündigt werden kann. Gaudenz Domenig sagt: «Ich habe mit Arno abgemacht, dass er uns ein Jahr im Voraus seinen Übertritt in den Ruhestand ankündigt. Damit wir dann genug Zeit haben, einen neuen Trainer zu finden.»

Diesen Wunsch wird Arno Del Curto seinem Präsidenten nicht erfüllen können. Er kann nicht über seinen Schatten springen. Grosse, charismatische Persönlichkeiten wie er wachen eines Morgens auf und entscheiden von einer Minute auf die andere, dass es nun Zeit ist, von der Bühne abzutreten.

Und dann? Ganz einfach. Dann wird der HCD einen neuen Trainer suchen. Trainer kommen und gehen. Ein Klub wie der HCD bleibt in alle Ewigkeit bestehen.

Del Curto, wie er leibt und lebt

1 / 15
Die Karriere von Arno Del Curto
Arno Del Curto war der «ewige» Trainer beim HC Davos. Er unterschrieb auf die Saison 1996/1997 und amtete 22 Jahre als Cheftrainer.
quelle: keystone / arno balzarini
Auf Facebook teilenAuf X teilen

GAME OVER! Spiessrutenlauf Büro – wie lange überlebst du?

Video: watson/Knackeboul, Lya Saxer

Unvergessene Eishockey-Geschichten

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
18 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
N. Y. P. D.
23.03.2018 14:05registriert Oktober 2015
Meine Theorie zu Reto von Arx :

Als Reto ein Ü35 wurde, hätte auch ihm klar sein sollen, dass er nicht ewig weiterspielen kann.

Arno seinerseits hoffte, dass es Reto SELBER merkt, wann es Zeit ist aufzuhören.

Aber Reto provozierte es, mit seinem Ausharren, dass Arno ihm sagen musste, dass es jetzt Zeit ist zu gehen.

Danach heult der Reto im Land herum, dass er gehen musste. Er, der soviel dem HCD gegeben hat.

Reto WUSSTE GENAU, dass er nicht mehr genügt. Das war ganz schlechter Stil gegenüber seinem Freund Arno del Curto.
13137
Melden
Zum Kommentar
avatar
ralck
23.03.2018 14:32registriert Juni 2015
Niemand weiss genau, was mit der Generation um die 00er sein wird und wie viel Talent da ist – und wie viel dann auch in der Schweiz bleibt!
Was aber sicher ist: Davos hat diese Generation im Gegensatz zu den meisten anderen Teams bereits heute fest in der ersten Mannschaft.

Im 14/15, dem Beginn des Umbruchs mit jungen Spielern, holte man den Meistertitel, obwohl man von den Experten um Zaugg abgeschrieben wurde. Warum sollte es also in Zukunft nicht mehr möglich sein? Wer Ende Quali in der Top 8 ist, ist Kandidat für den Meistertitel.

Bild: Altersdurchschnitt laut eliteprospects
Bild
686
Melden
Zum Kommentar
avatar
Willy Tanner
23.03.2018 15:06registriert Oktober 2017
Eishockey ohne Arno geht eigentlich gar nicht. Schön gibt es diese Konstellation noch, in diesem schnelllebigen Sportbusiness.
4812
Melden
Zum Kommentar
18
SCB mit Spektakel-Wende zum Break in Zug – Davos ringt Lausanne nach Verlängerung nieder
Am zweiten Spieltag der ersten Runde im Playoff-Viertelfinal jubeln die Auswärtsteams. Der SC Bern in Zug und der HC Davos in Lausanne schaffen das Break.

Davos startet mit einem Break in die Playoff-Viertelfinals. Die Bündner gewinnen in Lausanne 3:2 in der zweiten Verlängerung.

Zur Story