Die heftige verbale Reaktion von Berns Vorkämpfer Thomas Rüfenacht (32) auf eine zwar hitzige, aber durchaus im Rahmen der Regeln gespielte Partie gegen Lugano überrascht. Und wer die Sache ein bisschen tolerant sieht und ein wenig Abwechslung und Unterhaltung mag, ist sogar angenehm überrascht.
Kernige Aussagen nach einem Spiel sind heute rar geworden. Auch beim SCB werden die Spieler, wie bei allen grossen, modernen, erfolgreichen Sportunternehmen medial geschult und auf Langeweile programmiert. Nur ja nichts sagen, was anecken oder vielleicht hochpolitisch auf irgendeine Art und Weise nicht ganz korrekt sein könnte. Die Sprüche nach einer Partie sind austauschbar geworden.
Die Zürcher, Davoser, Zuger oder Berner sagen nach einer Niederlage oder nach einem Sieg so ziemlich das Gleiche. Inzwischen sind sogar im öffentlich-rechtlichen Radio in Interviews Aussagen zu hören wie «… wir sind in die Verlängerung gegangen, um zu gewinnen.» Ja ist denn schon mal eine Mannschaft in eine Verlängerung gegangen um zu verlieren?
Wenn einer doch mal redet wie ihm der Schnabel gewachsen ist, wenn einer mal richtig sauer ist wie Thomas Rüfenacht nach der SCB-Pleite gegen Lugano (4:5 n.P nach einer 4:1-Führung), dann wird daraus schon beinahe ein Medienereignis. Ach, wie aufregend! Siehe da, ein Mensch!
Wer den zornigen Thomas Rüfenacht live erlebte, ahnt warum er der charismatischste SCB-Spieler geworden ist. SCB-General Marc Lüthi sagt, er bringe «etwas Diabolisches» ins Spiel. Eishockey ist eben doch so, wie es die Psychologin und Sexberaterin Caroline Fux einmal gesagt hat: «Es lockt ein Mix aus Männlichkeit und Verspieltheit, Narben und Räubergeschichten inklusive.»
Thomas Rüfenacht hat mit der Beschimpfung Luganos die Räubergeschichte geliefert. Sein Plädoyer für die archaische Selbstjustiz, die einst ein fester Bestandteil der NHL-Kultur war, wird allerdings ungehört verhallen. Diese Kultur ist Geschichte. In der NHL und erst recht in unserem Hockey. Und seine heftige Reaktion auf die Niederlage ist politisch ganz und gar nicht korrekt – aber sie ist unter Umständen ein gutes Zeichen. Echte Leitwölfe sind immer sauer, wenn sie verlieren. Auch im September.
Bern Kommunikations-General Christian Dick stand daneben, als der Nationalstürmer nach der Partie gegen Lugano verbal gemäss SCB-Standards übertrieb. Er mahnte hinterher die Chronisten bei der Berichterstattung um nachsichtige Zurückhaltung. Dabei hätte er froh sein müssen, dass es beim SCB noch Persönlichkeiten wie Thomas Rüfenacht gibt, die auch mal was zu sagen wagen.
Die ewig langweiligen, beim Medientraining eingeübten Sprüche mögen zwar durchaus professionell und politisch durch und durch korrekt sein – aber sie sind langweilig. Und Langeweile ist im Eishockey, einer Unterabteilung des Showgeschäftes, eine «Todsünde».
SCB-Cheftrainer Kari Jalonen brachte die hitzige Partie gegen Lugano mit einer träfen Aussage auf den Punkt: «The Boys are the Boys». So sind die rauen Kerle halt. Männer, die dafür bezahlt werden, wie Kinder zu spielen.
Dann sollte man sie ja auch mal wie «unzensiert» wie Kinder reden lassen und nicht gleich Wort für Wort und Satzzeichen für Satzzeichen auf die Goldwaage legen.