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Ein Schwyzerörgeli-Quartett gegen die New Yorker Philharmoniker. Ungefähr in diesen Dimensionen sind die Unterschiede zwischen den SCL Tigers und den ZSC Lions, wenn wir Erwartungen, Kosten und Talent zum Massstab nehmen.
Wie kann es dann sein, dass die Langnauer Örgeler in Klangvolumen, Präzision und Rhythmus die Zürcher Philharmoniker übertreffen und schon wieder 2:1 besiegt haben? Es ist ja kein Zufallssieg: Zum ersten Mal seit der Einführung der Playoffs (1986) haben die SCL Tigers nun dreimal hintereinander gegen die Stadtzürcher gewonnen.
Die Langnauer haben nun sieben der letzten neun Spiele gewonnen, sie siegten auswärts sogar bei Meister Bern. Wie kann das sein? Bleiben wir für einmal bei unserem auch für Laien verständlichen, stark vereinfachten musikalischen Vergleich.
Taktisch im Detail zu erklären ist ja viel zu kompliziert. Schwyzerörgeli-Formationen, wie sie im Emmental eigentlich typisch sind (drei Örgeli, eine Bassgeige), können durchaus improvisieren wie bei einer Jam-Session im Jazz. Struktur ins Spiel bringt erst die Bassgeige. Brummig gibt sie Takt und Rhythmus vor.
Was die Bassgeige in der Örgeli-Formation, ist die Taktik in einer Hockeymannschaft. Musik und Hockey werden ja gespielt. Die Bassgeige ordnet, gibt dem Spiel Struktur. Bassgeiger waren in alten Zeiten oft ruhelose, kauzige Gesellen, die sich da und dort einer Örgeli-Formation zur Verfügung stellten.
Das Beispiel passt gut zu Heinz Ehlers. Langnaus Hockey-Bassgeiger. Er hat Struktur und Ordnung in Langnaus Spiel gebracht wie ein Bassgeiger in eine etwas wilde und nicht allzu talentierte Örgeli-Formation. Und wie die alten Bassgeiger, sind ja auch moderne Trainer oft eigenwillige, ruhelose Kerle, die nicht nur von Formation zu Formation (von Mannschaft zu Mannschaft), sondern oft von Liga zu Liga, Land zu Land oder gar Kontinent zu Kontinent wechseln.
In der Geschichte Langnauer Hockeykultur (die 1946 begann) hat es schon viel talentiertere Mannschaften gegeben. In den 1970er Jahren, in der Zeit des ewigen Ruhmes mit einem Titel (1976) und zwei «Vizetiteln» (1977 und 1978) hatten die Emmentaler gar die dynamischste Offensivformation des Landes. Sie fegten, wenn sie den wollten, jeden Gegner vom Eis.
Aber zu keinem Zeitpunkt hatten sie eine taktisch so gut geschulte und disziplinierte Mannschaft wie im November und Dezember im Jahre des Herrn 2017. Der jüngste Triumph über die ZSC Lions (das samstägliche 2:1) ist vom ersten Bully bis zu den hektischen Schlusssekunden ein Beispiel dafür, wie Taktik, Schlauheit, Leidenschaft, Disziplin, Ordnung über viel mehr Talent zu triumphieren vermögen. Es war ein taktisches und hockey-mathematisches Meisterwerk von Heinz Ehlers. Wir haben seit Einführung der Playoffs noch keine Mannschaft erlebt, die dank ihrer Taktik so viel besser spielt, als sie von ihrem Talent her dazu in der Lage wäre.
Was Langnau nun immer mehr in Verlegenheit bringt. Die SCL Tigers sind im guten Sinne «Ehlerisiert». Sportchef Jörg Reber hat die Mannschaft zusammen mit seinem Trainer zusammengestellt. Inzwischen passt an einem guten Abend alles auf wundersame Weise zusammen. Die Langnauer spielen mit einer Örgeli-Formation Musik mit der Präzision und Klangfülle der New Yorker Philharmoniker. Aber ohne die Führung durch die Bassgeige würde alles in kurzer Zeit wieder durcheinandergeraten. Ein gewöhnlicher Trainer würde mit diesen Spielern ans Tabellenende zurückfallen.
Sportchef Jörg Reber müsste daher alle Hebel in Bewegung setzen, um mit Heinz Ehlers zu verlängern. Was er ja durchaus tut. Im Idealfall erreichen die Langnauer die Playoffs – dann verlängert sich der Kontrakt mit dem dänischen Hockey-Bassgeiger automatisch um eine weitere Saison. Aber Heinz Ehlers mag jetzt nicht verhandeln. Einerseits, weil er sich auf seine tägliche Arbeit konzentriert. Wohl wissend, dass gerade bei einer so sehr von der Taktik abhängigen Equipe die tagtägliche Präzisionsarbeit keine Ablenkung verträgt. Andererseits aber auch, weil er – wie die alten Bassgeiger – nicht zur Sesshaftigkeit neigt. Er hat sich noch nicht entschieden, ob er überhaupt in Langnau verlängern will oder nicht.
Neben dem Trainer sollten wir allerdings einen Solisten aus der Langauer Formation herausheben. Auch er eher ein Durchreisender wie sein Trainer. Ivars Punnenovsm (23), der lettische Nationalgoalie mit helvetischer Lizenz und Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison, ist zurzeit der beste Torhüter der Liga. Der reaktionsschnelle, coole Stilist strahlt eine Sicherheit aus wie Leonardo Genoni in den besten Tagen.
Nun gibt es natürlich eine Wechselwirkung. Heinz Ehlers hat vor ihm eine Mannschaft konstruiert, die ihn vor den offensiven Lawinen des Gegners schützt, wie der Bannwald das Bergdorf vor den herabstürzenden Schneemassen. Aber Langnaus Trainer weiss sehr wohl, was er an seinem Torhüter hat und sagt es so: «Wir haben einen Goalie, der uns in jedem Spiel die Chance gibt, zu gewinnen.» Ein höheres Lob ist nicht möglich. Und was sagt der Chronist zu den ZSC Lions? Zu den beiden schwedischen Trainern Hans Wallson und Lars Johansson, den hochdekorierten Dirigenten der Zürcher Hockeyphilharmoniker?
Der Chronist ist sich sehr wohl bewusst, dass er sich gerade in der Adventszeit nicht der Boshaftigkeit schuldig machen sollte. Das gehört sich einfach nicht. Er entschuldigt sich daher in aller Form. Und doch fällt ihm zu diesem Thema ein bitterböser Witz ein, der auch etwas mit Musik zu tun hat.
Ein Blinder und ein Gehörloser machen als Duo Tanzmusik. Wobei sich der Blinde mit dem Tauben durch die Zeichensprache unterhält. Der Blinde fragt also: «Du, tanzen die Leute schon zu unserer Musik?» Der Taube fragt: «Warum fragst Du? Spielen wir eigentlich schon?». Der Chronist hat hohen Respekt vor der fachlichen Qualifikation der beiden ZSC-Bandengeneräle und kennt sehr wohl ihre grandiose Erfolgsbilanz aus Schweden. Aber als er sie so verloren im Langnauer Hockeytempel an der Bande gesehen hat, ist ihm halt dieser böse Witz wieder eingefallen.
Wir sollten nicht mehr ganz ausschliessen, dass die Zürcher Hockey-Philharmoniker noch diese Saison unter neuer Leitung aufspielen werden und dass Hans Wallson und Lars Johansson in Zürich keinen Frühjahrsmantel mehr brauchen.