Seine Geschichte eignet sich gut für einen schönen, guten Hockey-Hollywood-Film. Der Vater Eismeister in Biel, dann beim EHC Biel die grosse Not und der Bub wechselt 1995 in die grosse Stadt hinüber nach Bern. Dort wird er ein Titan, Captain, zweimal Meister und Nationalverteidiger.
Zum Abschluss einer formidablen Karriere kommt er 2008 heim nach Biel und hilft vier Jahre auf dem Eis beim Aufbau eines NLA-Tems. Nach seinem Rücktritt nach über 1000 Spielen wird er 2012 in seiner Heimat Sportchef und nun hat er soeben als «Nottrainer» zum dritten Mal hintereinander gewonnen: in Langnau (2:1. n. P.), in Kloten (3:2) und nun gegen Zug (2:1).
Auf den ersten Blick ist die Versuchung gross, Martin Steinegger dauerhaft vom Sportchef zum Trainer zu befördern. Martin Steinegger, vom Sportchef zum Trainer, zum nächsten Kevin Schläpfer, zum nächsten Bieler «Hockey-Gott». Wäre er ein Kanadier und hiesse Martin Stonehill – er würde bereits als Wundertrainer gefeiert.
Martin Steinegger hat in den letzten Tagen das getan, was grosse Trainer in dieser Situation tun: beruhigen, Vertrauen zurückgeben, das Spiel vereinfachen, die Ordnung in der eigenen Zone wiederherstellen, dafür sorgen, dass die Schüsse geblockt werden und dass der Torhüter unterstützt wird.
Nun war Jonas Hiller erstmals in dieser Saison konstant drei Partien hintereinander ein grosser Goalie: Nacheinander hat er gegen Langnau, Kloten und Zug mehr als 95 Prozent der Schüsse abgewehrt. Wenn seine Fangquote 95 Prozent oder besser ist, gewinnt Biel immer.
Logisch also die Forderung: Martin Steinegger for Headcoach! Nein. Es wäre eine Torheit, ihn dauerhaft zum Trainer zu machen. Weil er so verheizt würde. Die Frage wäre dann nicht mehr ob, sondern nur noch wann er als gescheiterter Trainer seine Autorität eingebüsst hätte. Am Tag, an dem er vom Not- zum Cheftrainer befördert würde, begänne die Uhr zu ticken und Biel würde ihn verlieren.
Aber das Hockeyunternehmen Biel braucht Martin Steinegger. Er ist im besten Wortsinne eine Respektsperson. Für die Spieler, die Trainer und im gesamten Umfeld des Klubs. Eine Respektsperson durch seine Historie im Klub und Authentizität im Auftreten. Aber auch eine Respektsperson durch fachliche Kompetenz und Erfahrung. Er redet wahr und klar und sucht keine Ausreden.
Kevin Schläpfer wurde nach seiner Beförderung vom Sportchef zum Trainer in Biel ein «Hockeygott». Es spricht doch nichts dagegen, dass auch Martin Steinegger als Trainer ein «Hockeygott» werden kann.
Doch, es spricht alles dagegen. Kevin Schläpfer hat dem Hockeyunternehmen Biel nach dem Wiederaufstieg ein Gesicht gegeben. Aber er war nie eine in sich ruhende Respektsperson mit der Autorität eines Martin Steinegger. Er war mehr Schauspieler als Regisseur, mehr ein Mann der täglichen Emotionen als ein Stratege mit dem sicheren Gespür für die Entwicklungen über den Tag hinaus.
Mehr Testpilot als Ingenieur. Immer ein wenig wie auf einer Abenteuerreise und wie noch nicht am Ziel seiner Bestimmung angekommen. Er hätte ohne Biel nicht das werden können, was er geworden ist. Biel verdankt ihm viel – und er verdankt Biel ebenso viel.
Martin Steinegger konnte als Spieler und kann als Sportchef in jedem Hockey-Club eine charismatische Führungspersönlichkeit sein. Er war beim grossen SCB eine Respektsperson, Titan und Captain. In einem Hockey-Unternehmen, in dem Kevin Schläpfer nie eine Chance auf einen Job als Spieler, Trainer oder Sportchef hatte und haben wird.
Die Bieler suchen einen neuen Cheftrainer und Martin Steinegger sagt, es sei die Absicht, dem neuen Mann einen Vertrag mindestens bis zum Ende der nächsten Saison zu geben. Denn nur so sei die notwendige Autorität gegeben. Bei einem Vertrag bloss für diese Saison sei die Gefahr erheblich, dass der neue Chef nur als Übergangslösung wahrgenommen werde.
Martin Steinegger wird dem neuen Cheftrainer den Rücken freihalten. Er wird erkennen, wenn eines Tages die Zeit gekommen ist, auch ihn zu wechseln. So wie er gespürt hat, wann es Zeit war, Kevin Schläpfer des Amtes zu entheben. Er ist dazu in der Lage, in turbulenten Zeiten das Sportchef-Büro zu verlassen und die Mannschaft zu stabilisieren und ein paar Spiele lang zu coachen, bis die Krise ausgestanden ist. Das hat er soeben bewiesen.
Aber Martin Steinegger ist für Biel zu wichtig, um bloss Trainer zu sein. Er ist in Biel am Ort seiner Bestimmung angekommen und Biel braucht ihn dringend als Sportchef. Biel wird nie ein Problem haben, den nächsten Trainer zu finden. Aber Biel hätte ein grosses Problem, den nächsten Martin Steinegger zu finden.