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Zürcher Hockey-Gipfeltreffen: Wenn Manhattan näher ist als Oerlikon

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Altes Geld vs. neues Geld

Zürcher Hockey-Gipfeltreffen: Wenn Manhattan näher ist als Oerlikon

Eine Inspiration für Poeten ist das Zürcher Hockey-Gipfeltreffen (noch) nicht. Ansichten eines Fremden über die Hockey-Einheitskultur der Zürcher. 
14.04.2014, 07:1014.04.2014, 11:08
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Was dem Fremden, der in Zeiten der Playoffs auch schon in Bern und an anderen Orten weilte, in Zürich nach der Ouvertüre auffällt: Die finale Auseinandersetzung zwischen den ZSC Lions und den Kloten Flyers ist kein Derby im klassischen Sinne. Weil die Gegensätze fehlen. Die ZSC Lions eignen sich nicht als Feindbild für Dorfhockey-Romantiker. Sie sind sogar weniger arrogant als viele SCB-Protagonisten. Sie sind professionell, bescheiden, anständig und unaufgeregt. 

Keine grossen Unterschiede

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Die Kloten Flyers sind diesen ZSC Lions erstaunlich ähnlich. Von der Desperadoromantik des Aussenseiters ist sowieso nichts mehr geblieben, seit der Milliardär Philippe Gaydoul den Vorsitz hat. Die ewig populäre Rivalität zwischen Arm und Reich gibt es nicht mehr, seit nun auch in Kloten ein Milliardär die «Kriegskasse» füllt. 

Die Gegensätze zwischen den ZSC Lions und den Kloten Flyers sind fast nur noch intellektueller Natur. Sie finden in den Medien statt. Sie sind eher mythisch. Aber sie sind im richtigen Eishockeyleben kaum mehr feststellbar. Zürcher Hockey-Einheitskultur. Einen echten Unterschied gibt es eigentlich nur noch ganz oben. ZSC-Präsident Walter Frey steht für das alte Geld. Den diskreten protestantischen Zürcher Kapitalismus. Klotens Philippe Gaydoul für das neue Geld. Den rauen, prahlenden amerikanischen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts.

Philippe Gaydoul, der starke Mann bei Kloten.
Philippe Gaydoul, der starke Mann bei Kloten.Bild: KEYSTONE

Zürich zu sehr Businessstadt 

Was dem Fremden, der in Zeiten der Playoffs auch schon in Bern und an anderen Orten weilte, nun in Zürich auffällt: Eishockey durchdringt das Leben der Stadt selbst während einer Finalserie gegen den Lokalrivalen bei weitem nicht so stark wie in Finalzeiten in Bern. Zürich ist offensichtlich zu gross, zu weltoffen, zu geschäftig, zu laut, zu vielfältig, um so stark in den Bann des Eishockeys zu geraten wie das vergleichsweise beschauliche Bern. 

Das geschäftige Treiben der Stadt Zürich schluckt das Eishockey. Eishockey ist in Zürich eher wie in New York. In Bern hingegen bedeutungsschwer wie in Montréal. Bern ist durch und durch eine Hockeystadt. Weil es neben dem Eishockey eigentlich nur noch bei Ausschreitungen aller Art ein bisschen Erregungen gibt. Zürich ist hingegen keine solche Hockeystadt. Höchstens ein Hockey-Businesscenter. Weil es neben dem Eishockey noch unzählige andere Aufregungen gibt. 

Walter Frey, der Mäzen des ZSC.
Walter Frey, der Mäzen des ZSC.Bild: freshfocus

Deshalb schätzt der Fremde, der in Zeiten der Playoffs auch schon in Bern und an anderen Orten weilte, nun in Zürich und in Kloten die unaufgeregte Professionalität rund ums Hockeygeschäft. Dazu passt der bisherige Stil auf dem Eis und das Resultat des ersten Spiels (1:0 für die ZSC Lions). Taktik, Disziplin und Verstand prägen den Stil. Nicht wilde Emotionen, Provokationen und Kreativität. 

Beide bekommen gleich viel Aufmerksamkeit

Das alttestamentarische «Wer nicht für uns ist, ist gegen uns», das der Fremde von anderen Derbys und Finalserien kennt – etwa Lugano gegen Ambri, SCB gegen Fribourg, aber auch in Finalserien zwischen dem SCB und Davos, dem ZSC und Lugano, dem SCB und Kloten, dem SCB und dem ZSC oder Lugano und dem SCB oder Servette und dem SCB – fehlt beim Zürcher Gipfeltreffen. 

Das Zürcher Derby taugt nicht zu hockeyweltanschaulichen Auseinandersetzungen und Polemik. Schon weil die beiden Klubs nicht ihre eigene Stimme haben. Die grossen Medien berichten über beide Klubs. It‘s hockey, stupid! Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. 

 Die grossen Medien berichten über beide Klubs. It‘s hockey, stupid! Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Lieber New York als Oerlikon

Der Fremde, der in Zeiten der Playoffs auch schon in Bern und an anderen Orten weilte, vermisst bisher beim Züricher Gipfeltreffen schon ein wenig die anderen, die unprofessionellen, folkloristischen, wilden, lauten, chaotischen, dunklen, animalischen, unberechenbaren Seiten der Hockeykultur. Zu wenig Rock und zu wenig Roll.  

Das Zürcher Hockey-Gipfeltreffen hätte Kanadas Nationaldichter Al Purdy bisher nicht zu jenem wunderbaren Satz inspiriert, der das Hockey in so wenigen Worten erklärt:

«…and how do the players feel about it/this combination of ballet and murder?»

Es gibt eine Episode, die für die (noch) fehlende Dramatik der aktuellen Zürcher Hockeyfestspiele steht: Daniel Germann, der Eishockeychef der NZZ, ist Berner. Er ignorierte den Auftakt des Zürcher Hockeygipfeltreffens und weilt zurzeit in New York. Wenn der SC Bern nicht mehr spielt, liegt Manhattan dem Berner eben näher als Oerlikon und Kloten.  

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