Die Abgänge schmerzen Sportchef Jörg Reber mehr als er zugeben mag. Noch im Herbst, als alle Blätter an den Bäumen und alle seine Spieler an Bord waren, sagte er mit der ihm eigenen Entschlossenheit: «Ich will sie unbedingt behalten.» Er meinte Miro Zryd und Yannick-Lennart Albrecht.
Nun haben ihm beide erklärt, dass sie Ende Saison gehen. «Ja, es stimmt, auch Albrecht hat mir gesagt, dass er Ende Saison geht.» Wohin wisse er nicht. Zug hat bereits bestätigt, dass Zryd kommt. Für Albrecht steht die Bestätigung des neuen Arbeitgebers noch aus.
Beide Spieler verdanken den SCL Tigers ihre Karriere. Beide waren keine Talente, die von der ganzen Liga gejagt wurden. Beide haben in Langnau eine Chance bekommen, sie genutzt und sind zu bestandenen NLA-Spieler geworden. Albrecht hat es sogar schon zu ein paar Operetten-Länderspielen gebracht. Der kräftige Stürmer (188 cm/88 kg) kann Flügel und Center und hat das Potenzial zum Leitwolf.
Was ist bloss los? Jörg Reber sagt, beide hätten ziemlich die genau gleiche Begründung für den Auszug aus dem Emmental genannt: «Sie sagten mir, dass sie eine neue Herausforderung suchen und den nächsten Entwicklungsschritt machen wollen.»
Soweit so gut. Der Sportchef muss sich aber die Frage stellen, ob es auch sein könnte, dass junge Spieler der «taktischen Knechtschaft» des gestrengen Zuchtmeisters Heinz Ehlers entfliehen wollen und ein Land suchen, wo Milch und Honig der spielerischen Freiheit fliessen. Sozusagen die Gotthelf-Antwort für den Auszug aus Ägypten.
In diesem Falle müsste der Sportchef den Trainer, dessen Vertrag Ende Saison ausläuft, thematisieren. Denn zum ersten Mal in der Geschichte liegt es nicht am Geld. Die SCL Tigers sind seit dem Einzug in den neuen Hockeytempel und dem klugen Ausbau der Gastronomie wirtschaftlich so stark wie noch nie in ihrer Geschichte. Sie wären in der Lage gewesen, jede Offerte für Miro Zryd und Yannick-Lennart Albrecht zu kontern. Und trotzdem gehen beide. Das Geld ist also nicht das Problem.
Allerdings ist Langnau nominell eine «kleine» Mannschaft. Um mithalten zu können, braucht es ein noch höheres Mass an taktischem Gehorsam als sonst im Hockey üblich. Und in Zug (oder Bern, Zürich, Lugano und Fribourg) ist auch nicht alles goldene spielerische Freiheit und Weiterentwicklung was glänzt.
Nun, es ist, wie es ist. Spieler kommen und gehen, Klubs bleiben bestehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die, die man unbedingt halten wollte gehen und die, die man eigentlich nicht mehr halten möchte, noch unter Vertrag stehen.
Sportchef Jörg Reber dementiert zwar. Doch Gewährsleute melden, Langnau wäre unter Umständen, eventuell und vielleicht bereit, die offensiven und defensiven Nullnummern Roland Gerber (33) und Emanuel Peter (33) aus den noch bis 2019 laufenden Verträgen freizugeben.
Die Bilanz der beiden Fehltransfers ist miserabel. Gerber steht bei 23 Partien, einem Tor und einer Bilanz von minus 10. Peter hat nach 21 Spielen zwei «Assistchen» auf dem Konto und eine Minus-8-Bilanz. Beide wurden als Defensivstürmer eingekauft und haben nun von allen Stürmern die miesesten Plus/Minus-Zahlen in der offiziellen Statistik.
Pech für Jörg Reber, dass in Ambri nun ein kompetentes Management am Ruder ist. Früher konnten solche Spieler mit einer kräftigen Lohnerhöhung zu einem Transfer in die Leventina motiviert werden.
Wie geht es weiter? In Zeiten wie diesen ist es wichtig, nicht gleich den Kopf zu verlieren, gelassen zu bleiben und strategisch – also über den Tag hinaus – zu denken. Das ist auch in Langnau so.
Es kann gut sein, dass Zugs Trainer Harold Kreis noch unfreiwillig ein Verbündeter der Langnauer wird. Der meisterlich hochdekorierte, konservative Bandengeneral vertraut lieber «schlachterprobten» Kämpfern als unerfahrenen Rekruten. Kein Schelm also, wer sagt, es könnte dann schon sein, dass sich Miro Zryd gegen die interne Konkurrenz nicht durchsetzen kann, zum Hinterbänkler verkommt und wehmütig an die Zeit zurückdenkt, als er in Langnau noch Eiszeit wie ein Nationalverteidiger bekommen hat.
Dann würde ein vorzeitiger Rücktransfer nach Langnau Sinn machen. Zumal die Langnauer dafür ja die notwendigen finanziellen Mittel hätten. Eigentlich sollte jetzt schon der «Rücknahmepreis» heimlich im Budget der nächsten Saison einkalkuliert werden. Sportchef Jörg Reber muss ob solchen Gedankengängen schmunzeln und sagt: «Daran habe ich tatsächlich auch schon gedacht.»
Zugs Sportchef Reto Kläy verwahrt sich allerdings gegen solche polemischen Gedankenspiele. «Es ist nicht einfach, die Entwicklung junger Spieler zu fördern und zugleich Resultate zu erzielen. Aber Harold Kreis hat gerade diese Saison bewiesen, dass er sehr wohl den jungen Spielern eine Chance gibt.» Was er ja auch muss.
Noch ist offen, ob Yannick-Lennart Albrecht am Ende nicht auch noch in Zug landet. Reto Kläy sagt: «Wir sind an ihm interessiert und wir haben noch keine Absage bekommen.»
So oder so sollte sich Jörg Reber in nächster Zeit etwas mit Zug befassen. Reto Kläy sagt nämlich, es sei noch offen, ob die Verträge mit Timo Helbling (36) und Larry Leeger (31) verlängert werden. «Das ist völlig offen.»
Der Haudegen Timo Helbling könnte den Emmentaler helfen und für ihn wäre eine Saison in Langnau ein echtes Abenteuer zum Abschluss einer grandiosen Karriere. Und Jörg Reber sollte Reto Kläy en passant fragen, ob Reto Suri (28) eventuell interessiert wäre, eine neue, grosse Herausforderung als Leitwolf zu suchen, bevor der Vertrag (bis 2019) in Zug ausläuft. Einfach so. Fragen schadet ja nie.