Kari Jalonen und sein Assistent Ville Peltonen reisten schon im Juni nach Bern, um mit allen Spielern ausführliche Einzelgespräche zu führen. Nun ist auch klar, warum. Die SCB-Trainer haben ein gut gehütetes Erfolgsgeheimnis. Etwas polemisch können wir es als «Sitzplatz-Voodoo» benennen.
Nachdem Kari Jalonen mit allen Spielern gesprochen hatte, setzte er sich mit Sportchef Alex Chatelain an einen Tisch. Er ging die Mannschaftsliste durch. Vor jedem Namen machte er entweder ein Minus- oder ein Pluszeichen. Er unterteilte die Spieler in «Plus-» und «Minus-Typen». Warum?
Kari Jalonen bestätigt dieses Vorgehen und klärt auf: «In jeder Mannschaft gibt es Typen, die zu Pessimismus und andere die zu Optimismus neigen. In der Kabine haben wir nur eine positive Chemie, wenn wir diese verschiedenen Typen richtig verteilen.»
Er erklärt sein Vorgehen an einem praktischen Beispiel. «Wenn drei ‹Minus-Typen› nebeneinander sitzen, dann sagt der erste: ‹Ach, ich bin heute müde, wäre das Training heute doch schon vorbei.› Der zweite wird beipflichten: ‹Ja, und mir tut die Schulter weh.› Der dritte schliesslich anfügen: ‹Und das Wetter ist heute auch wieder miserabel.› So entsteht eine schlechte Stimmung. Wenn jedoch zwischen diesen Pessimisten ein ‹Plus-Typ› sitzt und hört, wie der eine über Müdigkeit und der andere über Schmerzen klagt, dann wird er sagen: ‹Hey, was ist bloss mit euch los? Kopf hoch jetzt, ich freue mich schon auf das Spiel gegen Davos.› Und wir haben eine positive Stimmung.» Für eine funktionierende Mannschaft brauche es sechs bis acht «Plus-Typen» – und die habe er in Bern gefunden.
Kari Jalonen sagt, um diese richtige Mischung zu bekommen, bestimme er in der Kabine die Sitzordnung. «Und wenn ich durch die Garderobentüre eintrete, dann sitzt immer der Captain direkt mir gegenüber. Zwischen ihm und mir entsteht eine Brücke des gegenseitigen Vertrauens.» Diese Philosophie würde auch «Simon & Garfunkel» gefallen:
Logisch, dass Kari Jalonen den Captain bestimmt. Er halte nichts davon, die Spieler den Captain wählen zu lassen. «Aber wenn ich einen Spieler zum Captain machen will, dann frage ich ihn vorher, ob er bereit sei, diese Rolle zu übernehmen. Es hat noch nie einer die Captainrolle abgelehnt.»
Den «Kabinen-Thron» muss Kari Jalonen neu besetzen. Denn Captain Martin Plüss verlässt den SCB. Endgültig. Kari Jalonen sagt, das sei sehr schade. «Aber ich kann ihn verstehen.» Hat ihm der Captain gesagt, warum er nicht bleibt? «Ja, aber das bleibt unter uns». Und wen wird er nächste Saison zum Captain bestimmen? Mika Pyörälä, den MVP der finnischen Liga, der nächste Saison in der Ausländerposition beim SCB eine zentrale Rolle spielen wird und den er bereits in Finnland im Team hatte? Kari Jalonen lächelt: «In dieser Sache kann nur der Sportchef Auskunft geben ...»
Die Frage an den SCB-Trainer, die nun auf der Zunge brennt. Wer sind die sechs bis acht «Plus-Typen» in seiner Mannschaft? Können wir gar eine Mannschaftsliste zur Hand nehmen und vor jedem Namen ein «+» oder «-» machen? Wenn Kari Jalonen eine Antwort auf diese Frage geben würde, dann wäre er nicht mehr länger ein Erfolgstrainer. Es wäre Verrat an den Spielern. Daher verzichtet der Chronist auch darauf, seine Liste der «Plustypen» zu erstellen. Er könnte nämlich erzählen, was er wollte, niemand würde ihm glauben, dass es am Ende nicht doch Kari Jalonens Liste sei. Nur eine Behauptung wagt er, mit der er sich sicher nicht zu weit aus dem Fenster lehnt: Einer der «Plus-Typen» des Meisterteams war Martin Plüss ...