«Waterloo» für das welsche Hockey: Lausanne (gegen Davos) und Servette (gegen Zug) sind schmählich und ruhmlos ohne einen einzigen Sieg aus den Playoffs geflogen. Die Folgen könnten für Genf dramatisch werden.
Verlässt Chris McSorley Servette nach 16 Jahren? Die Frage ist gar erlaubt, ob nun in Genf die Hockey-Götterdämmerung heraufzieht und dem Eishockey das gleiche Schicksal wie dem Fussball droht – nämlich die Zweitklassigkeit.
Der flamboyante Kanadier mag zwar Gerüchte über seinen Abgang nicht betätigen und sagt, leicht resigniert: «Ich bin immer noch der beste Mann für den Job.» Wohl wahr. Zwar sagt der legendäre Gil Montandon, ein exzellenter Kenner des welschen Hockeys: «Die Friedhöfe dieser Welt sind voll von Menschen, die unersetzlich schienen. Es wird in Genf auch ohne Chris McSorley weitergehen.» Wenn er sich da nur nicht täuscht.
Wie bei keinem anderen Hockeyunternehmen im Land steht und fällt Servette mit einem Mann. Mit Chris McSorley. Auf und neben dem Eis. Er hat dieses Hockeyunternehmen 2001 in der NLB übernommen, mit Hilfe von amerikanischen Investoren aufgebaut und zum besten Sportunternehmen der Westschweiz entwickelt – die beste Nachwuchsorganisation des welschen Hockeys inklusive. Geht er, werden die Folgen gravierender sein als bei einem Abgang von Arno Del Curto in Davos oder von Marc Lüthi in Bern.
Das klägliche Scheitern gegen Zug steht durchaus im Zusammenhang mit seiner Desillusionierung. Inzwischen weiss McSorley, dass der Traum einer neuen Arena in Genf wohl für immer ein Traum bleiben wird. Dass es nicht möglich ist, in der Stadt Genf genügend Einnahmen zu erwirtschaften, um ein Spitzenteam zu finanzieren.
Die neuen kanadischen Investoren haben seine Position geschwächt: Sie beanspruchen jetzt das letzte Wort in allen Dingen. Aber ein «Alphatier» wie Chris McSorley funktioniert nicht als «Betatier». Gegen den Willen des Kanadiers holten die neuen Besitzer Captain Goran Bezina zurück. Der Verteidigungsminister hatte Servette im letzten Frühjahr im Unfrieden verlassen und diese Saison in der russischen KHL bei Zagreb verbracht.
Der rasche Zerfall der Mannschaft, die Auflösung der Disziplin, die überbordenden Emotionen nach einer unglücklichen Startniederlage in Zug stehen im direkten Zusammenhang mit der internen Destabilisierung des Cheftrainers. Er liess die Dinge treiben. Der einstige «Krieger» in sportlichen Dingen hat resigniert.
Bereits wird die Frage gestellt: Wohin geht Chris McSorley? Der Bruder der NHL-Legende Marty McSorley ist in Nordamerika bestens vernetzt. Ein Job in der NHL ist durchaus möglich. Er hatte schon in der Vergangenheit verschiedene Möglichkeiten.
In der Schweiz gibt es eigentlich nur zwei Destinationen: Erstens Lugano. Hier würde er, wenn ihm die Milliardärin Vicky Mantegazza freie Hand lässt, in drei Jahren ein Team zusammenstellen, das selbst das «Grande Lugano» der 80er-Jahre in den Schatten stellen würde. Dieses «Grande Lugano» (vier Titel in fünf Jahren) hatte der Schwede John Slettvoll aufgebaut – und ihm hatte Präsident Geo Mantegazza (der Vater der aktuellen Präsidentin) freie Hand gelassen.
Zweitens Lausanne. Möglich wäre eine Züglete zum Erzrivalen allerdings nur, wenn es dort nach dem ruhmlosen Scheitern gegen den HC Davos zu einem «Housecleaning» käme, also einer Neubesetzung aller wichtigen Positionen. Was bei weiterlaufenden Verträgen von Sportdirektor Jan Alston und Trainer Dan Ratushny eher unwahrscheinlich ist.
Lausannes Scheitern kommt nicht überraschend. Die Mannschaft hat noch keine sturmerprobte Playoff-Kultur. Die Leitwölfe wissen nicht, wie man Meisterschaften gewinnt. Etienne Froidevaux, der wichtigste Schweizer Spieler, war als Hinterbänkler Meister mit dem SC Bern. Aber als Leitwolf der SCL Tigers stieg er in die NLB ab. Ratushny ist ein charismatischer Bandengeneral und wer will, kann ihn durchaus als Westentaschenversion von Ralph Krueger rühmen. Aber bis heute hat er sich erst in Operettenligen (NLB/Olten, DEL/Straubing, EBEL/Salzburg) bewährt.
In Lausanne wird eine neue Arena gebaut. Dieses Hockeyunternehmen hat ein enormes Entwicklungspotenzial und das Scheitern gegen den HCD können wir mit dem Motto «reculer pour mieux sauter» («einen Schritt zurück, um dann umso weiter zu springen») durchgehen lassen. Aber Servettes Untergang gegen Zug könnte der Anfang vom Ende der Genfer Hockeykultur sein. Das «Waterloo» für den grossen Hockey-Feldherrn Chris McSorley.