Die SCL Tigers haben ihren Zuschauern wieder einmal einen ganz besonderen Abend beschert, den niemand so schnell vergessen wird.
Von 19.45 Uhr bis nach 21.30 Uhr, fast zwei Stunden lang bangen und hoffen und zittern und leiden die aus nah und fern herbeigeeilten Männer, Frauen, Buben und Mädchen im ausverkauften Hockeytempel. Es ist zum Verzweifeln. Gottérons cooler Riese Barry Brust kontrolliert das Terrain um sein Tor herum wie ein guter Fussball-Goalie den Strafraum. Seine tapferen Vordermänner kontrollieren, blockieren das Spiel. Es ist alles wie italienischer Fussball. Aber ohne Schwalben.
Dann löst sich die ganze Spannung innert 146 Sekunden in stürmisch bejubelte Glückseligkeit auf. Nach 56:09 Minuten trifft Captain Pascal Berger zum 1:1. Nach 58:35 Minuten Eero Elo zum 2:1. Dieser Siegestreffer ist ein «Jahrzehnt-Tor». Der Finne wuchtet den Puck mit einem Direktschuss in die hohe Ecke.
Im 89. Spiel unter Heinz Ehlers der grösste Sieg. Diese Einschätzung stammt nicht etwa von einem euphorisierten Chronisten. Es ist die Einschätzung des grössten Realisten und Untertreibers unseres Hockeys. Die Einschätzung von Heinz Ehlers. Er sagt: «Es ist der grösste Sieg, seit ich hier bin. Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Spieler. Bis jetzt haben wir solche Spiele, die wir unbedingt gewinnen mussten, um dranzubleiben, immer verloren.»
Wo er recht hat, da hat er recht. Es ist in der Tat ein grosser Sieg. Die Hoffnung auf die Playoffs lebt weiter. Im Falle auch nur eines Punktverlustes wäre diese Hoffnung auf ein Minimum geschrumpft. Und für Gottéron ist es die Niederlage, welche die Playoffs kosten kann.
Ach, welch ein grosser Hockey-Abend. Was war das während fast zwei Stunden ein Schmähen und Kritisieren und Besserwissen nicht nur auf der Chronisten-Tribüne. Wie konnte Heinz Ehlers nur auf Cam Barker verzichten! Logisch, dass die Mannschaft im Powerplay kläglich versagt. Ohne den kanadischen Verteidiger fehlt ein Organisator des Powerplays und ein Scharfschütze von der blauen Linie. Und Cam Barker hat der Trainer ausgerechnet mit Eric Himmelfarb (35) ersetzt. Es sieht doch jeder, dass der kanadische Center überfordert ist. Er hat ja in Langnau nur einen Vertrag, weil die Hoffnung auf einen Schweizer Pass besteht. Aber er hätte wohl auch als Schweizer keinen Stammplatz. So und ähnlich wird auf der Chronisten-Tribüne gelästert.
Aber Heinz Ehlers hat bei der Mannschaftsaufstellung nicht einfach gewürfelt. Bei ihm hat alles, was er entscheidet, Hand und Fuss, Sinn und Zweck. Er sagt: «Nach der Sperre von Barker haben unsere Schweizer Verteidiger so aufopfernd gekämpft, dass sie eine weitere Chance verdient haben. Zumal jetzt Blaser wieder zur Verfügung stand. Mit Erkinjuntti fehlt uns der kreativste Stürmer (der Topskorer ist verletzt – die Red.) und deshalb habe ich Himmelfarb eingesetzt. Er brachte genau das, was ich mir von ihm erhofft habe. Er hat den Ausgleich vorbereitet und war auch am Siegestreffer beteiligt. Es war sein bisher bestes Spiel.»
Wieder einmal hat der grosse Taktiker Heinz Ehlers triumphiert. Und Sportchef Jörg Rebers Problem wird immer grösser: Diese Mannschaft ist «geheinzt». Will heissen: Nur Heinz Ehlers ist dazu in der Lage, mit diesen Spielern ein Maximum herauszuholen.
Jörg Reber hat in den letzten zwölf Monaten ausschliesslich Spieler transferiert, die ins taktische Konzept seines Trainers passen – und zu Langnaus Budget. Während die Konkurrenten meistens in den Transfer-Boutiquen eingekauft haben, hat Jörg Reber die Transfer-Brockenstuben durchstöbert und Spieler gefunden oder hat mit Spielern verlängert, für die eigentlich niemand so recht Interesse hatte. In keinem Fall ist der Preis durch eine Konkurrenzofferte in die Höhe getrieben worden. Das gilt auch für die Neuen, die für die nächste Saison kommen (Glauser, Leeger, Diem). Die SCL Tigers haben die kostengünstigste Mannschaft der Liga.
Heinz Ehlers hat aus diesen «Desperados», verkannten Talenten und «Defensivsoldaten» eine konkurrenzfähige Mannschaft geschmiedet. Kein anderer Trainer der Liga holt aus so wenig Talent so viel heraus.
Im Grunde ist Heinz Ehlers Langnaus Antwort auf Kari Jalonen. Er lehrt eine verblüffend ähnliche Hockey-Philosophie wie der SCB-Erfolgstrainer. Aber Kari Jalonen setzt diese Hockeylehre mit ungleich talentierterem und teurerem Personal durchschlagend erfolgreich um. Der SCB gibt für die Mannschaft und den Trainerstab rund doppelt so viel Geld aus wie Langnau. Mit Heinz Ehlers würde der SCB ziemlich genau gleich spielen wie jetzt mit Kari Jalonen.
Und damit kommen wir schliesslich und endlich zum grossen Problem von Jörg Reber: Wenn er Heinz Ehlers verliert, dann kann er ihn nicht ersetzen. Denn er hat eine Mannschaft zusammengestellt, die nur Heinz Ehlers zum Erfolg führen kann.
Geht der Trainer, dann fällt Jörg Rebers Transferkartenhaus in sich zusammen – und es droht im Frühjahr 2019 der Abstieg.
Die Ausgangslage scheint einfach zu sein. Schaffen die Langnauer die Playoffs, dann wird der Vertrag mit dem Trainer automatisch um ein Jahr verlängert. Was aber gar nichts heissen will. Heinz Ehlers fragt rhetorisch: «Was ist mit einem Trainer, der den Wunsch hat, zu gehen?» Richtig: Er darf gehen. Reisende soll man nicht aufhalten.
Heinz Ehlers sagt, er werde nächste Woche entscheiden, ob er bleiben oder gehen wird. «Bis zum 31. Januar werde ich Klarheit schaffen.» Wie diese Entscheidung ausfallen wird, lässt er offen. «Um Geld geht es nicht.» Es gibt auch keine Offerten von einem anderen Schweizer Klub, die ihn interessieren würden. Es geht dem Dänen vielmehr um einen persönlichen Grundsatzentscheid: Will er in den nächsten Jahren in der Schweiz leben und arbeiten?
Jörg Reber sitzt bis dahin wie auf glühend heissen Kohlen. Er sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Heinz Ehlers verlängern können.»
Die Chancen stehen gut, dass er sich in diesem Falle nicht schon wieder täuscht. Langnaus tüchtiger Sportchef war im Herbst auch zuversichtlich, mit Miro Zryd und Yannick-Lennart Albrecht verlängern zu können.
Beide werden nächste Saison in Zug spielen.