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Ob Sieg oder Niederlage: Chris McSorley (54) ist auch in seiner 17. NLA-Saison immer für eine Story gut. In der Niederlage ist er mit seinem zornigen Sarkasmus eher noch unterhaltsamer als im Erfolg. Und wenn er bei einem der Titanen in der Deutschschweiz verloren hat, zaubert er verlässlich eine schöne Verschwörungstheorie aus dem Hut.
Aber nach dem 0:5 in Bern ist er nur mit halbem Herz zornig. Er hat sich schon während des Spiels nicht aufgeregt. Und erst als ein Chronist besorgt fragt, ob er altersmilde geworden sei, nimmt er sich zusammen und poltert: «Habt ihr diesen Bandencheck gesehen? Muss es erst Tote geben, bis die Liga gegen Tristan Scherwey endlich Massnahmen ergreift?» Die Männer, die im Bärengraben des Berner Hockeytempels um den grossen Bandengeneral herumstehen, schauen sich ungläubig an. Wovon redet der Mann? Niemand hat ein lebensgefährliches Foul des Berner Vorkämpfers gesehen.
Chris McSorley merkt, dass sich so billig keine kernige Polemik anzetteln lässt, und wechselt das Thema. Er hat ja gute Gründe für die sportliche Chancenlosigkeit und weist darauf hin, dass ihm sechs wichtige Spieler verletzungshalber fehlen. So sei in Bern nichts auszurichten. Servette wird am nächsten Abend in Genf auch gegen Zug verlieren (1:2) und hat nur noch zwei Punkte Reserve auf den 9. Platz.
Aber ein wenig ist Chris McSorley auch selber schuld. Er hat in früheren Jahren schon besseres ausländisches Personal rekrutiert. Wir können davon ausgehen, dass er seine Irrtümer bald korrigieren und neue Ausländer engagieren wird.
Die Bemerkung, er wirke ein bisschen altersmild, lässt er nicht auf sich sitzen. «Man sollte sich nicht täuschen. Ich bin wie eine Ente. Oben bin ich ruhig, aber unter Wasser paddle ich wie verrückt.» Das ist ein gutes Bild. Die freundliche Ente, die scheinbar friedlich übers Wasser gleitet. Wie sehr sie mit den Füssen unter Wasser arbeitet, arbeiten muss, sehen wir nicht.
Das Bild der Ente können wir aber auch anders interpretieren. Eine Ente mag noch so emsig auf dem Teich herumschwimmen – darauf, ob sie ein neues Häuschen bekommt, hat sie keinen Einfluss. Chris McSorley hat Servette zum bestfunktionierenden Sportunternehmen der Romandie aufgebaut. Servette ist sein Hockey-Lebenswerk. Aber krönen kann er es nur, wenn er eine neue Arena bekommt. Im schäbigen Stadion «Les Vernets» bleibt Eishockey auf alle Zeiten ein Verlustgeschäft.
Seit McSorley die Anteile am Unternehmen von der Anschutz-Gruppe übernommen hat – die Amerikaner stiegen nach einer Anschubfinanzierung nach drei Jahren wieder aus – hat er inzwischen mehr als zehn Jahre lang mit seinem Charme Investoren aus allen vier Ecken der Welt, aus der Schweiz, aus Russland und aus Amerika, immer wieder für «sein» Servette begeistert. Könnte er aus dem Spielbetrieb zwei Millionen Franken mehr herausholen, dann wäre er wohl in der Lage, ein Meisterteam zusammenzustellen. Aber diese Millionen kann er nur in einem neuen Stadion verdienen.
Der McSorley-Clan ist überaus geschäftstüchtig. Wenn ein McSorley aus einem Geschäft aussteigt, dann sollten wir aufmerksam werden und genauer hinsehen. Chris McSorley hat seine Anteile an Servette verkauft. Er ist nicht mehr Miteigentürmer. Er ist «nur» noch der wichtigste und mächtigste Angestellte. Ein wahrer McSorley – und Chris ist ein wahrer McSorley – verkauft niemals Anteile an einem Geschäft, an das er glaubt.
Ist Chris McSorley ausgestiegen, weil er ahnt, dass alles strampeln und paddeln nichts mehr bringt, dass es in Genf in absehbarer Zeit keine neue Arena geben wird? Weil er nicht mehr an das Geschäftsmodell Servette glaubt? Könnte es gar sein, dass der Mann, den die lokalen Medien als «Jesus Chris» verehren, seinen Abgang in Genf vorbereitet? Um der grosse Zampano in Lausanne zu werden? Dort wird eine neue Arena gebaut und die Voraussetzungen sind so gut, dass aus dem HC Lausanne ein SC Bern der Romandie werden kann.
Chris McSorley von Genf nach Lausanne: Es wäre ein Erdbeben, das den welschen Sport in den Grundfesten erschüttern würde. Es könnte ja sein, dass diese Ente tatsächlich einen friedlichen Eindruck erweckt und unter Wasser wie verrückt paddelt. Aber nicht mehr, um Servette voranzubringen. Sondern um von Servette wegzukommen.
Solche Spekulationen weist McSorley weit von sich. Er bestätigt zwar, dass er tatsächlich nicht mehr Mitbesitzer ist. Aber er spielt die Sache herunter: «Das ist keine grosse Neuigkeit, ich habe doch meine Anteile schon vor zwei Jahren verkauft.» Er fühle sich nach wie vor sehr wohl in Genf und rühmt, dass er jetzt mit Lorne Hening (64) einen überaus kompetenten Mitstreiter und Berater um sich habe. Tatsächlich war der Kanadier zehn Jahre lang in der Chefetage der Vancouver Canucks tätig, die letzten sieben als Assistent des General Managers. Wir sind jetzt nicht so boshaft und fragen, warum einer auf einmal in Genf tätig wird und nicht mehr in der NHL, der wichtigsten Liga der Welt, in der Chefetage sitzt.
Servette ist ohne Chris McSorley so wenig denkbar wie Davos ohne Arno Del Curto, wie der SC Bern ohne Marc Lüthi oder wie der HC Lugano ohne die Familie Mantegazza. Und doch werde ich den Gedanken nicht mehr los, dass es in absehbarer Zeit ein Servette ohne Chris McSorley geben könnte.