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Ruhe vor dem Sturm: Langnau-Coach Heinz Ehlers steht unter Druck

Langnaus Cheftrainer Heinz Ehlers dirigiert seine Spieler im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SCL Tigers und dem EHC Biel, am Freitag, 29. September 2017, in der Ilfishal ...
Unter strenger Beobachtung: Langnaus Coach Heinz Ehlers.Bild: KEYSTONE
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Sieben Spiele Hockey-Frieden für Langnaus Trainer Heinz Ehlers

Es gibt schon im September Spiele, die darf ein Trainer unter gar keinen Umständen verlieren. Heinz Ehlers hat so ein Spiel mit den SCL Tigers gegen Biel 2:1 gewonnen. Nun hat er bis zum 24. Oktober Ruhe.
30.09.2017, 08:5230.09.2017, 16:48
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Vor der Partie wird über Langnaus bitterernste sportliche Situation (Schlusslicht) gescherzt. Kevin Schläpfer ist letzte Saison in Biel entlassen worden. Aber Biel muss ihm noch bis im nächsten Frühjahr den Lohn bezahlen. Diese Salärzahlungen laufen über die ordentliche Erfolgsrechnung. Frage also: Wenn Kevin Schläpfer nun im Laufe dieser Saison einen Job findet, was macht Biel dann mit dem freigewordenen Geld?

Spassvögel machen ein paar Vorschläge. Zum Beispiel: Manager Daniel Villard und Sportchef Martin Steinegger dürfen für ihre verdienstvolle Arbeit zwei Wochen auf Klubkosten Luxus-Ferien machen. Oder Sportchef Martin Steinegger versucht, die Rückkehr von Verteidigerhaudegen Dave Sutter von den ZSC Lions einzufädeln. Oder er legt das Geld beiseite. Um Luganos Philippe Furrer eine Offerte zu machen, die der Nationalverteidiger einfach nicht ablehnen kann.

Hätte Langnau gegen Biel verloren, wäre die «parlamentarische Immunität» von Trainer Heinz Ehlers aufgehoben worden. Will heissen: Eine Diskussion um eine Amtsenthebung von Heinz Ehlers, in Langnau nach wie vor so undenkbar wie Bigamie im Vatikan, hätte begonnen. Nicht nur in den Wirtshäusern. Auch intern. Im Verwaltungsrat. Und in der Kabine.

Kevin Schläpfer ante portas!

Heimniederlagen gegen Biel haben im Bernbiet halt immer wieder schicksalsschwere Bedeutung. Marc Lüthi feuerte seinen Meistertrainer Antti Törmänen im November 2014 nach einem 1:4 gegen Biel. Und vor einem Jahr entschied der Verwaltungsrat in Langnau nach einem 2:5 gegen Biel Trainer Scott Beattie zu feuern. Der Kanadier wurde noch eine Partie im Amt belassen (die er in Kloten gewann) und dann durch Heinz Ehlers ersetzt.

Nach dem 0:4 in Kloten hätte sich Heinz Ehlers eine Heimniederlage gegen Biel nicht mehr leisten können. Kevin ante portas! Sportchef Jörg Reber hätte auf Geheiss des Verwaltungsrates ins Baselland hinunter telefonieren und sich bei Kevin Schläpfer nach dem Befinden erkundigen müssen. Und die Polemiker hätten die Computer geölt.

Biels Head Coach Kevin Schlaepfer, waehrend dem Meisterschaftsspiel in der NLA zwischen dem EHC Biel und den SCL Tigers, am Freitag, 11. November 2016, in der Tissot Arena in Biel. (KEYSTONE/Marcel Bi ...
Übernimmt er bald im Emmental? Ex-Biel-Coach Kevin Schläpfer.Bild: KEYSTONE

Aber die SCL Tigers haben die Partie gegen Biel gewonnen. Warum? Wir können uns eine tiefschürfende Analyse ersparen. Die Statistik liefert uns die Antwort. Hier die Fangquote der Torhüter. Spiel für Spiel. Diese Zahlen sind Gospel. Wahrheit. In Stein gemeisselt.

  • Spiel 1 – ZSC Lions 3:4 n. V. Ivars Punnenovs 85,71 %
  • Spiel 2 – Biel 3:6. Damiano Ciaccio nach dem dritten Gegentreffer mit einer Quote von 66,67 % ausgewechselt.
  • Spiel 3 – 3:5 ZSC Lions. Ivars Punnenovs 87,10 %
  • Spiel 4 – 2:3 Zug. Damiano Ciaccio 88,89 %
  • Spiel 5 – Ambri 3:5. Ivars Punnenovs nach zwei Dritteln verletzt ausgewechselt. Quote 78,95 %
  • Spiel 6 - 3:2 n. V. Servette. Damiano Ciaccio 93,44 %
  • Spiel 7 – Kloten 0:4. Damiano Ciaccio 84,00 %
  • Spiel 8 - Biel 2:1. Ivars Punnenovs 97,56 %

Wir können nach dem 2:1 gegen Biel, Langnaus erstem Drei-Punkte-Sieg im laufenden Championat, viele Helden feiern. Wie immer nach einem Sieg. Beispielsweise den sanften Riesen Thomas Nüssli, der am Ursprung beider Treffer steht. Mit 7 Punkten Langnaus bester Schweizer Skorer. Im Alter von 35 Jahren. Er dürfte der beste alte Spieler der Liga sein. Im letzten Drittel spielte er defensiv überragend und organisierte echtes «Heinz-Ehlers-Hockey» mit dem zurückhängenden Stürmer. Biel kam nicht mehr zu Überzahlsituationen.

Auf den Torhüter kommt's an

Aber Thomas Nüssli wäre ohne die Paraden von Ivars Punnenovs kein Held geworden. Erst der lettische Nationaltorhüter mit Schweizer Lizenz hat Langnaus Sieg möglich gemacht. Er hielt exakt doppelt so viele Schüsse (40) wie Biels Jonas Hiller (20). Der verdient dafür doppelt so viel wie Ivars Punnenovs.

Niemand weiss besser als Heinz Ehlers, wie viel er in dieser Partie seinem letzten Mann verdankt. Er ist kein Mann des billigen Einzellobes. Aber er rühmte nach der Partie: «Ivars hat unglaublich gespielt.» Für einmal war Heinz Ehlers weder grantig noch zu freundlichen Scherzen aufgelegt. Er war einfach unendlich froh und erleichtert und fast seufzend bilanzierte er: «Lieber schlecht spielen und gewinnen als gut spielen und verlieren.» Wo er recht hat, da hat er recht.

Tigers Goalie Ivars Punnenovs, wehrt ab waehrend dem Meisterschaftsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und den ZSC Lions, am Freitag, 8. September 2017, in der Ilfishalle in Langnau. (K ...
«Unglaublich gespielt»: Ehlers lobt Torhüter Ivars Punnenovs.Bild: KEYSTONE

Wir sind damit zu den Ursprüngen des Hockeys zurückgekehrt. Eine mässig talentierte Mannschaft wie Langnau kann ein Spiel nur gewinnen, wenn der Torhüter viel mehr als 90 Prozent der auf ihn hereinprasselnden Pucks abwehrt. Ob ihm die Vorderleute helfen oder ihn im Stich lassen, ist unerheblich. Gute Goalies brauchen für gute Abwehrquoten gute Vorderleute. Grosse Torhüter erreichen unabhängig von ihren Vorderleuten formidable 90er-Abwehrquoten. Ivars Punnenovs war für einmal nicht bloss ein guter, sondern ein grosser Torhüter. Er hat Heinz Ehlers und Sportchef Jörg Reber eine Atempause verschafft.

Schicksalsspiel gegen Ambri

Der Sieg gegen Biel beschert Heinz Ehlers nun sieben «Ponyhof-Spiele». Es wird also in Bezug auf seine «parlamentarische Immunität» unerheblich sein, ob er die nächsten sieben Partien gegen Lugano, Gottéron, Lausanne, Bern, Davos, die ZSC Lions und Zug gewinnen oder verlieren wird. Sieben Zwerge hinter den sieben Bergen, sieben Tage hat die Woche, sieben Tage dauerte die Erschaffung der Welt, es gibt die sieben Tugenden und die sieben Todsünden, die sieben fetten und die sieben mageren Jahre. Und nun die sieben (Spiel-) Tage Hockeyfrieden für Heinz Ehlers.

Das nächste Spiel, das Langnaus kultiger Trainer unter gar keinen Umständen verlieren darf, folgt erst am 24. Oktober auf eigenem Eis gegen Ambri. Bis dahin ist mit dem 2:1 gegen Biel seine «Unentlassbarkeit», seine «Unkritisierbarkeit», ja, sein «Unfehlbarkeits-Dogma» garantiert. In Stein gemeisselt. Und ganz nebenbei: Bis dahin muss Biel weiterhin das Salär von Kevin Schläpfer bezahlen.

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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eatsleepplayhockey
30.09.2017 12:46registriert April 2017
bevor irgend eine diskussion über heinz ehlers entfacht sollte jörg reber seinenplatz räumen. ich glaube auch nicht, dass kevin schläpfer in den nächsten 10 jahren wieder einen nla klub finden wird. aber der eismeister hat schon recht und das hat man in den vergangenen jahren auch immer wieder gesehen. ohne topgoalie werden langnau, ambri, biel, lausanne und kloten die playoffs nie schaffen.
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Grundi72
30.09.2017 12:52registriert Dezember 2015
Könnt ihr bitte nicht zukünftig Adrian Bürgler vermehrt über Hockey schreiben lassen? Er schreibt die viel interessanteren und vor allem besser recherchierten Berichte als Zaugg, der die gleichen 6 Sätze seit 20 Jahren zu jedem Thema in etwas neuer Reihenfolge dahinbrünzelt..
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42
Alles eine Frage der Dosierung – spielen die Refs im Final eine Rolle?
Die Schiedsrichter waren während der Qualifikation meistens gut und berechenbar und während der Playoffs bisher sogar sehr gut. Die grosse Bewährungsprobe folgt ab heute im Final zwischen den ZSC Lions und Lausanne.

Wer eine lose Umfrage über die Qualität der Schiedsrichter macht – am Stammtisch, bei Sportchefs oder Managern –, bekommt in der Regel Antworten, die zwischen «miserabel» und «völlig ungenügend» tendieren. Die Beurteilung wird natürlich stark vom Ausgang des vorangehenden Spiels beeinflusst – alle sind ja mehr oder weniger Sympathisanten eines Klubs und alle gehören halt hin und wieder oder manchmal auch meistens zu den Verlierern.

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