So viele Fragezeichen wie vor dieser Saison hatte es in Davos seit dem Wiederaufstieg von 1996 nicht mehr gegeben. Ja, zum ersten Mal wurde das Undenkbare gedacht: An das erstmalige Verpassen der Play-offs unter Arno Del Curto. Es hat alle Titanen schon einmal erwischt: die ZSC Lions, Lugano, Zug und vor einem Jahr sogar Titelverteidiger SC Bern. Nur den HCD noch nie.
Aber Davos ist drauf und dran, seinen Problemen wieder einmal im besten Wortsinne davonzulaufen. Und Marcel Kull geniesst als «Torhüterflüsterer» inzwischen Kultstatus. Das riskante Experiment mit den zwei jungen Torhütern Gilles Senn (20) und Joren van Pottelberghe (19) ist geglückt.
Noch sind die Play-offs nicht definitiv gesichert. Noch ist der HCD kein Titan. Arno Del Curto sagt, dass die jungen Spieler noch zu viele Fehler machen. Das sei normal und kein Grund zur Sorge. Die grösste Schwäche ist inzwischen die Torproduktion. Die Offensive gehört zur DNA dieses Teams – aber diese Saison haben die ZSC Lions (136), Lausanne (131), Bern (128), Zug (125) und Biel (120) mehr Tore erzielt als Davos (119). Der offensive Ertrag ist gemessen am Energie- und Tempoaufwand zu gering.
Aber die Mannschaft hat ein enormes Entwicklungspotenzial. Deshalb sagt Arno Del Curto bereits jetzt: «Wir werden auf nächste Saison keine Schweizer Transfers machen.» Während die Konkurrenz fleissig transferiert, verzichtet der HCD also auf Zuzüge. Einerseits aus wirtschaftlichen Gründen – aber auch weil Arno Del Curto überzeugt ist, dass er mit dieser Mannschaft in den nächsten drei Jahren sehr weit kommen kann.
Die grössten HCD-Fans sitzen zurzeit in Bern, Zürich und Zug. Wenn Davos den 5. Platz halten kann, dann bleibt dem SC Bern, den ZSC Lions und dem EV Zug in den Viertelfinals mit ziemlicher Sicherheit eine Auseinandersetzung mit Davos erspart. Ein wilder, energiegeladener HCD ist für die Titanen ein äusserst unangenehmer Gegner. In der Aussenseiterrolle hat sich Arno Del Curto schon immer wohl gefühlt.
Vorerst beschäftigt er sich noch mit der Gegenwart. Er hat einen zusätzlichen ausländischen Stürmer für den Rest der Saison verpflichtet. Ahren Spylo ist treffsicher (oder war es in der Vergangenheit) – aber auch schon 33 und hat diese Saison noch nicht gespielt. Biels ehemaliger Kanadier hat einst im Herbst 2006 seine Reise durch Europa mit 17 Partien in Davos begonnen und stürmte seither für Langnau, die Lakers, Hamburg, Nürnberg, Tschechow, Mannheim und Biel.
Im letzten Frühjahr hat er in Biel keinen Vertrag mehr bekommen und sich seither in seiner nordamerikanischen Heimat fit gehalten. Aber Arno Del Curto stellt richtigerweise die Frage: «Kann er unser Hockey spielen?» Und er hat lange hin und her überlegt, sich nun heute Vormittag aber entschieden.
Ahren Spylo muss bis zu den Play-offs bereit sein. Aber reichen fünf Wochen, um schnelle Beine zu bekommen? Der HCD ist eine der schnellsten Mannschaften ausserhalb der NHL. Nun, wenn einer Ahren Spylo Beine machen kann – dann Arno Del Curto.