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Wenn Männer zu sehr siegen – das Warten auf die erlösende Niederlage

Die SCL Tigers können derzeit tun und lassen, was sie wollen – und sie gewinnen doch.
Die SCL Tigers können derzeit tun und lassen, was sie wollen – und sie gewinnen doch.Bild: KEYSTONE
Unheimliche Siegesserie der SCL Tigers

Wenn Männer zu sehr siegen – das Warten auf die erlösende Niederlage

Dieses Problem hatte wohl noch kein Team seit Gründung der Nationalliga (1938): Die SCL Tigers wissen nicht mehr, wie sie das Gewinnen abstellen können.
28.11.2014, 07:3128.11.2014, 09:34
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Inzwischen führen die SCL Tigers die NLB-Tabelle mit 12 Punkten Vorsprung an. Sie gewannen gegen Langenthal (3:2 n.V.) zum siebten Mal in Serie und zum elften Mal in den letzten zwölf Partien. Vor allem aber gewinnen sie und wissen nicht mehr so recht warum. Das ist besonders gefährlich und vor einem Jahr den Oltnern zum Verhängnis geworden. Sie beendeten die Qualifikation mit zehn Punkten Vorsprung auf Platz 1 und scheiterten in den Viertelfinals. Seither kommen sie nicht mehr recht in die Gänge.

Es war der legendäre Motorsport-General Enzo Ferrari, der eine Sportweisheit für die Ewigkeit kreierte: Es sei wichtig zu wissen, warum man verliere. Aber es sei noch wichtiger zu wissen, warum man gewonnen habe.

Irgendwie geht die Scheibe dann schon rein: Simon Sterchi und Yannick-Lennart Albrecht vor dem Tor von Langenthal-Keeper Vincenzo Küng.
Irgendwie geht die Scheibe dann schon rein: Simon Sterchi und Yannick-Lennart Albrecht vor dem Tor von Langenthal-Keeper Vincenzo Küng.Bild: KEYSTONE

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Die Überlegenheit der SCL Tigers in der NLB hat beinahe groteske Züge angenommen. Wie sie es auch anstellen – sie gewinnen. Gegen Langenthal hätte es unter normalen Umständen eine Niederlage abgesetzt. Fünf Verteidiger verletzt. Nur noch einer der beiden Ausländer einsatzfähig. Eine weit fortgeschrittene spielerische Wohlstandsverwahrlosung. Defensive Sorglosigkeit. Ein taktisch kluger, defensiv solider, bissiger Gegner mit einem starken Torhüter und ohne Angst vor grossen Tieren.

Und tatsächlich: Die Langnauer kassieren den Ausgleich (1:1) in Überzahl und nach dem 1:2 beginnt auf den oberen Sitzplatzreihen ein seltsames Ritual. Ein paar Herren zücken das Portemonnaie. Ein Kadermitglied einer lokalen Grossbank ist leidenschaftlicher Tiger- Anhänger und wettet in jedem Spiel auf eine Niederlage seines Teams. Gewinnen die Langnauer ist er so glücklich, dass er gerne zahlt. Verlieren sie, so bekommt er als Trost den Wettgewinn. Nach dem 1:2 sind alle so sehr von der Niederlage überzeugt, dass die Wetten vorzeitig ausbezahlt werden. Hinterher wird das Geld wieder zurückgefordert.

Denn es ist wieder einmal alles anders gekommen. Chris DiDomenico versenkt einen Penalty zum 2:2-Ausgleich und legt für Tobias Bucher den Siegestreffer in der Verlängerung auf.

Kugelsichere Siegerwesten

Es ist zeitweise Hockey wie vor 30 Jahren. Langsam, beschaulich, viel Zeit für alle bei der Scheibenannahme. Alles garniert mit einer Portion Eigensinn. Ja, wahrscheinlich hat es seit Ernst Hirschi (bester Torschütze 1960) und Peter Sullivan (Topskorer 1982 und 1983) im Nationalliga-Hockey nie mehr eine solche Kultur des spielerischen Eigensinnes gegeben.

Wieder ein Sieg: Die Tigers haben gegen Langenthal zum siebten Mal in Serie gewonnen.
Wieder ein Sieg: Die Tigers haben gegen Langenthal zum siebten Mal in Serie gewonnen.Bild: Urs Lindt/freshfocus

Der Kanadier Chris DiDomenico erzwingt mit einem Solo den Penalty zum 2:2 und reiht Alleingang an Alleingang. Ein solches Spektakel ist eigentlich im Hockey des 21. Jahrhunderts nicht mehr möglich und führt unweigerlich in die Niederlage. Es ist ein Spektakel, das man im Stadion gesehen haben muss, um es zu verstehen.

Aber die Langnauer sind in kugelsicheren Siegerwesten gewandet. Weder die Fehlpässe von «Taglöhner» Christian Moser – der Verteidiger wird vorerst für diese Woche von Biel an Langnau ausgeliehen – noch alle sonstigen Malheurs führen in die Niederlage. NLB-Eishockey ist, wenn am Ende immer Langnau siegt. Der Unterhaltungswert ist hoch. Aber der sportliche Wert im Hinblick auf die Playoffs zu gering. Es ist, als würde man sich mit Jassen auf eine Schachweltmeisterschaft vorbereiten.

Alleingang der Tigers schreit nach Liga-Reform

Im November sind die Teams in der Regel froh, dass noch über zehn Wochen bleiben, um Spiel und System für die Playoffs zu justieren. Die Langnauer sind froh, dass ihnen noch so viel Zeit bleibt, um mit der Leichtigkeit des Siegens leben zu lernen. Was, wenn der Absturz kommt? Wer findet dann den Weg zurück auf die Siegesstrasse?

Es ist verrückt, aber kommt der Wirklichkeit recht nahe: In Langnau warten alle auf die erlösende Niederlage. Und weil der Teufel im emmentalischen Eishockey seit den Zeiten der «Schwarzen Spinne» nie mehr schläft, kommt die nächste Pleite mit ziemlicher Sicherheit am 15. Dezember im Cup-Jahrhundertspiel gegen den SC Bern.

Die Ilfis-Halle in Langnau ist definitv NLA-tauglich.
Die Ilfis-Halle in Langnau ist definitv NLA-tauglich.Bild: Urs Lindt/freshfocus

Während in der NLB die SCL Tigers ausser Konkurrenz die Liga dominieren, sind in der NLA die Lakers so miserabel, dass sie schon wieder im November als chancenloses Schlusslicht ausser Konkurrenz noch ein bisschen mitspielen. Mit einem Team, das aus vier guten Ausländern und vier vierten Linien besteht. Das mag zeigen, wie dringend eine Modus-Reform, eine Öffnung der NLA nach unten eigentlich wäre. Mit einer Auf-/Abstiegsrunde nach der Qualifikation mit den vier Letzten der NLA gegen die vier Besten der NLB.

Es braucht nicht mehr viel Boshaftigkeit für die Behauptung, dass die Lakers mit ihrer europaweit einmaligen Kultur des Verlierens unserer höchsten Spielklasse eigentlich nicht mehr würdig sind. Und es macht keinen Sinn, ein Hockeyunternehmen mit der Infrastruktur und dem wirtschaftlichen und sportlichen Potenzial für die NLA wie die SCL Tigers auf Dauer in der zweithöchsten Liga wegzusperren.

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7 Kommentare
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super_silv
28.11.2014 09:33registriert August 2014
täglich grüsst das Murmeltier!

Wie war es denn mit Langnau dazumal in der NLA, einmal Playoffs geschafft und sonst au immer abgeschlagen. Zuerst vor der eigenen Haustüre wischen und nicht zu laut bellen.
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