Die Hockey-Titanic der Lakers hat einen letzten Funkspruch abgesetzt. Gestern ist folgende Meldung hereingeflattert:
«Damit sich die Spieler und Mitarbeiter der Lakers Sport AG vollumfänglich auf den Ligaerhalt konzentrieren können, hat der Verwaltungsrat heute entschieden, dass bis Saisonende weder Interviews geführt, noch Stellungnahmen abgegeben werden. Dies gilt insbesondere für alle Spieler, die Coaches, alle Staff-Mitglieder sowie die Sport- und Geschäftsleitung.»
Das Schweigen der Lakers. Gross ist nun die Spottlust des Chronisten. Ha, Spieler und Trainer sind am Ende ihrer Nervenkraft. Das Ende naht. Die Lakers sind inzwischen mental zerbrechlich wie ein billiges Plastik-Spielzeug.
Darüber hinaus ist diese offizielle Mitteilung über die Medienruhe zu wenig präzis. Ist auch das Kommunizieren ohne Worte auch verboten? Was, wenn ein Spieler auf eine Frage eines Chronisten nach Trainer Anders Eldebrink zwar schweigt, aber grinsend den Stinkefinger zeigt oder den Vogel macht?
Der wahre Grund für das Redeverbot könnte auch sein, dass man auf diesem Wege erreichen will, dass die Spieler und Trainer gegenüber den Schiedsrichtern keine Stellungnahmen mehr abgeben. Mit diesem schlauen Schachzug wäre die notorische Reklamiererei endlich abgestellt, die den Lakers in heiklen Momenten bloss schadet.
Der bösartige Chronist kann auch einfach alte Zitate ausgraben und genüsslich die in die aktuelle Berichterstattung einweben. Es gibt ein altes Zitat von Vize-Bandengeneral Michel Zeiter aus jener fernen Zeit, als noch geredet werden durfte. «Bei uns ist das Verlieren in die Kabinenwände eingedrungen. Wir bringen es nicht mehr raus.»
Aber diese Häme ist nicht nur unfair. Sie ist auch leichtsinnig. Die Sportgeschichte lehrt uns nämlich, dass ein «Medien-Blackout» oder die «Silenzio Stampa» wundersame Kräfte entfalten kann. Zur Warnung sei hier die Geschichte des ersten offiziellen Medienboykottes der Sportgeschichte kurz erzählt.
Italien schleicht sich bei der Fussball-WM 1982 mit drei Remis (0:0 Polen, 1:1 Peru, 0:0 Kamerun) durch die Vorrunde. Mit beschämend unattraktivem Fussball. Fast so wie sich die Lakers diese Saison durch Qualifikation, die Platzierungsrunde und die Playouts geschlichen haben.
Das Unentschieden gegen Kamerun führt zum Eklat. Der Chronist Oliviero Beha von der römischen Tageszeitung «La Repubblica» mutmasst, die Italiener hätten mit dem französischen Trainer Kameruns das Resultat abgesprochen. Er recherchierte in Afrika, kann aber seine These nie beweisen, wird gefeuert – und sollte später beim Fernsehen zu einem der populärsten Sportjournalisten Italiens avancieren.
Ungeachtet aller Vorwürfe und mit nur drei Meisterschaftspartien Spielpraxis nach einer langen Sperre wegen eines Wettskandals nimmt Nationaltrainer Enzo Bearzot den Stürmer Paolo Rossi mit zur WM. Der «Skandal-Stürmer», mit dem gleichnamigen Töffrennfahrer nicht verwandt, bleibt in der Vorrunde ohne Treffer und hat auch in der Zwischenrunde gegen Argentinien Ladehemmung.
Die italienischen Medien stürzen sich förmlich auf den umstrittenen Stürmer und lancieren Gerüchte über ein angebliches homosexuelles Verhältnis zwischen Paolo Rossi und Verteidiger Antonio Cabrini (Rossi hat später geheiratet. Aber nicht etwa Antonio Cabrini, sondern Simonetta, mit der er einen Sohn hat). Zudem heisst es, dass die beiden gemeinsam in Kneipen unterwegs gewesen seien, und nicht nur gemeinsam tränken, sondern auch Drogen nähmen.
Der verschnupfte Enzo Bearzot reagiert in dieser kritischen Situation so wie mehr als 30 Jahre später die Lakers vor der Liga-Qualifikation gegen die SCL Tigers. Mit einer noch nie da gewesenen totalen Abschottung gegenüber allen Medien. Er gilt daher als Erfinder des sogenannten «Silenzio Stampa». Einem kollektiven Schweigen gegenüber allen Berichterstattern.
Was dann passierte, ist eine Warnung der Geschichte an alle, die die Lakers wegen ihres «Medien-Blackouts» verhöhnen. Paolo Rossi schlägt auf seine Weise zurück: Erst schiesst er in der Zwischenrunde den Turnierfavoriten Brasilien mit drei Treffern ab (3:2), dann macht er im Halbfinale gegen Polen mit seinen Treffern den Sieg perfekt (2:0) und schliesslich leitet er den Finalsieg mit dem Führungstreffer gegen Deutschland ein (3:1). Plötzlich ist er Torschützenkönig der WM 1982 und Volksheld – und Italien Weltmeister.
Wir sehen also, dass dem Schweigen auch eine unheimliche Kraft innewohnen kann. Zumal die Lakers ja auch in einem blauen Dress spielen wie die Italiener. Sie können allerdings, anders als die Italiener, nicht mehr Meister werden.
Die Chronistinnen und Chronisten haben zwar in den letzten Wochen den Lakers bei weitem nicht so arg zugesetzt wie damals in Spanien bei der WM 1982. Aber ein neutraler Beobachter kann sich des Eindruckes nicht ganz erwehren, dass im Hinblick auf die Liga-Qualifikation gegen die SCL Tigers emmentaltischen Schreibstuben so etwas wie eine Kampagne gegen die Lakers entwichen ist.
Lakers-Goalie Tim Wolf ist zwar nicht die Eishockey-Antwort auf den damaligen Weltmeister-Goalie Dino Zoff und nach der Sperre von Nicklas Danielsson haben die Lakers auch keinen Stürmer wie Paolo Rossi. Aber wenn wir diese Warnung der Geschichte beherzigen, dann müssen wir die Lakers nun wohl oder übel gegen die SCL Tigers fast ein «birebitzeli» favorisieren.