Nirgendwo in ganz England dürfte es am Sonntag so laut werden, wie um 14.37 Uhr an der Anfield Road. Dann, wenn Schiedsrichter Mark Clattenburg das Gipfeltreffen zwischen Tabellenführer Liverpool und dem drittplatzierten Manchester City anpfeift, werden bei den 45'522 Fans im Stadion alle Dämme brechen.
Für die Fans der «Reds» ist es ohnehin ein hochemotionaler Tag. Sie gedenken der Supporter aus ihren Reihen, welche vor 25 Jahren bei der Tragödie von Hillsborough ihr Leben verloren haben. 96 Menschen wurden am 15. April 1989 beim Spiel gegen Nottingham Forest auf der völlig überfüllten Tribüne zu Tode getrampelt oder am Zaun zerquetscht.
Die ungewöhnliche Anspielzeit mit sieben Minuten Verspätung ist dem Respekt vor diesen Opfern geschuldet. Der Gastgeber gedenkt seinen Anhängern ausserdem mit einem speziellen Aufnäher auf den Trikots. Auch alle anderen Premier-League-Partien des Wochenendes beginnen sieben Minuten später.
Liverpool-Trainer Brendan Rodgers verlangt von seiner Mannschaft, dass sie den Verstorbenen auch auf dem Platz ein Denkmal setzt: «Ich weiss, dass 96 Menschen im Himmel sind, welche dieses Team immer unterstützen werden. Wir wollen diesen Meistertitel für sie und die grossartige Fussball-Familie von Liverpool holen.»
Denn um nichts weniger als eine Vorentscheidung in der Premier League geht es in diesem Spiel aus sportlicher Sicht. Fünf Runden vor Schluss hat Liverpool vier Punkte Vorsprung auf Manchester City, welches aber seinerseits zwei Spiele weniger bestritten hat. Beide Teams können den Titel also noch aus eigener Kraft erringen. Der Tabellenzweite Chelsea hingegen muss dafür auf ein Unentschieden in diesem Spitzenkampf hoffen.
Liverpool vertraut im Endspurt um den ersten Meistertitel seit 24 Jahren hauptsächlich auf seine überragende Offensiv-Abteilung um Luis Suárez (29 Tore) und Daniel Sturridge (20 Tore). Die «Reds» haben in den bisher 33 Ligaspielen bereits sagenhafte 90 Tore erzielt. Das sind schon jetzt vier mehr als Manchester United im letzten Jahr am Ende seiner Meistersaison. Aber auch die Bilanz von Manchester City kann sich sehen lassen. 84 Treffer hat die Truppe von Manuel Pellegrini bisher gebucht. Der Ivorer Yaya Touré (18 Tore) und der Gaucho Kun Agüero (15 Tore) sind hauptverantwortlich dafür. Wer beim Aufeinandertreffen dieser beiden Torfabriken auf ein Spektakel der Sonderklasse hofft, dürfte höchstwahrscheinlich nicht enttäuscht werden.
Auch bei der restlichen Statistik hat Liverpool die Nase vorn. An der Anfield Road waren bisher in dieser Saison vier der sieben topplatzierten Teams zu Gast. Alle haben eine Niederlage kassiert. Den entfesselten «Reds» gelangen dabei 14 Tore bei nur einem Gegentreffer. Manchester City muss sich mächtig strecken, wenn es den ersten Sieg seit 11 Jahren bei Liverpool realisieren will.
Was zusätzlich für Liverpool spricht, ist die Nichtnomination von Englands Top-Schiedsrichter Howard Webb für diesen Titelkampf. Der 44-Jährige wird seit einer unterirdischen Performance in der FA-Cup-Begegnung zwischen Arsenal und Liverpool vor zwei Monaten mit der Leitung von unwichtigen Spielen abgestraft. Webb hatte zuletzt den Ärger der Liverpool-Supporter mit diversen Fehlentscheidungen gegen die «Reds» auf sich gezogen.
@UtdBeforeFergie Howard Webb tells Suarez why he never gave a spot kick pic.twitter.com/gjnhhb5kes
— Darren_Seddon (@darrenseddon) December 29, 2013
Wer noch kein Ticket hat und trotzdem live im Stadion sehen will, ob Liverpool diese Ausgangslage nutzen kann, muss tief in die Tasche greifen. Im Laufe der Woche hat die Preisentwicklung für Eintrittskarten zum Kracherspiel auf verschiedenen Online-Plattformen absurde Blüten getrieben. Auf livetickets.com etwa, verlangte ein Verkäufer für zwei Plätze auf der Haupttribüne umgerechnet rund 7300 Franken. Der Originalpreis liegt bei 76 Franken pro Platz. Ein einziges Ticket in der legendären Kurve «Kop» soll mit 1160 Franken mehr als ein Saisonabo (1039 Franken) kosten.