Ein paar Tage sind es schon gewesen, die Tranquillo Barnetta weg war. Um genau zu sein: 4642 vom letzten Spiel bis zum Comeback. Weg vom FC St.Gallen, den er als 19-Jähriger verlassen hatte, um in die grosse weite Welt des Fussballs hinauszuziehen. Vergessen gegangen war er in der Ostschweiz in all den Jahren aber nicht. Viele Fans waren deshalb richtig enttäuscht, als er sich nach 11 Bundesligajahren im Sommer 2015 nicht für die Heimat entschied, sondern in Philadelphia noch einmal etwas Neues erleben wollte.
Es gefiel ihm dort. Er spielte gut, schoss ein paar Tore, war Captain und Publikumsliebling und entschloss sich im Herbst letzten Jahres dann doch, sein Versprechen einzulösen. Eines Tages werde er zum FC St.Gallen zurückzukommen, hatte er bei seiner Verabschiedung vor fast 13 Jahren im Espenmoos gesagt.
Barnetta, 2002 mit der Schweizer U17 Europameister geworden und seither ohne Titel geblieben, unterschrieb einen Vertrag bis 2019. Nachdem Philadelphia Ende Oktober schon in der ersten Playoff-Runde gegen Toronto ausgeschieden war, stand der Mittelfeldspieler bereits zwei Wochen später freiwillig auf dem St.Galler Trainingsplatz, um seine neuen Teamkameraden kennen zu lernen und sich auf sein Super-League-Comeback von Anfang Februar vorzubereiten. Von einer solchen Berufsauffassung können sich manche Profis eine Scheibe abschneiden.
Am 5. Februar 2017 war es dann so weit: Barnetta schlüpfte in Vaduz ins St.Galler Trikot – und liess es gleich kräftig scheppern. Zweimal innerhalb einer Minute drosch er den Ball an den Pfosten, und als das Spiel zu Ende war, wurde dem Rückkehrer zwar eine glänzende Leistung bescheinigt, doch das 1:1 war eine Enttäuschung.
Sechs Spiele später wartet Barnetta zwar noch immer auf sein erstes Tor, aber St.Gallen hat mit ihm nur noch einmal verloren. Der 31-Jährige hat nicht immer so brilliert wie in Vaduz, ist aber jedes Mal in der Startaufstellung gestanden und hat kämpferisch überzeugt. «Ich glaube, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dass St.Gallen stabiler geworden ist», sagt Barnetta. Die riesige Erwartungshaltung in der Ostschweiz habe ihn nicht belastet, auch wenn das ganze Tam-Tam um seine Person nicht nötig gewesen wäre. «Im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden mit meinen Leistungen und happy, dass ich gesund bin und weiter Fussball spielen kann.»
Eine Selbstverständlichkeit ist dies nach bald 15 Profijahren und einigen Verletzungen nicht. «Klar, am Morgen stehe ich nicht mehr mit der gleichen Frische wie zu Beginn meiner Karriere auf», schmunzelt Barnetta, «aber mit gezielten Übungen vor und nach dem Training kann ich meine körperliche Verfassung so managen, dass ich keine Pausen brauche, voller Tatendrang bin und meinen Beruf geniessen kann.»
Wie morgen das Spiel gegen Basel. «Wir versuchen zu punkten, denn wir wollen den Ligaerhalt so früh wie möglich sicherstellen», sagt Barnetta. Mit neun Punkten vor Vaduz und sechs Zählern hinter Luzern befinden sich die St.Galler indes bereits näher bei einem Europacupplatz als dem 10. Rang.
Als Barnetta 2004 St.Gallen verliess, um für Leverkusen zu spielen, war der FCB gerade zum zweiten Mal Meister seit der Jahrtausendwende geworden. Danach sind neun weitere Titel dazugekommen. «Die Leistung des FCB ist grossartig. Ich habe aus dem Ausland immer mit grosser Freude beobachtet, wenn er international für Furore gesorgt hat», sagt Barnetta.
Als 15-jähriger Junior hatte er einst hautnah miterlebt, wie der FC St.Gallen sensationell Meister wurde. «Auch wenn es schwierig ist, als Aussenseiter so etwas noch einmal zu schaffen, sollten wir nicht aufhören, davon zu träumen», sagt Barnetta. Es liege an den anderen Klubs, die Basler Übermacht zu beenden. Oder wäre ein neuer Modus mit Playoffs, wie er es selber in Nordamerika erlebt hat, eine Lösung? «Zwar bleibt möglicherweise die Spannung länger erhalten, aber fair ist es nicht, wenn die zuvor beste Mannschaft in der ersten Playoff-Runde ausscheidet», sagt Barnetta.
In den fast 13 Jahren seiner Super-League-Abwesenheit habe sich viel verändert. «Ich denke aber weniger an die Spielqualität. Die Akteure sind technisch und taktisch schon früher gut ausgebildet gewesen. Doch es gibt viele neue Stadien und die Klubs sind besser aufgestellt. Auch unsere Infrastruktur ist hervorragend», sagt Barnetta, der die Rückennummer 85 trägt, weil dies sein Jahrgang ist.
Im Gegensatz zu gescheiterten Rückkehrern wie Zdravko Kuzmanovic (FCB), Raphael Wicky (Sion) und Johann Vogel (GC) braucht Barnetta nicht zu bereuen, noch einmal beim Stammverein angebissen zu haben. Er ist mit sich und seiner Karriere im Reinen. Dass er nach 75 Länderspielen nicht mehr zur Nati gehört, beschäftigt ihn nicht weiter. «Man sieht ja, wie gut es läuft, und ich freue mich für das Team», sagt Barnetta. «Jetzt bin ich einfach nur glücklich, wieder in St.Gallen zu sein und meine Familie in der Nähe zu wissen. Ich habe alles richtig gemacht.»