«Jedes Ende bedeutet auch einen Anfang. Nach 41 Jahren in der FIFA habe ich mich in den vergangenen zwölf Monaten neu orientiert. Ich verfolge den Fussball zwar noch immer und bin über die Wettbewerbe zwischen Papua Neuguinea und Visp auf dem Laufenden, doch mein ganzes Leben dreht sich nicht mehr um den Fussball.
Ich habe festgestellt: Wenn man täglich im gleichen Schema steckt, bekommt man nicht mit, dass es neben dem Beruf noch ein ‹normales› Leben gibt.
Als am 26. Februar Gianni Infantino zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde, fiel auch eine grosse Last von meinen Schultern. Denn ab diesem Moment war ich nicht mehr für die FIFA verantwortlich – obwohl ich weder verabschiedet noch formell abgewählt wurde.
Das Urteil des Internationalen Sportgerichts hat mich enttäuscht, obwohl ich es kommen sah und aufgrund des Verlaufs der Verhandlung nichts anderes zu erwarten war. Ich kann mir nach wie vor nicht vorwerfen, Unrecht begangen zu haben. Aber nicht jedes Gericht steht für Gerechtigkeit. In diesem Fall fällte es einen politischen Entscheid.
Ich bin aber in einer Epoche meines Lebens, in der ich nicht mehr streiten will. Ich trete auch deshalb nicht vor Bundesgericht, weil ich die Sportjustiz und die zivile Gerichtsbarkeit nicht miteinander vermischen will.
Stattdessen möchte ich den Teil des Lebens, der mir noch bleibt – und es bleibt ja immer weniger – mit Gesundheit, Liebe und Glück weiterleben. Ich habe eine Familie, eine kleine Familie – meine Tochter mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann. Sich einmal anlehnen, das muss man im Leben auch können.
Und das kann ich jetzt, bei meiner Partnerin Linda. Solange ich im Fussball war, standen die schönen Seiten etwas abseits. Das will ich jetzt nachholen. Ich erinnere mich, dass meine Tochter einmal zu mir gesagt hat: ‹Wenn du noch einmal sagst, dass die FIFA deine Familie ist, komme ich nie mehr zu dir.›
Die vergangenen Monate haben mir gesundheitlich zugesetzt. Es begann mit der Attacke im «Baur au Lac» am 27. Mai 2015, setzte sich mit meiner Suspendierung fort – und erreichte mit dem Zusammenbruch vom 1. November 2015 den Tiefpunkt. Seither ist mir wieder bewusst, dass die Gesundheit nicht selbstverständlich ist.
Solange ich bei der FIFA arbeitete, war ich jeweils morgens um 7 Uhr im Büro. Meine Tätigkeit beschäftigte mich zu 50 Prozent in der Schweiz, den Rest war ich unterwegs in der Welt. Meine offiziellen Besuche führten mich auch zu Premierministern und Präsidenten, in Japan einst gar zum Kaiser.
Ich habe über 200 Länder gesehen. Zuerst glaubte ich, dass ich das Reisen vermissen würde. Doch jetzt realisiere ich erst richtig, wie schön es in der Schweiz ist. Wir leben hier in einem Paradies. Das dürfen wir nie vergessen.
Was in der FIFA momentan abläuft, erstaunt mich. Dabei geht es nicht nur um meine Person – oder etwa doch? Die offizielle FIFA kommuniziert mit mir nur noch via Rechtsanwälte – obwohl ich mit dem neuen Präsidenten in den ersten zwei Monaten nach dessen Wahl einen direkten Kontakt hatte. Seither herrscht zwischen ihm und mir aber Funkstille. Es scheint, dass alles, was Blatter ist, weg muss.
Sogar das Museum will man offenbar schliessen – nach zehn Monaten wegen des fehlenden kommerziellen Erfolgs. Doch ein Museum ist kommerziell nie erfolgreich – und es muss es auch nicht sein. Denn es hat einen gesellschaftlichen und kulturellen Zweck. Doch die FIFA-Strategie ist offensichtlich. Die ‹NZZ› schreibt von ‹Tabula rasa›.
Das Wort Fairplay hat die FIFA zwar entfernt aus ihrem Logo, es heisst jetzt nur noch Respekt. Aber Respekt bedeutet Achtung – nicht Verachtung. Das betrifft auch die gezielten Falschmeldungen bezüglich meiner Boni. Die FIFA wird das korrigieren müssen. Und irgendwann wird sie auch zugeben müssen, dass Sepp Blatter in 41 Jahren nicht alles falsch gemacht hat.
So oder so hat sich die Liste meiner Freunde in den vergangenen Monaten drastisch verkürzt. Doch damit ist es wie im Fussball: Qualität kommt vor Quantität.»