Im Frühling 2011 war's, als das kleine Brechin City plötzlich in einem Atemzug mit den Besten der Welt erwähnt wurde. Sir Alex Ferguson, der legendäre Trainer von Manchester United, war dafür verantwortlich. Nach dem Einzug in den Champions-League-Final witzelte der Schotte, er würde im Wembley lieber gegen Brechin spielen als gegen Barcelona.
Dass mit Fergusons Gag ausserhalb Schottlands kaum jemand etwas anfangen konnte, erstaunt nicht. Die wertvollsten Erfolge von Brechin City sind drei Meistertitel in der dritthöchsten Liga.
Aktuell spielt der Klub aus der Grafschaft Angus nördlich von Dundee wieder einmal in der zweiten Liga – und kassiert dort nichts als Prügel. 27 Niederlagen in bisher 31 Spielen kamen zusammen. Wenigstens vier Mal schaffte Brechin ein Unentschieden. Doch auf den ersten Sieg wartet das Team fünf Runden vor dem Ende der Meisterschaft immer noch.
«Natürlich ist das nicht schön», meint Dean Walker, der Präsident des Fanclubs, im «Guardian». «Aber wir nehmen es mit Humor. Die meisten Anhänger nehmen das Schicksal tapfer und ohne grosses Klagen hin.»
Wie kam es zu dieser desaströsen Bilanz? Es sei gar nicht viel schief gelaufen, fällt Klubpräsident Ken Ferguson im «Spiegel» ein Urteil, das überraschen mag. Der Grund liege schlichtweg darin, dass Brechins Team bloss aus Amateuren bestehe. «Unsere Mannschaft trainiert zweimal die Woche, dienstags und donnerstags. Die Spieler gehen ganz normalen Berufen nach. Wir haben Taxifahrer, Feuerwehrmänner, Buchhalter und Börsenmakler im Team.»
Brechins Aufstieg im letzten Sommer kam überraschend, sowohl Halbfinal wie auch Final wurden nach Hin- und Rückspiel im Penaltyschiessen gewonnen. Was nun: Klotzen und versuchen, den Klub auf eine neue Stufe zu hieven? Oder die Saison bei den Profis einfach so gut es geht geniessen? Brechin City wählte die zweite Option. Klub-Boss Ferguson sagt deshalb, obwohl der Abstieg längst feststeht: «Die Saison in der zweiten Liga hat sich gelohnt. Unsere Spieler haben an Erfahrung gewonnen, der Verein konnte seine Finanzen stabilisieren und befindet sich in einem besseren Zustand als vor einem Jahr.»
Brechin City startete als krasser Aussenseiter in die Saison und die begann auch prompt mit einer 1:4-Niederlage. Doch dann schöpfte man Mut: Im ersten Heimspiel holte das Team ein 2:2. Auf der Website beschrieb man eine starke zweite Hälfte. «Sie sollte Spielern und Management Hoffnung und Zuversicht geben für das, was vor ihnen liegt», schrieb der Verfasser des Matchberichts.
Aber nicht immer versetzt der Glaube Berge, nicht einmal dann, wenn es sich bloss um schottische Hügel handelt. Am 9. September hätte der eingewechselte Isaac Layne aber um ein Haar dafür gesorgt, dass diese Geschichte so nie erscheinen würde. Aber er vergab die Chance, als er Sekunden vor dem Abpfiff gegen Falkirk alleine vor dem Goalie auftauchte. So blieb es beim 1:1. Das Warten auf den ersten Sieg ging weiter.
«Die meisten Spiele haben wir nur knapp verloren», blickt Ken Ferguson zurück. «Wir können mit unseren Leistungen zufrieden sein. Niemand hat sich hängen lassen.»
Und weil das so ist – und weil sie bei Brechin wohl von Anfang an mit dem Abstieg gerechnet hatten – wurde auch Trainer Darren Dods nie zum Thema. «Nicht eine Sekunde» habe man daran gedacht, ihn zu entlassen, betont Ferguson. «Er leistet grossartige Arbeit. Wir glauben daran, dass es sich auszahlt, Trainern eine Chance zu geben und ihnen zu vertrauen.»
Der kurze schottische Sommer war längst vorbei, als der hadernde Chronist der Klub-Website Mitte Oktober nach einem weiteren 0:1, dieses Mal gegen Queen of the South, die nächste knappe Niederlage beschreiben musste. «Frust ist ein Gefühl, das Spieler und Fans von City bereits gut kennen, wenn die Uhr am Samstag 16.45 Uhr zeigt.»
Am 6. Januar verliessen 694 Zuschauer jedoch zufrieden den heimischen Glebe Park. Das 1:1 gegen Greenock Morton war nicht unbedingt erwartet worden, es war erst der vierte Punkt in dieser Saison. Bis heute kam nicht einer hinzu. Und die Resultate fielen zuletzt nicht mehr knapp aus, sondern deutlich. Die letzten vier Partien endeten 0:3, 0:2, 0:3 und 0:4. «Wir wussten von Anfang an, dass es hart werden würde. Aber ganz so hart haben wir es nicht erwartet», sagte Ferguson dem «Guardian».
Dennoch lebt die Hoffnung, doch noch einen Sieg zu landen, bei Präsident Ken Ferguson weiter. Es sei vielleicht sogar ein Vorteil, dass der Abstieg mittlerweile Tatsache sei. «Jetzt ist der Druck weg, wir können befreit aufspielen. Vielleicht schaffen wir es ja noch, den einen oder anderen Sieg einzufahren.»
Er habe es satt, von allen stets nur gelobt zu werden, aber immer noch ohne Dreier da zu stehen. «Nach jedem Spiel haben uns die Vertreter der anderen Klubs gesagt, dass wir richtig gute Arbeit machen würden, wir eine bessere Platzierung verdient hätten und es nicht mehr weit bis zum ersten Sieg sein könne. Ich will das nicht mehr hören. Ich will endlich ein Spiel gewinnen!»
Schliesslich, fügt Ferguson an, wolle der Klub auf keinen Fall wegen einer unschönen Statistik in die Geschichtsbücher eingehen. «Ich will nicht, dass beim Pub-Quiz die Frage gestellt wird, welche schottische Mannschaft eine ganze Saison kein Spiel gewinnen konnte und die Antwort darauf ‹Brechin City› lautet.»
Viele Chancen bleiben nicht mehr, um die Herkulesaufgabe zu schaffen. Nächster Gegner ist am Samstag der überlegene Tabellenführer St.Mirren. Danach folgen Partien gegen Dunfermline Athletic, Dundee United und Livingston – die Teams auf den Rängen drei, vier und zwei. Auch Queen of the South, am 28. April der letzte Gegner, liebäugelt noch mit dem Einzug in die Aufstiegs-Playoffs.
Spätestens nach dieser letzten Runde entscheidet sich, ob Brechin City auch künftig bloss Sir Alex Ferguson und seinen schottischen Landsleuten ein Begriff ist. Oder als die korrekte Lösung einer Pub-Quiz-Frage Fans in aller Welt.