Einer, der Xhakas Stärken und Schwächen detaillierter kennt als die BBC-Kommentatoren, teilt Murphys Ansatz nicht: Nice-Coach Lucien Favre. Er arbeitete mit Xhaka während über vier Jahren in Mönchengladbach täglich zusammen. «Er macht ab und zu ein Foul zu viel, weil er mit dem falschen Fuss attackiert. Damit muss er aufhören. Aber seine Passqualität im Aufbau ist unbestritten», so der Romand gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Im Vergleich zu seiner Rolle in London habe Xhaka in der Bundesliga unter ihm mehr Freiheiten genossen, das Kollektiv war auf ihn abgestimmt: «Er war unser Spielmacher und Stratege - defensiv und offensiv. Er bewegte sich mit der ganzen Mannschaft.» Favre glaubt, dass der 24-Jährige in der mittleren Reihe einer 4-4-2-Formation am besten aufgehoben sei. An der Athletik zweifelt sein Ex-Coach keine Sekunde: «Er kann über 12 Kilometer pro Spiel laufen und ist zudem ziemlich schnell.»
Nicht nur Favre platziert den Hinweis, dass der 50-fache Internationale in einer überaus exponierten Zone operiere. Angesichts des teaminternen Spitzenwerts von 1242 Zuspielen hält sich die Zahl der gravierenden Fehlpässe in Grenzen. Und mit Blick auf die Intensität der Zweikämpfe und die hohe Zahl an 1:1-Situationen ist Xhakas Foulquote (24) im gesamten Ligavergleich (noch) nicht alarmierend - Manchesters 105-Millionen-Mann Paul Pogba, im Ranking der unfairsten Profis derzeit topklassiert, hat rund 46 Prozent häufiger die Regeln verletzt als der Schweizer.
Dazu haben sich in den ersten 22 Runden 137 Spieler drei oder mehr Verwarnungen eingehandelt, Xhaka sah zweimal Gelb - Watfords Deutsch-Grieche José Holebas ist bereits bei zehn angelangt, dessen Klubkollege und Schweizer Valon Behrami wurde sechsmal verwarnt.
Es gibt durchaus ein paar mildernde Umstände in der «Causa Xhaka», aber der frühere Mönchengladbach-Captain muss selbstredend aufpassen, bei den Entscheidungsträgern und prominenten Co-Equipiers des Weltvereins keinen Vertrauensverlust zu riskieren. «Ich bin enttäuscht, dass wir zu zehnt spielten. Es wäre falsch zu behaupten, wir würden es uns selber zu einfach machen», liess sich Arsène Wenger im Zusammenhang mit dem sonntäglichen Platzverweis zitieren.
Auch die sportjuristische Faktenlage ist suboptimal. Auf Xhaka kommen vier Spielsperren und entsprechend ungemütliche Tage und Wochen zu. Das missratene Tackling in der Partie gegen Burnley (2:1) hat zur Folge, dass Arsenal im Kampf um den ersten Titelgewinn seit 2004 im kursweisenden Spiel am übernächsten Samstag gegen den Leader Chelsea ohne den Schweizer Schlüsselspieler auskommen muss. Er wird erst im Achtelfinal-Hinspiel gegen Bayern München in der Champions League wieder zur Verfügung stehen - ohne Spielpraxis.
Xhakas selbst verschuldeter Ausfall bringt seinen Coach Arsène Wenger in einer entscheidenden Phase entsprechend in die Bredouille. Im defensiven Mittelfeldzentrum ist der Handlungsspielraum des Franzosen derzeit ohnehin gering. Santi Cazorla fehlt verletzt, Elneny ist beim Afrika-Cup engagiert, Jack Wilshere haben die Gunners im Sommer ausgeliehen. (jwe/sda)