Pep Guardiolas grösste Schwäche? Seine Sturheit. Das war zumindest Ende der letzten Saison vielerorts zu lesen, als er mit Manchester City in der Premier League nur auf Rang 3 landete und in der Champions League bereits im Achtelfinal an Monaco scheiterte. Der Katalane sei taktisch zu wenig flexibel und beharre starrsinnig auf seinem üblichen Ballbesitz-Fussball. Wenn sein Tiki-Taka-Spielsystem nicht aufgehe, habe er keinen zweiten Pfeil im Köcher.
Ein halbes Jahr später sind Guardiolas Kritiker verstummt. Kein Wunder: Am Wochenende hat ManCity das 15. Pflichtspiel in Serie gewonnen. Nicht irgendwie: Das 3:1 gegen Titelkonkurrent Arsenal war mal wieder eine Machtdemonstration. Kein Tiki-Taka-Ballgeschiebe, sondern modernster Hochgeschwindigkeitsfussball mit Kurzpassspiel, Druck über die Flügel, einstudierten Laufwegen, Pressing und Gegenpressing. Die «Gunners» wurden teilweise regelrecht schwindlig gespielt.
Nach elf Spieltagen beträgt der Vorsprung in der Meisterschaft bereits acht Punkte auf den ersten Verfolger. In der Champions League steht man nach vier Spieltagen bereits im Achtelfinal.
Das Aushängeschild der «Citizens» ist weiterhin die Offensive um die Starspieler Sergio Agüero, Kevin De Bruyne, David Silva, Gabriel Jesus und Raheem Sterling und Leroy Sané. Wettbewerbsübergreifend hat City in 17 Partien sagenhafte 52 Tore erzielt, durchschnittlich mehr als drei pro Spiel.
31 - With 31 points and a goal difference of +31, this is Pep Guardiola's best start after 11 games to a league season as manager. Stormer. pic.twitter.com/qiM2Zx5Krr
— OptaJoe (@OptaJoe) 6. November 2017
Stabilität gibt der Mannschaft aber die im Sommer für viel Geld neu bestückte Defensive. Für 178,5 Millionen holte Guardiola drei Verteidiger – Kyle Walker, Benjamin Mendy, Danilo – und einen Torhüter – Ederson. Dank diesen Investitionen ist das Team nun endlich ganz nach dem Geschmack des Katalanen bestückt. Früh in der Saison wurde klar, warum Guardiola genau in der Defensive nachgerüstet hat. Dank der nötigen Breite im Kader können die Ausfälle von Captain Vincent Kompany und Mendy mühelos kompensiert werden.
Zudem hat Guardiolas Mannschaft nach einem schwierigen ersten Jahr das Spiel des Trainers mittlerweile verinnerlicht, die Puzzle-Teile passen jetzt ineinander. Von taktischer Hilflosigkeit, wie oft moniert wurde, ist bei Guardiola nichts zu sehen. Egal ob im 3-1-4-2-, im 4-1-4-1- oder im offensiveren 4-3-3-System – seine Mannschaft funktioniert.
«Wir haben die Balance in unserem Spiel gefunden, verfügen über einen guten Teamspirit und machen viele Sachen besser in dieser Saison», freut sich Guardiola über die positive Entwicklung seiner Mannschaft. «Wenn ein neuer Trainer kommt, erwarten die Leute gleich Ergebnisse. Aber man braucht Zeit, um Dinge anzuschieben – egal, wie viele Erfolge man in der Vergangenheit hatte.»
Der Erfolgstrainer freut sich vor allem über die Bilanz gegen die anderen Topklubs: «In der vergangenen Saison haben wir nur zwei Spiele gegen Titelanwärter gewonnen. In dieser Saison haben wir im November schon dreimal gewonnen», rechnet Guardiola vor und betont: «Wenn du Meister werden willst, musst du Chelsea, Liverpool, Arsenal und die anderen Mannschaften an der Spitze schlagen.»
Und auch seine Spieler sind begeistert. Ilkay Gundogan schwärmt in der Sun: «So wie wir spielen und die Gegner dominieren, ist es schon etwas ganz Besonderes.» Das Team, das ManCity am ähnlichsten sei, sei wohl der FC Barcelona, als er unter Guardiola seine beste Zeit hatte, meint Gundogan. Er beschwichtigt aber sofort: «Ich sage nicht, dass wir dieses Niveau schon haben. Aber wir kommen dem sehr nahe.» Dieser Meinung ist übrigens auch David Silva, der mit Spanien Welt- und Europameister wurde.
David Silva has made seven assists in 11 #PL appearances this term, as many as he did in the whole of 2016/17 (34 apps)#MCIARS pic.twitter.com/AfiqmEusNE
— Premier League (@premierleague) 6. November 2017
Rundum zufrieden ist auch Kevin De Bruyne: «Pep lässt den Fussball spielen, den ich mag. Das macht alles einfacher. Jedem in der Mannschaft gefällt dieser Stil.» Der Belgier hat sich unter Guardiola zum wohl spektakulärsten Spieler der Premier League entwickelt. Der 26-jährige Blondschopf ist blitzschnell, hat Übersicht, spielt den perfekten Pass und ist im Abschluss selbst brandgefährlich. «Er ist der komplette Spieler» – das sagt nicht Pep Guardiola, sondern Chelsea-Trainer Antonio Conte.
50 - Kevin de Bruyne's strike was @ManCity's 50th in all competitions this season, 10 more than any other Premier League side. Relentless.
— OptaJoe (@OptaJoe) 5. November 2017
Wer soll dieses Manchester City in dieser Saison also erstmals bezwingen? England-Legende Alan Shearer sieht in der Premier League derzeit niemanden, der Guardiolas perfekt organisierte «Citizens» in Bedrängnis bringen könnte. Zu inkonstant spielen die anderen, zu fehlerlos der Leader unter der Ägide Guardiolas.
«City ist im Moment wie ein unaufhaltsamer Zug. Die Mannschaft spielt Fussball auf einem anderen Level», sagt Ex-ManUnited-Profi und BBC-Experte Phil Neville. Da fragt man sich, warum ManCity noch immer hinter Arsenals Alexis Sánchez her ist. Nun ja. Wer mit sich im Reinen ist, könnte ja beginnen, die Gegner zu schwächen.