Seit 1986 wartet YB auf den zwölften Meistertitel. Selbst Xamax, Aarau, Servette, Sion, GC oder Luzern warten weniger lange auf die Trophäe. Die Vize-Meisterschaften von 2004, 2008, 2009, 2010, 2015, 2016 und 2017 sind auch kein Trost. Aber jetzt, 2018 soll es klappen. Allerdings lauern noch Gefahren auf das Team von Adi Hütter.
Unvergessen sind die beiden Finalissimas zwischen YB und Basel 2008 und 2010. Ein Sieg und die Berner hätten den Titel geholt. Beide Partien gingen 0:2 verloren. Klar: Aus den damaligen Kadern ist heute keiner mehr dabei. Ausser Ersatzgoalie Marco Wölfli.
Aber trotzdem wissen alle noch, was damals war. Käme es wieder zu einer Finalissima, die Aufregung und der Hype wären in der Hauptstadt so gross, dass sich das auf die Spieler übertragen würde.
Da könnte Adi Hütter noch lange predigen, dass das vergessen sei. Oder Michel Aebischer könnte sagen, dass er damals gerade mal 13 war und sich nicht wirklich erinnern könne. Aber: Alle wüssten trotzdem, wie es war. YB sollte es nicht zu einer Finalissima kommen lassen.
Bald ist wieder Januar. Dann heisst es für Christoph Spycher 31 Tage lang: Unter allen Umständen das Team zusammenhalten. Basel zeigte in der Vergangenheit oft, dass man nur zu gerne Spieler der Konkurrenz abwirbt. Unvergessen ist der Transfer von Gilles Yapi, der zwar erst im Sommer 2010 wechselte, aber dem FCB schon im Winter zusagte, was die Berner wohl die Meisterschaft kostete. Auch Renato Steffen erlag später dem Lockruf aus Basel.
Man kann jetzt sagen: Das passiert nicht mehr. Jean-Pierre Nsamé beispielsweise holte Basel im Sommer am Ende doch nicht. Ausserdem wollen die YB-Spieler ja Helden in Bern werden. Und Geld brauche man auch nicht mehr, weil im Sommer mit Denis Zakaria (12 Mio Euro), Yoric Ravet (4,5 Mio Euro) und Yvon Mvogo (5 Mio Euro) gut Kasse gemacht wurde. Aber wenn etwas klar ist, dann dass im grossen Winter-Transferwirbel alles möglich ist.
Wenn Basel in der aktuellen Phase nicht mehr «attraktiv genug» für YB-Spieler ist, dann aber sicher das Ausland. Oder anders gesagt: Auch Christoph Spycher hat eine Schmerzgrenze. Im Sommer bot Brighton & Hove Albion 10 Millionen Euro für Raphael Dwamena. Warum sollte im Januar nicht ein Klub 15 Millionen für Roger Assalé oder Jean-Pierre Nsamé bieten?
Oder verdreht ein Klub Miralem Sulejmani den Kopf? Seine Karriere hätte auch in höheren Sphären verlaufen können. Im Sommer 2018 läuft sein Vertrag aus. Fängt er jetzt mit 28 Jahren an zu pokern, um noch einmal einen guten Vertrag zu erhalten und bringt Unruhe ins Team?
Guillaume Hoarau geniesst Heldenstatus in Bern. Der Franzose ist auf und neben dem Platz eine grosse Figur. Noch im Sommer sagte er, dass er nicht aus Bern weggehe, ehe er einen Titel gewonnen habe. In der letzten Saison war YB mit Hoarau top, ohne ihn flop.
Die Mannschaft hat sich dank Spychers Transfers aber von der Abhängigkeit des verletzungsanfälligen Stürmers losgelöst. Wie verändert sich das Mannschaftsgefüge, wenn er Ende November wieder fit ist? Assalé, Nsamé und Hoarau werden nicht alle drei spielen können. Gibt sich Hoarau mit seinen 33 Jahren mit der Jokerrolle zufrieden? Es wird eine grosse Herausforderung, den Star wieder ins funktionierende Team zu integrieren.
Vermutlich hätte YB ein Spiel wie gestern in den letzten Jahren gegen Basel noch verloren. Die Mannschaft ist fraglos stabiler geworden. Trotzdem leistete sie sich gegen die Kleinen Patzer. Nach drei Siegen mit 9:0 Toren zum Saisonstart gab's ein 0:4 gegen das bis dahin punktelose Thun – obwohl die Leistung damals nicht so schlecht wie das Resultat war.
Und Mitte Oktober setzte es ausgerechnet beim biederen Lausanne nach vier Siegen in Serie und sechs Partien ohne Niederlage eine Pleite ab. Praktisch aus dem Nichts. Das muss YB abstellen.
Wer hätte zu Beginn der Saison gedacht, dass Steve von Bergen in diesem Herbst seinen zweiten oder dritten Frühling erlebt? In der Rückrunde der letzten Saison schien der Captain nicht mehr immer auf der Höhe zu sein.
Jetzt ist der 34-Jährige ein Leader, der das Team zusammenhält und seinen jungen Mitspielern ein Vorbild ist. Mit der besten Zweikampfquote der Liga sorgt der ehemalige Nationalspieler für die Stabilität.
Aber hält von Bergen sein Niveau eine Saison lang? Was wenn er sich verletzt oder in altes Fahrwasser zurückrutscht? Sind Gregory Wüthrich (2 SL-Einsätze, 22 Jahre) oder Marco Bürki (2 SL-Einsätze, 24 Jahre) stark genug, um neben Kasim Nuhu in der Innenverteidigung über längere Zeit für Ruhe und Ordnung zu sorgen?
Nein, überzeugt hat YB in der Europa League bisher noch nicht. Aber mit zwei Siegen gegen Partizan Belgrad und Skenderbeu dürften die 1/16-Finals erreicht werden. Ein mögliches Szenario.
Die Frage ist nur: Setzen die Berner die Prioritäten falsch und hoffen auf europäische Nächte und einen finanziellen Extrazuschuss, statt mit aller Kraft auf die Meisterschaft zu setzen? Immerhin zeigt die Bilanz nach den bisherigen acht Europa-Cup-Einsätzen in den Liga-Partien unmittelbar danach, dass dies bisher nicht der Fall war (5 Siege, 3 Remis).
Und ja, der Cup ist auch noch. Am 29. November empfängt YB St.Gallen im Viertelfinal. Noch drei Siege zum ersten Titel seit 31 Jahren (Cupsieg 1987). Der Weg war auch schon viel länger.
Die Verletzungshexe scheint im Stade de Suisse zumindest ein gut genutztes Wochenendhäuschen zu haben. Alleine in dieser Saison fielen mit Guillaume Hoarau, Leonardo Bertone und Loris Benito drei Leistungsträger mehrere Wochen aus.
Schon in der Vergangenheit ärgerten sich Fans über das Verletzungspech. Ist der Kunstrasen schuld? Auf jeden Fall konnte YB die Ausfälle bisher kompensieren. Das Kader ist breiter geworden. Doch bleibt das auch in den Wochen und Monaten bis zum Saisonfinale im Mai so?
Das Kader der Young Boys ist jung. Und unerfahren. Wenige Spieler konnten in ihrer Karriere schon einen Titelgewinn feiern. Roger Assalé zum Beispiel oder Miralem Sulejmani, Loris Benito, Steve von Bergen und natürlich Guillaume Hoarau. Bei vielen ist es allerdings schon länger her oder sie spielten dabei keine tragende Rolle.
Die Erfahrung könnte in der heissen Saisonphase den Spielern, dem Verein, dem Umfeld einen Strich durch die Rechnung machen.