Halbzeitmeister ist YB schon, denn die Partien heute sind solche der 19. Runde und damit der ersten Rückrunde. Der Titel ist genau so inoffiziell wie jener des Wintermeisters, den sich jenes Team ans Revers heften darf, das in der Winterpause auf Rang 1 liegt. Aber auch wenn die Titel nur Symbolcharakter haben: Für den Kopf, für die Fans, für das Umfeld ist es eben doch ein Unterschied, ob man an Weihnachten Leader ist oder nicht.
Heute spielt YB in Luzern, parallel tritt Basel bei GC an. Knöpfen die Luzerner den Bernern einen Punkt ab und siegt der FCB, dann überwintert Basel auf Rang 1. Ein Szenario, das die Young Boys verhindern möchten.
Klar ist: Trainer Adi Hütter will an der Liga-Spitze bleiben. Und der Österreicher will mit attraktiver Spielweise YB-Geschichte schreiben. Vor 27 Monaten hat er Uli Forte abgelöst und seither hat sich fast alles verändert im Stade de Suisse. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nach wie vor gut, aber weniger komfortabel, die Besitzerfamilie pocht auf tiefere Kosten. Die Verjüngung ist eine strategische Vorgabe. Entsprechende personelle Umbrüche hat YB hinter sich.
Hütter findet diesen Prozess spannend. Er verkörpert und verantwortet den aktuellen YB-Weg zu einem hohen Prozentsatz. Und er hat alle Korrekturen der Chefs und diverse House-Cleanings überstanden. Die Führungscrew attestiert Hütter, was ihm bei den Sondierungsgesprächen vor über zwei Jahren ohne Verzögerung aufgefallen ist: «Die Qualität, Geschichte schreiben.» Allerdings im Duell mit einer mittlerweile selbst international anerkannten Organisation, die seit bald einer Dekade kaum mehr einen fundamentalen Fehler begangen hat.
«Der FC Basel hat sich in der Schweiz einen Status erarbeitet wie Bayern München in Deutschland oder Red Bull Salzburg in meiner Heimat», sagt Adi Hütter zur Nachrichtenagentur SDA. Den Branchenprimus anerkennt er neidlos als das Schweizer Aushängeschild in Europa. Dass der Titelhalter in den letzten drei Monaten weitere Millionen einspielte und seine finanzielle Marge markant vergrösserte, beunruhigt Hütter nicht. «Mit diesem Nachteil müssen wir leben und umgehen können. Basel irgendwann einmal vom Thron zu stossen, bleibt unser Ziel.»
Sie signalisieren Stärke in der Hauptstadt. Die Bereitschaft, der Hunger, der Entschluss, grösser als der Durchschnitt in der Liga zu denken, sind zu spüren. Nach halbem Pensum ist die im letzten Juni und Juli markant umgebaute Equipe vor dem Dauermeister an der Spitze klassiert. «Wir haben auf dem Feld mehr verändert als der FCB, das vergessen viele. Die Jungen tragen Verantwortung – das Team wirkt gefestigter, konstanter, dynamischer. Das imponiert mir, weil eine Führungsrolle für viele neu ist.»
Er denkt dabei an Michel Aebischer und Djibril Sow, beide erst 20-jährig, aber trotz eines Zusatzpensums in der Sportrekrutenschule im Aufbauzentrum momentan gesetzt. Zur Liste gehören auch Jordan Lotomba (19), Kassim Nuhu (22), Christian Fassnacht (24) oder Kevin Mbabu (22), der «Dampf und Betrieb macht» (Hütter). «Eine hungrige Gruppe mit viel Drive – wir sind auf einem gut Weg mit diesen Spielern.»
In der Berner Öffentlichkeit kommt der Stil Hütters gut an. Der Mann an der Linie hat sportlich erstklassige Argumente zu bieten. Nach bislang 83 Super-League-Partien ist der messbare Output auf zwei Punkte pro Spiel angewachsen, garniert mit 178 Treffern. Das Publikum wird im Stade de Suisse in der Regel formidabel unterhalten.
Gegen 20'000 Fans interessierten sich im Schnitt für die Fortschritte des Leaders. «Sie merken, dass da eine Linie ist und Ruhe herrscht. Keine Kehrtwenden, kein Theater – das wird honoriert.» Blenden lässt sich Hütter vom allgemeinen Zuspruch indes nicht: «Entschieden wird die Meisterschaft im Frühjahr.» Dann legt er bewusst nach: «Ich bin überzeugt davon, dass wir bis Mai weiter zulegen werden. Das ist uns in den letzten zwei Jahren immer gelungen.»
Auch im Ausland wird registriert, dass Adi Hütter die Berner in den ersten 18 Super-League-Runden vor den FC Basel gecoacht hat. Noch ist ein Transfer für den Österreicher aber keine Option. Werder Bremen machte ihn in der Krise zum Thema. Hütter selber will das Interesse der Norddeutschen nicht mehr weiter besprechen. Für ihn sei immer klar gewesen, in Bern fortzufahren: «Hier vorzeitig auszusteigen, war undenkbar.»
Stolz machte ihn besonders auch die Anfrage des ÖFB. Der Fussball-Verband seiner Heimat sondierte im September nach der Trennung von Marcel Koller den Markt. «Eine Ehre, aber der Zeitpunkt muss passen, und er passte nicht. Punkt, Schluss.»
Die Herausforderung, Basel abzufangen, treibt Hütter an. Seine Head-to-Head-Bilanz gegen den Titelhalter fällt gut aus: Von zehn Begegnungen mit dem FCB hat der Österreicher nur vier verloren, 2017 kontrollierte er Rotblau sogar ausnahmslos mehr oder weniger deutlich. «Wir erstarren nicht in Ehrfurcht, aber andere müssten den FCB halt auch mal schlagen.» (ram/sda)