Mit Weltranglisten ist es immer so eine Sache. Rafael Nadal ist der beste Tennis-Spieler des Jahres 2017 – auch wenn besonders das Schweizer Gefühl sagt, dass das doch eher Roger Federer sein müsse. Schliesslich gewann der «Maestro» alle vier Direktduelle in dieser Saison und holte einen Titel mehr (bei je zwei Grand-Slam-Triumphen). Grundsätzlich ist die Weltrangliste im Tennis jedoch weit herum anerkannt.
Auch im Fussball existiert eine Weltrangliste. Ihr Stellenwert ist allerdings nicht gross. Viele Fans schütteln jeweils den Kopf, wenn allmonatlich das neuste FIFA-Ranking erscheint. Wichtig ist die Rangliste aber trotzdem. Denn sie bestimmt, wer bei Auslosungen in welchem Lostopf ist.
So schaffte es für die WM 2018 in Russland mit Polen ein Team in Topf 1, das vor vier Jahren in Brasilien nicht einmal dabei war. Dafür findet sich Spanien, immerhin Weltmeister 2010, Europameister 2008 und 2012, nur in Topf 2 wieder (wie die Schweiz). Wie kommt es dazu?
Diese Frage hat sich auch das deutsche Fachblatt «Kicker» gestellt – und eine Antwort gefunden. Die Arithmetik der Weltrangliste ist ein Faktor, das in diesem Fall clevere Verhalten des polnischen Verbands der zweite.
Für das Erstellen der Weltrangliste werden Resultate, die Bedeutung der Partie sowie die Qualität und Herkunft des Gegners zusammengerechnet. Das klingt komplizierter als es ist. Die Formel lautet P = M x I x T x C. Für jedes Spiel gibt es Punkte (P), die zustande kommen durch Multiplikation von Resultat (M), Wichtigkeit des Spiels (I), Position des Gegners in der Weltrangliste (T) und welchem Teilverband der Gegner angehört (C). Anschliessend werden diese Punkte nicht addiert, sondern es wird ihr Durchschnitt genommen. Weshalb dies entscheidend ist, sehen wir gleich.
Das System hat seine Schwächen, «haarsträubend» nennt sie der «Kicker». Manche Nationen würden sich diese ganz offensichtlich systematisch zunutze machen, um im Ranking aufzusteigen. Auch deshalb schaffte es Polen, sich in Los-Topf 1 für die WM-Auslosung zu schmuggeln. Denn Polen, das in der Qualifikation starke 25 von möglichen 30 Punkten holte, vermied jegliche Testspiele. Kein einziges trugen Robert Lewandowski und Co. zwischen dem 15. November 2016 und dem 9. November 2017 aus.
Die Polen verzichteten auf Freundschaftsspiele, um ihre tolle Bilanz nicht zu gefährden. Gewinnen lässt sich für die Weltrangliste eh nicht viel in einem Testspiel. Sie werden mit dem Faktor 1 berücksichtigt, Partien in der WM- oder EM-Qualifikation hingegen mit dem Faktor 2,5. Konkret: Ein 8:0-Sieg gegen Gibraltar ist zweieinhalb Mal wertvoller, wenn er in einem Pflicht- und nicht in einem Testspiel erfolgt. Aber die Gefahr ist gross, dass der Punkteschnitt bei einem Unentschieden oder einer Niederlage sinkt. Denn für die Weltrangliste ist jedes Spiel gleich wertvoll, ob es nun der WM-Final ist oder Test-Kick. Wenn die Punkte aller Partien addiert werden und der Schnitt davon genommen wird, dann zählt jedes Spiel als ein Spiel.
So verlor Italien 2013 Plätze, weil es in einem Benefiz-Länderspiel gegen das bescheidene Haiti bloss 2:2 spielte. Die Italiener dürften die Partie nicht überaus ernst genommen und die Weltrangliste kaum im Kopf gehabt haben. Und England testet zwar oft gegen andere grosse Nationen, kriegt dabei aber öfter aufs Dach. Das zieht den Schnitt herunter – Topf 2 morgen in Moskau ist die Folge.
Dass es sich lohnt, auf die Weltrangliste zu achten, haben die Polen bewiesen. Sie sind aber nicht die erste Nation, die das Schlupfloch in der Weltranglisten-Berechnung entdeckt und ausgenutzt hat. Der «Kicker» nennt Wales, das zwischen Herbst 2014 und Herbst 2015 keine Testspiele bestritt und in die Top 10 der Weltrangliste kletterte. Oder Rumänien, das es bis auf Rang 7 schaffte. Nutzniesser davon: ausgerechnet Polen. Denn die Rumänen waren so in der Qualifikation für die WM 2018 plötzlich als Gruppenkopf gesetzt. Polen, das nur in Los-Topf 3 war, hätte mit Deutschland oder Portugal wohl wesentlich mehr Mühe gehabt.
Die Schwäche der Weltrangliste bekommen stets auch die Austragungsländer von Turnieren zu spüren. Weil sie vorqualifiziert sind, können sie keine Punkte in Pflichtspielen holen – und büssen deshalb an Terrain ein. Das war schon bei der Schweiz vor der Euro 2008 der Fall und ist es nun auch bei Russland. Es ist innerhalb von zwei Jahren von Platz 24 auf Platz 65 abgestürzt. Was für die WM keine Rolle spielt, kommt in der nächsten EM-Qualifikation zum Tragen. Die FIFA, welche die Kritik an ihrer Weltrangliste kennt, kündigte unlängst an, die aktuelle Berechnungs-Methode zu überdenken.